NICOLAI Saturn-11 (Raceline) – Testintro: von c_g

Wenn wir auf die deutsche Custom-Schmiede NICOLAI zu sprechen kommen, dann ist das in letzter Zeit vor allem wegen ihres progressiven Ansatzes was Bike-Geometrien angeht. „Geometron“ oder „Geolotion“ heißen die beiden Zauberworte bei denen der Leser sofort an „Longer, Lower’n Slacker“ denkt. Das von mir ausführlich getestete ION-G13 und das von Oli auf den Eurobike Media Days gefahrene Argon GLF sind zwei Beispiele hierfür. Aber NICOLAI wäre nicht NICOLAI wenn sie nicht noch weiter denken würden. Warum das was sich auf Trail, All-Mountain und Endurobikes so gut bewährt hat, nicht auch auf kurzhubige Endurance- und Marathonbikes übertragen?

Darf ich vorstellen – das NICOLAI Saturn-11.

Das Saturn-11 ist unverkennbar ein NICOLAI und trägt trotz gar nicht gravity-lastiger Ausrichtung dennoch viele Anleihen aus der Geolution Geometrie in sich.

NICOLAI spricht zwar nirgends wirklich von Geolution aber wenn man sich die Geometriewerte des neune Edelracers „Made in Germany“ ansieht, ist seine Philosophie doch unverkennbar.

Ein XC-/Marathonbike mit 120 mm Federgabel und 105 mm Heck und dann ein 67,6° Lenkwinkel, gepaart mit einem 74,5° Sitzwinkel und einem Radstand von 1215 mmm in Größe L. Dazu ein effektives Oberrohr von 645 mm (Reach: 475 mm!) und eine Kettenstrebenlänge von 445 mm. Noch Fragen? Der Vollständigkeit halber – unten noch die übrigen Geometriedaten in Tabellenform:

 

In dem aktuell eher Gravity-lastigen Portfolio von NICOLAI mag das Marathonbike Saturn-11 vielleicht etwas deplatziert wirken, aber das Saturn hat eine lange Geschichte in der Firma, als Beispiel dafür, was sich im Alu-Rahmenbau auch gewichtstechnisch machen lässt. Für einen aus Alu gefertigten Rahmen gibt die Webseite ein Rahmengewicht von nur 2,75 kg für die Serienversion an (unser Bike ist noch aus der nicht gewichtsoptimierten Vorserie).

  

Dadurch ergeben sich natürlich auch ganz andere konstruktive Herausforderungen, welche die Konstrukteure von NICOLAI auf ihre ganz eigene Art lösen. Ein Kniff sind die kleine aufgeschraubte Verstrebungen am Sattelrohr, die notwendig sind um die durch den stehenden Dämpfer eingeleiteten Kräfte besser zu verteilen. Dann noch der konifizierte Rohrsatz, der aber nur bis zu einem Fahrergewicht von 100 kg angeboten wird – darüber ist es der normale, unkonifizierte Rohrsatz.

Die Umlenkwippe des Saturn-11 ist ein Paradebeispiel dafür, was heute mit CNC-Fräsen alles möglich ist.

Das auffälligste Merkmal ist sicher die fachwerk-artig filigrane Umlenkwippe aus Alu. Das CNC-Kunstwerk ist aus einem einzigen Alublock herausgefräst! Aus inem über 4 kg schweren massiven Alublock wird ein gerade mal 180 g leichter Umlenkhebel! NICOLAI eben!

Als nächsten Streich, der wohl zur Eurobike vorgestellt werden wird, wird das Saturn noch mal leichter – allein indem man die an vielen Rohrverbindungen verschweißten CNC-Gebilde noch weiter optimiert und dort ohne Steifigkeitseinbußen gleich noch mehrere 100-Gramm Gewicht sparen will.
Statt gewichtsoptimierter Gleitlager und zugunsten einer langfristigen Zuverlässigkeit werden im gesamten Rahmen robuste und gedichtete Industrielager verbaut.

