ORANGE Stage 6 – Testintro: von MiMü

Handbuilt in Britain – darauf sind die Jungs von ORANGE BIKES aus dem englischen West Yorkshire wirklich stolz. Immerhin entstehen hier schon seit 1988 in handwerklicher Präzision wahre Kunstwerke aus Aluminium. Man sehe sich nur die Regelmäßigigkeit der Schweißnähte an. Daran erkennt man schon ganz gut, welche Könner bei ORANGE in der Rahmenproduktion beschäftigt sind. Aber das ist bei weitem noch nicht alles …

Das ORANGE Stage 6 ist eine imposante und sehr eigenständige Erscheinung – ganz besonders in der „bood red“ Sonderlackierung unseres Testbikes.

So ein Kunstwerk ist auch ihr neuestes Bike, das STAGE 6, ein aggressives 29“ Enduro mit 160 mm Federweg an der Front und 150 mm am Heck. Das Stage 6 ist wie alle ORANGE Alu-Bikes aus edlem 6061-T6 Reynolds Aluminium hergestellt. Warum ich nicht Alu-Rohre sage? Kenner wissen es, denn bei ORANGE werden viele Rahmenrohre nicht wie üblich aus gezogenen Rohren geefertigt, sondern aus Aluminium-Flachblechen gefaltet und dann erst über eine Längs-Schweißnaht zum echten Rohr zusammengefügt.

Die durchgehenden Längs-Schweißnähte verraten, dass es sich nicht um gezogene Rohre handelt.

Um die Rahmensteifigkeit zu maximieren wurden beim Stage 6 alle Register dieser speziellen Konstruktion gezogen. Wie man schön sieht, sind die Aluminiumbleche zu richtig komplexen Formen gebogen was in Summe eine hohe Steifigkeit bringen soll – sowohl im Hinterbau, wie auch am Hauptrahmen. Das gefaltete Oberrohr weist einen T-Querschnitt auf und beim Unterrohr setzt man auf einen großvolumigen Polygon-Querschnitt – alles zugunsten einer maximalen Rahmensteifigkeit.

Diese Fertigungstechnologie wird von ORANGE schon lange eingesetzt und ist in diesem Umfang unseres Wissens nach recht einzigartig in der Bike-Industrie. An unserem Stage 6 ist nahezu der gesamte Rahmen mit Ausnahme des Sitzrohrs und der Knotenounkte auf diese Weise gefertigt.

Der Eingelenkter-Hinterbau ist wie ein Blick in die Vergangenheit und sol laut ORANGE doch eine sehr moderne Federungsperformance bieten.

Ein weiters sehr wichtiges Erkennungs-, mittlerweile fast sogar Alleinstellungsmerkmal aller ORANGE Fullies ist der klassische Eingelenker-Hintebau. Hier rotiert das Heck um ein einzelnes, massiv ausgeführtes Lager und der Dämpfer wird direkt angesteuert– keine weiteren Gelenke, kein Umlenkhebel. Da der Hinterbau nur die Reibung des einen Lagerungspunktes überwinden muss, gelten derartige Eingelenker als äußerst sensibel im Ansprechverhalten, sind aber auch nie wirklich antriebsneutral zu bekommen. Oft wird auch eine geringe Seitenteifigkeit der ausladenden Schwingenkonstruktion angemerkt, oder die Problematik, dass der Dämpfer unwillkürlich höheren Seitenkräfte ausgesetzt ist.

Angesicht der komplexen Formen der Hinterbauschwinge möchte man kaum glauben, dass das mal Flachbleche waren.

