PI ROPE RL ONE A.30 29er Laufradsatz – Testintro: von c_g

Ein Enduro-tauglicher Laufradsatz mit einem XC-würdigen Gewicht und einem vertretbaren Preis? Wie geil wäre das denn!“ Mit diesem Gedanken bis ich aus der ersten Begegnung mit dem Chemnitzer Start-Up PI ROPE und deren MTB-Laufrädern herausgegangen.

PIROPE und NEWMEN haben sich zusammengetan um die nächste Generation von MTB-Laufrädern zu entwickeln.

Seither habe ich deren Fortschritte aufmerksam verfolgt und mich Anfang 2018 umso mehr darüber gefreut zu hören (hier auf dem BIKE Festival in Riva), dass PI ROPE eine Kooperation mit der Allgäuer Komponentenschmiede NEWMEN eingegangen ist und die Serienproduktion für Sommer 2018 geplant sei. Wie so oft, wenn es um innovative Technologien geht, bei denen auch mal die eine oder andere Detailfrage zu klären ist, hat sich das noch ein wenig verzögert, aber jetzt haben wir einen der ersten 29er Vorserien-Laufradsätze in Form des PI ROPE RL ONE A.30 zum Test erhalten und können ab sofort selber überprüfen ob unsere Hoffnungen sich auch in der Praxis erfüllen.

Wie praxistauglich und robust die Faserspeichen in der Praxis sind, darf der PI ROPE RL ONE A.30 uns ab sofort unter Beweis stellen.

Das Ganze hat begonnen als sich ein paar radbegeisterte Wissenschaftler der Universität Chemnitz gefragt haben, ob Stahl wirklich das beste Material für die Anforderungen an Fahrradlaufrädern ist. Aus ihrem wissenschaftlichen Arbeitsbereich, der Fördertechnik, hatten sie schon eine Idee, dass es durchaus festere und leichtere Materialien gibt, aber der Weg von der Idee zum marktreifen Produkt war dann doch noch ein langer. Die Materialeigenschaften der gewählten Vectran Faser, einem hochfesten Polyester, waren zwar ideal – mit ihrer mehr als 5-fachen Zugfestigkeit und geringeren Dichte (im Vergleich zu Stahl) lässt sich sowohl die Stabilität gewährleisten, wie auch das Gewicht ordentlich drücken – aber die Schnittstellen zu den anderen Laufradbauteilen zu gestalten, der Nabe und der Felge, war alles andere als trivial.

Um die dickeren Vectran Fasergewebespeicher zu verbauen, mussten die Felgen über größere Speichenlöcher modifiziert werden.

Weil man das flexible Vertan Fasergeflecht nicht mit einem Gewinde versehen kann, musste PI ROPE sich zuerst einen Weg einfallen lassen um die Faser über Gewindehülsen mit dem Nabenflansch und der Felge zu verbinden. Wie genau die Verbindung am Ende realisiert wurde, wollte man uns nicht erklären, nur dass es sich um eine Kombination aus verklebter und mechanischer Verbindung handelt und dass eine PI ROPE Speiche aus insgesamt 5 Teilen besteht. Da erscheint einem das durchscnittliche Gewicht einer Pirope Speich mit gerade mal 2,2 g umso unglaublicher (zum Vergleich: Eine Stahlspeiche wiegt bei gleicher Länge zwischen 4,6 und 7,0 g.)

Auch bei den Naben musste man die Flansche des Nabenkörpers neu auslegen um die größeren Endverbinder unterzubringen. Der Rest der Naben und deren Innenleben konnten unverändert bleiben.

Allerdings machen die im Vergleich zu Stahlspeichen viel dickeren Faserspeichen auch größere Endstücke erforderlich und so musste man nicht nur die Speichenlöcher der NEWMEN Felgen erweitern, sondern auch die Nebenkörper, oder genauer deren Flansche, neu konstruieren. Die grundlegende Konstruktion der Felgen und das Innenleben der Naben konnte dabei aber übernommen werden, was unseren sehr positiven Erfahrungen mit NEWMEN Laufrädern nach (hier) ja als echter Vorteil zu werten ist. Angesichts der innovativen Speichen ist die Konstruktion der Laufräder ziemlich klassisch geblieben – insgesamt 28 dreifach gekreuzte Speichen nehmen die Kräfte auf und sollen dem Laufrad die erforderliche Stabilität schenken, genau wie bei den herkömmlichen stahlverspeichten NEWMEN Laufrädern auch.

Der RL ONE A.30 ist der robusteste von den drei angebotenen PI ROPE Laufradsätzen … und mit nachgewogenen 1556 g ist er alles andere als schwer.