Unser Testbike ist das NICOLAI Saturn-11 Raceline in Rahmengröße L, ein Komplettbike mit allerlei sehr exklusiven, golden eloxierten Anbauteilen. Das den Käufer 6499.- Euro kosten würde. Alternativ dazu gibt es noch das etwas einfacher ausgestattete Saturn-11 Techline Komplettbike (VK. 4699.- Euro). Der Rahmen alleine kommt auf 2499.- Euro.

Das Saturn-11 mal von der linke Seite betrachtet – ein schönes Bike, oder?

Neben dem wunderschönen, rohen Alurahmen, sind es vor allem die vielen Ultraleichtbauteilen von TUNE, mit denen das Komplettbike auf magere 11,3 kg kommt. Die Gründe warum das Testbike die bei der damaligen Vorstellung angekündigten 10,5 kg noch nicht erreicht, liegen vor allem am nicht-konifizierten und deswegen auch nicht gewichtsbeschränktem Rohrsatz unseres Testbikes und diversen Frästeilen, die in Serie noch leichter werden, aber natürlich auch an der Rahmengröße und den verbauten Schläuchen.

 

So stammen neben Lenker (TUNE Turnstange, Carbon, 750 mm Breite), Vorbau (TUNE Geiles Teil 2.0, 50 mm), Sattelstütze (TUNE Starkes Stück, 31,6×430 mm) und Sattelstützklemmung (TUNE Schraubwürger), auch die Naben (King & Kong Boost) aus dem Schwarzwald. Die Laufräder werden durch schmale NOTUBES Crest Felgen (21 mm Innenweite) und CONTINENTAL X-King 2.2 in der leichten Racesport Version komplettiert. An unserem Testbike noch mit CONTI Schläuchen bestückt.

  

Geschaltete wird mit einer kompletten SRAM X01 Eagle samt Kurbel und 34er Kettenblatt. Die Bremsen sind die bekannten und superleichten MT8s von MAGURA. Bei den Federelementen kommt hinten ein FOX DPS Factory Dämpfer mit kleiner Luftkammer und vorne eine Float 32 FIT4 Factory mit 120 mm Federweg zum Einsatz – die deutlich leichtere Float 32 SC kommt ja nur in 100 mm Federweg. Ungewöhnlich an einem Marathon-Bike ist der WTB Hig-Tail Pro Sattel, der  mit seinem großen Heckausschnitt ja ursprünglich speziell für Downhillbikes entwickelt wurde. Wie sich der wohl auf Strecke fährt?

Das NICOLAI Saturn-11 darf sich in den kommenden Wochen bei uns im TNI-Test bewähren.

Soweit zum Intro des NICOLAI Saturn-11 Raceline ein wirklich außergewöhnliches Bike „Made in Germany“. Jetzt freue ich mich auf die kommende Wochen mit vielen Trail-Kilometern und bin gespannt wie ich mit der für ein Marathonbike doch ungewöhnlichen Geo zurecht kommen werde.

RIDE ON,
c_g

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Ps: Aufgrund der Nachfrage zum Gewicht unseres Testbikes – hier eine genaue Auflistung, von NICOLAI an welchen Punkten unser Testbike schwerer ausfällt, als das Serienbike:

  • Schwinge: -120 g (Huf alleine 104 g)
  • Druckstreben: -65 g
  • Tretlagereinheit: -30 g
  • Rohrsatz (konifiziert): -295 g (je nach Rahmengröße)
  • Steuerrohr: -15 g
    (Tubeless : -150 g)

–> Das wären nach Adam Riese, satte 525 g Gewichtsersparnis allein am Rahmen, ohne der Tubeless Umrüstung. Mit Tubeless käme ich schon sehr nahe an die angekündigten 10,6 kg.

Je mehr man sich in Richtung XC-/Marathon Race bewegt umso wichtiger wird das Gewicht, keine Frage, aber in unseren Augen mindestens genauso wichtig ist wie sich das Bike fährt … und da – soviel kann ich an der Stelle schon sagen – ist das Saturn-11 definitiv etwas anderes als die sonstigen Marathon-Bikes.