Wer jetzt denkt, dass eine solche Kinematik doch so „90er“ wäre, hat einerseits recht. Aus den oben genannten Gründen sind hochwertige „Echte Eingelenker“ heute kaum mehr zu finden. Andererseits hat ORANGE schon viele, viele Jahre an Erfahrung mit genau diesem System. Man weiß genau, dass schon kleine Veränderungen in der Drehpunkt-Position einen großen Einfluss auf das Federungsverhalten haben und hat den Drehpunkt deswegen millimetergenau patziert um genau das gewünschte Fahrverhalten zu erzielen. Zusammen mit ihrer Expertise im Rahmenbau und den Möglichkeiten in der modernen Alu-Verarbeitung ist ORANGE trotzdem sicher auch mit diesem System ein heute noch voll konkurreznfühiges Enduro auf die Beine gestellt zu haben – schließlich wirde das Stage 6 erst im Frühjahr 2017 vorgestellt. Ich bin wirklich gespannt, wie sich das Bike fährt.
Anders als die früheren ORANGE Fullies, besteht der Hinterbau auch nicht mehr aus einer großen Einarmschwinge, sondern ist aus mehreren Teilen zusammengefügt. Das soll sowohl einer höheren Steifigkeit wie auch einem geringeren Gewicht dienen. Und auch optisch siehts besser aus. Für mich wirkt das Design des Stage 6 auf alle Fälle sehr gelungen.

 

Selbstredend verfügt der Rahmen über alle gängigen Standards wie Boost-Hinterbau, Tapered Steuerrohr, innenverlegte Züge, Stealth-Dropper-Anlenkung und ISCG05-Aufnahme. Beim 73 mm breiten Tretlager mit BSA-Gewinde (für die Schrauber unter uns J) und der IS-Scheibenbremsaufnahme im Heck vertraut man auf ältere, aber deshalb nicht schlechtere Standards. Für die Montage eines Umwerfers ist der STAGE 6-Rahmen nicht vorbereitet und auch eine Möglichkeit einen Flaschenhalter zu montieren hat das Enduro nicht.

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Geometrie

Bei der Geometrie folgt ORANGE beim Stage 6 dem allgemeinen Trend und zeichnete das race-ready Enduro nach der Devise „long, low ’n‘ slack“. In der getesteten Rahmengröße M (17“) verfügt das Bike über eine effektive Oberrohrlänge von stattlichen 620 mm. Der Reach beträgt 444 mm, der Stack 633 mm. In Kombination mit dem 65,5° flachen Lenkwinkel dürfte das STAGE 6 dabei äußerst laufruhig agieren, der (effektiv) 74,5° steile Sitzwinkel sollte für satten Uphill-Vortrieb sorgen. Um die Front möglichst flach zu halten und viel Druck aufs Vorderrad zu ermöglichen, hat das Stage 6 ein mit 100 mm sehr kurzes Steuerrohr.

Für eine optimale Beweglichkeit auf dem Bike hat man die Überstandshöhe möglichst niedrig gehalten, 733 mm beträgt sie bei unserem Testbike. Durch die Eingelenkerkonstruktion war es bei dem massiven Federweg nicht möglich, die Kettenstreben unter 450 mm zu halten. Ob sich das allerdings in irgend einer Form negativ aufs Handling auswirkt, etwa in engen Turns, vielleicht aber auch einfach nur der laufruhe zugute kommt, wird sich wohl schon bald in unserem Test zeigen.
Beim ORANGE Stage stehen drei Rahmengrößen zur Auswahl – M (17“), L (18“) und XL (20“). Die genauen Daten der einzelnen Modelle könnt ihr der Geometrietabelle entnehmen.

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Ausstattung und Versionen

Derzeit bietet ORANGE drei Komplettbike-Basisversionen seiner STAGE 6 Serie ab Werk an: Das 6.500.- Euro teure STAGE 6 LE mit FOX-Fahrwerk, SHIMANO XT 11-fach Schaltung und vielen HOPE-Teilen, die Variante STAGE 6 Factory, ebenfalls um 6.500.- Euro, mit FOX-Federelementen und SRAM EAGLE Schaltung und dann noch das zum Test zur Verfügung gestellte STAGE 6 RS um 5.900.- Euro. Die beiden Versionen RS und LE lassen sich im ORANGE-Onlinestore zusätzlich noch individualieren, sei es bei den Federelementen, bei den Laufrädern oder den Bremsen. Allen drei Varianten gemein sind die frei wählbaren Rahmenfarben und verschieden farbige Rahmendecals. Individualität wird bei den Briten offenbar groß geschrieben. Kein Bike soll dem anderen gleichen.
Wer sein STAGE 6 vollkommen von Grund auf aufbauen möchte, dem bietet ORANGE noch den Rahmenkit an, der dann inkl. ROCK SHOX Monarch Plus Dämpfer um 2.220.- Euro über den Ladentisch wandert.