Mit dem passenden Felgen- und Namenzulieferer ist PI ROPE in der Lage gleich von Anfang an drei verschiedene Laufradsätze anzubieten und damit ein bereites Einsatzspektrum abzudecken. Der von uns getestete RL ONE A.30 mit satten 30 mm Felgeninnenweite ist der aggressivste PI ROPE LRS und deckt den Bereich Trail bis Enduro ab. Er erreicht im 29er Format mit nachgewogenen 1556 g (729 g fürs Vorderrad und 827 g fürs Hinterrad) zwar nicht ganz das angekündigte Gewicht von 1513 g, ist aber trotzdem für einem Enduro-Laufradsatz mit 125 kg Maximalgewicht und der Freigabe für Kategorie 5 sensationell leicht! Auch preislich bleibt der PI ROPE RL ONE A.30 mit 1049.- Euro bemerkenswert günstig.
Die beiden anderen PI ROPE Laufradsatz-Modelle RL ONE X.A.25 (25 mm Alufelge, 1236 g!) und der RL Squirrel X.22 (mit 22 mm Carbonfelge und gerade mal 1063 g !) sind mit 1199.- bzw. 1999.- Euro alles andere als überteuert. Aufgrund der speziellen Schnittstellen wird es die PIROPE Vertan Speichen nicht als Nachrüstprodukt geben, sondern nur in Komplettlaufradsätzen.

Leichte Varianzen in der Vorserien-Speichenproduktion sorgen für die ungleich hervorragenden Endverbinder – ein rein optischer Makel.

Bei unserem PI ROPE Test-laufradsatz handelt es sich noch um eine Vorserien-version mit von Hand nachbearbeiteten Felgen und nicht überall exakt gleich langen Speichen (sichtbar in den nicht immer gleich weit aufragenden Endverbindern an der Felge – rechts ein absolutes Extrem dargestellt). Dabei handelt es sich aber allein um Varianzen in der Vorserie ohne jegliche funktionelle Auswirkung auf die Stabilität und Fahreigenschaften. Durch eine sorgfältige Vorauswahl in der Serienproduktion wird dies bei den an Kunden ausgelieferten Laufradsätzen bereits weitgehend behoben sein.

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Obwohl damit schon die wichtigsten Infos zu dem neuen Testlaufradsatz genannt wären, möchte ich noch ein paar Sätze über die weiteren Details aufführen, die durchaus erwähnenswert sind.

Die schwarz eloxierten PI ROPE/NEWMEN Naben stehen im farblichen Kontrast zu den hellen Faserspeichen.

Wer die Detailbilder der ersten Prototypen und unserem Testlaufradsatz vergleicht, dem fällt vielleicht die veränderte Farbe der Faserspeichen auf. Dabei handelt es sich keineswegs um eine ästhetisch begründete Färbung sondern um eine rein funktionelle Maßnahme. Vectran, als Polyester, ist zwar mechanisch und chemisch extrem widerstandsfähig, unterliegt aber einer gewissen Schwächung durch UV-Strahlung. Ein Laufrad, das durch die Sonne schwächer wird? Ja, denn der Effekt ist vorhanden, aber auch Nein, denn selbst mit unbehandelten Speichen müsst man sein Bike schon für mindestens ½ Jahr ununterbrochen (also seehehr lange) draußen in der prallen Sonne stehen lassen damit der Alterungseffekt überhaupt relevanten würde. Um  auch langfristig eine echte Schwächung auszuschließen, versieht PI ROPE ihre für Speichen deswegen zusätzlich mit einer speziell entwickelten Beschichtung. Die Weiße Färbung stammt von dem enthaltenen Titanoxid. Ein weiterer positiver Effekt der „Sonncreme für die Speichen“ ist, dass sie die mechanische Belastbarkeit, etwa durch Felskontakt oder Äste nochmal erhöht. Der einzige Haken daran ist, dass diese Beschichtung nicht ewig hält und durch intensive Nutzung und häufiges Hochdruckreinigen (grundsätzlich nie zu empfehlen, aber in der Praxis doch immer wieder gerne durchgeführt J) mit der Zeit auch oberflächlich abgetragen werden kann. Daher werden die Serienlaufradsätze mit einer kleinen Flasche zum Nachimprägnieren ausgeliefert.

Weil das Fasergewebe im Bereich der Enden, wo ja auch der Kleber aufgetragen wird, nicht überall gleich viel Imprägnierung aufnimmt, entstehen dort mitunter leichte, rein optische Farbabweichungen wie sie auch an unserem Testlaufradsatz zu erkennen sind.

Einspeichung/Laufradaufbau: Um das bei klassischen Laufrädern manchmal erforderliche Nachzentrieren nach den ersten Ausfahrten zu reduzieren, wird jede einzelne Speiche vor dem Einbau ins Laufrad vorgespannt und das Laufrad,  genauwie bei Stahlspeichen auch, während dem und nach dem Zentrieren mehrfach abgedrückt. Die effektive Speichenspannung liegt standardmäßig bei 1100 bis 1200 N(Antriebsseite hinten und Gegenseite vorne), also im Bereich hochwertiger Stahlspeichen. Durch die Kleinserienfertigung, können besonders leichte oder schwere Fahrer sich hier Laufräder aber auch mit einer abweichenden Speichenspannung aufbauen lassen. Sollte es einmal erforderlich sein, eine Speiche nachzuspannen, kann man das auch als Endverbraucher tun. Um Gegensatz zu normalen Stahlspeiche geht das allerdings nur von außen und nachdem man das Dichtband der Felge entfernt hat.

 

Dazu hält man das fest mit der Faserspeiche verklebte Ende auf der Innenseite der Felge (Bild oben links) mit einem 4 mm Maulschlüssel fest und spannt die Überwurfmutter von oben (Bild oben rechts) mit einem 6 mm Steckschlüssel von außen. Nicht ganz so einfach wie bei herkömmlichen Speichen, aber für den Endkunden möglich. Für das Worst-Case Szenario, einem Speichenriss, der zwar sehr unwahrscheinlich ist, aber doch nie ganz ausgeschlossen werden kann, liefert PI ROPE mit jedem Laufradsatz eine Ersatzspeiche in Universallänge als Zubehör mit. Durch die Konstruktion der Faserspeichen, sind oberflächliche Schäden, wie sie etwa durch Felskontakt entstehen können, schon optisch durch abstehende Einzelfasern sehr gut sichtbar und rechtzeitig auszutauschen. Außerdem ist die Vectran Faser an sich so robust und hier überdimensioniert verbaut, dass sie bis zu einem gewissen Grad auch  vorgeschädigt die auftretenden Lasten noch bedenkenlos aufnehmen kann. Um abzuklären wann eine geschädigte Speiche auszutauschen ist, kann man einfach eine Detailaufnahme des Stelle an PI ROPE schicken, die einem in den meisten Fällen allein schon an hand des optischen Eindrucks sagen könne, wie  gravierend die Schädigung ist. In der Praxis hatte PI ROPE bisher noch keinen einzigen Speichenriss am Textil. Außerdem ist jede Speiche so konstruiert, dass zuerst die Endverbinder versagen (zwar bei einer Last von ca. 3000 N), ehe die Nabe oder Felge geschädigt werden. Aus ihren eigenen Praxiserfahrungen, unter anderem auch mit einem DH-Profi, der den gleichen PI ROPE LRS schon seit Monaten im Einsatz hat, wären die Vectran Faserspeichen aber in jeder Hinsicht ihren Stahl-Pendants überlegen.

Wer schon jetzt von den PI ROPE Laufrädern so begeistert ist, dass er sich seinen Satz bestellen will, kann dies bereits direkt bei PI ROPE oder im Online-Shop von r2-Bike tun. Die Serienfertigung steht bereits in den Startlöchern und man warte laut PIROPE nur noch auf die Lieferung der speziellen Felgen. Sofern die Lieferung wie erwartet eintrifft, dürften frühentschlossene Kunden noch diesen Monat mit der Auslieferung ihrer Komplettlaufräder rechnen.

Die erste Testphase wird der PI ROPE Laufradsatz am ALUTECH Hardtail gefahren werden – ideal um die Steifigkeit und Dämpfung näher zu untersuchen.

Ich habe den PI ROPE RL ONE A.30 Testlaufradsatz bereits mit den zuletzt getesteten WTB Reifen montiert und werde ihn in der ersten Testphase auf dem ALUTECH Cheaptrick Hardtail fahren. Weil ich die baulich nur wenig veränderten Felgen und Naben von NEWMEN ja bereits bestens kenne und hier keine echten Auffälligkeiten erwarte, geht es mir vor allem um zwei Hauptfragen:

  1. Wie steht es um die Fahrperformance der PI ROPE Laufräder in Punkto, Steifigkeit, Komfort und Beschleunigung?Wie deutlich ist die Gewichtsersparnis zu spüren und muss ich dafür an irgendeiner anderen Stelle, etwa in der Steifigkeit Abstriche machen? Dieser Frage werde ich am Hardtail auf den Grund gehen, auf dem sich solche Feinheiten am besten erspüren lassen.
  2. Wie robust kann ein derart leichter Laufradsatz auf Dauer sein? Als verbindende Elemente zwischen Nabe und Felge bestimmen die Speichen zu einem Großteil wie stabil und belastbar ein Laufrad in der Praxis ist. Wird der Laufradsatz auch im mehrmonatigen Einsatz halten? Wie wird sich die Speichenspannung entwickeln?

Wie ihr, bin ich schon sehr gespannt wie sich der PI ROPE RL ONE A.30 Faserspeichen-Laufradsatz im Praxiseinsatz bewähren wird. Demnächst hier mehr dazu …

RIDE ON,
c_g