In großen Lettern prangt das „Stage 6“ Logo auf dem Oberrohr.

Unser Testbike entspricht weitestgehend dem Modell Stage 6 RS hat allerdnigs ein paar Upgrades erhalten. Am auffälligsten ist bestimmt die „blood red“ genannte Rahmensonderfarbe, wodurch das Bike alles andere als unauffällig durch den Wald fegt. Magere 130.- Euro kostet die schicke Sonderlackierung ab Werk.

Bei den Federungselementen setzt das „RS“ serienmäßig auf Produkte aus dem Hause ROCK SHOX. Vorne verrichtet eine LYRIK RCT3 Solo Air Boost mit satten 160 mm Federweg ihren Dienst, die 150mm Heckfederweg werden von einem ROCK SHOX Monarch Plus RC3 im Zaun gehalten. Auf Schaltungsseite kommen ebenfalls Kompontenten des amerikanischen Branchenriesen SRAM zum Einsatz, allerdings in einer interssanten Mischung. Die 1×11-fach Schaltung setzt sich aus GX-Shifter, X1-Carbonkurbel mit 30-Zahn Directmount-Kettenblatt, X01 Schaltwerk und PG1150 10-42 Kassette zusammen. Für satte Bremspower in allen Lebenslagen dürfte die SRAM Guide R mit 200mm/180mm Rotoren völlig ausreichen. Die Lenkzentrale des STAGE 6 RS setzt sich aus einem 800 mm breiten RENTHAL FATBAR 35 Lenker (20 mm Rise), einem lediglich 50 mm kurzen HOPE AM/FREERIDE Vorbau und extrem griffigen RENTHAL Ultra Tacky Lock On Griffen zusammen.
   

Der Laufradsatz bestehet aus schwarzen HOPE Pro4 Naben und 30 mm breiten RACE FACE ARC 30 Felgen. An unserem Testbike wurden die normalerweise grauen Felgen-Decals durch rote Felgenaufkleber gepimpt – ein optisches Upgrade, das den Kunden immerhin 65.- Euro extra kostet. Bei den Reifen finden wir zwei gute alte Bekannte: Vorne ein 2,3“ breiter MAXXIS Minion DHF in der gripstarken 3C genannten Triple-Compound vorne und hinten ein ebenfalls 2,3“ breiter HIGHROLLER II mit Zweifachcompound. Zwei echte Klassiker im Enduro-/Gravity-Bereich und mit Sicherheit keine schlechte Wahl für das Stage 6.
Das nächte Upgrade unseres Testbikes sorgt für mehr Bewegungsfreiheit bergab. Satt der normalerweise verbauten KIND SHOCKS Lev Integra mit 125 mm Hub, hat unser Testbike eine ROCK SHOX Reverb Stealth mit 150 mm Hub montiert. Dieses Upgrade kommt auf 105.- Euro, aber funktionell sehr willkommen. Dank Matchmaker werden Bremsgriff- und Remote-Schelle kombiniert und der Lenker dadurch aufgeräumt. Des Piloten Hinterteil dabei nimmt auf einem SDG Bel Air 2.0 im ORANGE BIKES-Design Platz.
Mit all den genannten Upgrades wären für unser STAGE 6 RS Testbike dann 6200.- Euro zu berappen – ein wahrhaft einzigartiges Bike „Made in Britain“. In der genannten Ausstattung kommt das komplette Bike (ohne Pedale) auf sehr gute 13,4 kg.

Ein solches Bike erfordert richtiges Gelände – hier ein Vorgeschmack zur ersten Testphase.

Wie ihr auf dem Bild sehen könnt, hat das ORANGE Stage 6 bereits seinen allerersten Traileinsatz hinter sich. Deswegen demnächst hier mehr wie sich das britische 29er Bike mit dem üppigen Federweg auf meinen heimischen und alpinen Trails fährt.

MiMü