FOX LiveValve – Testintro: von c_g

Fünf Jahre Entwicklungszeit, ziemlich teuer und derzeit nur al Komplettsystem an wenigen dafür vorbereiteten, exklusiven Komplettbikes anzutreffen – das ist FOX LiveValve. Manch einer mag beim Gedanken an das innovative, elektronische Fahrwerk die Nase rümpfen, aber die Zeiten der Elektronik am Bike sind nun mal angebrochen …

Das System besteht aus verschiedenen über Kabel verbundenen Komponenten. Das Herzstück ist eine Recheneinheit mit 3-D-Beschleunigungssensoren und abnehmbarem Li-Ionen-Akku, die je nach Rahmen irgendwo im Hauptrahmen befestigt ist.

Hinzu kommen je ein 2-D Beschleunigungssensor hinter der Gabelbrücke und am Hinterbau, welche Schläge (= Beschleunigung) vom Untergrund her wirken. Alle diese Sensoren nehmen 1000 Messwerte pro Sekunde und arbeiten damit um ein vielfaches schneller als ein Wimpernschlag.

Abhängig von der nach Lage (bergauf, eben, bergab) und den eingehenden Beschleunigungswerten von den drei Sensoren, berechnet die zentrale Einheit, wie ob die Dämpfung an Gabel und Dämpfer offen oder geschlossen sein soll und übermittelt die jeweiligen Signale an die elektronisch gesteuerte Dämpfereinheit in der Gabel und an dem speziellen DPX Dämpfer. Aufgrund modernster Technologien und extrem schneller Solenoid-Ventile dauert der gesamte Prozess vom Auftreten einer relevanten Beschleunigung bis zum Öffnen der Dämpfung gerade mal 3 Millisekunden, also etwa 1/3 eines Wimpernschlages.

Die LiveValve-Dämpfungseinheit ist für die Gabel und den Dämpfer jeweils die gleiche und könnte theoretisch sogar an bestehenden FOX Federgabeln nachgerüstet werden, aber um potentielle Probleme bei der Umrüstung und der Verkabelung zu vermeiden, bietet FOX das System derzeit nur entweder an Komplettbikes oder als vorkonfektioniertes Nachrüstsystem für einzelne Bikes an – für richtig stolze 4299.- Euro. Ein mit FOX LiveValve ausgerüstetes Komplettbike kostet zwischen 1500 und 1800.- Euro mehr als ein identisch ausgestattetes Bike ohne das System. Das ganze LiveValve-System ist gerade mal 144 g schwerer als eine vergleichbare Gabel-/Dämpfer-Kombi, soll mit einer Akkuladungmindestens 20 h Fahrzeit erlauben (der reale Wer variiert sehr stark, denn das Solenoid-Ventil verbraucht nur dann Energie, wenn es von einem in den anderen Modus wechselt, nicht aber, wenn es in einem bleibt.

Soweit, so gut, bisher handelt es sich bei LiveValve um eine Reihe von technischen Bauteilen, aber die wahre Kunst und der größte Teil des Entwicklungsaufwandes ging nicht in die Hardware, sondern in die Software, oder genauer gesagt, die Algorithmen, nach denen das System die einkommenden Daten verarbeitet und nutzt. Bei genaueren Nachfragen zeigt sich FOX Frontman Chris Trojer allerdings ein wenig bedeckt:

Ein wichtiger Aspekt ist der Winkel ab dem das System die Lage als Uphill, als Ebene und als Downhill definiert. Unserer eigenen Tests und das Feedback der Tester beim Launch hat gezeigt, dass bereits 1° in der Neigung einen spürbaren Unterschied macht. Der zweite wichtige Faktor sind die korrespondierenden Beschleunigungswerte ab denen das System die Dämpfung bei einem Schlag öffnet. Auch hier machen 0,1 g bereits einen für die meisten Fahrer wahrnehmbaren Unterschied.
Die Technologie hat zwar die Fähigkeit extrem schnell zu reagieren, aber unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass diese extrem schnellen Reaktionszeiten nur beim Öffnen wirklich von Vorteil sind, beim Schließen aber oft nicht praxisrelevant sind. Deswegen und auch um den Energieverbrauch des Systems möglichst niedrig zu halten, schließen sich die Solenoid-Ventile erst zeitverzögert – wie viel genau behalten wir vorerst noch für uns.
Wichtig ist es auch festzuhalten, dass LiveValve nicht gebaut wurde um die Downhill-Performance verbessern – mehr Komfort, Traktion und Sicherheit als ein gut abgestimmter Dämpfer geht einfach nicht. LiveValve will die Effizienz optimieren ohne mit die Traktion und den Komfort einzuschränken. Das beste aus beiden Weltenund  eben ganz ohne, dass der Fahrer sich darum kümmern muss oder Hebelehen umlegt. Maximale Performance in jeder Situation und ganz automatisch …“

Soviel von FOX selber.

Das Bike an dem FOX uns ihr System präsentiert, ist ein guter alter Bekannter, das SCOTT Genius tuned, allerdings in einem Custom-Aufbau mit SHIMANO XTR Antrieb (1×11) und Bremsen, RACE FACE Next R Kurbel, Next R Carbon-Laufrädern mit 35 mm Innenweite und ein RACE FACE Cockpit und dazu die FOX 36 Factory sowie DPX2 LiveValve Federelementen. Bei den Reifen habe ich gleich zu Testbeginn die originalen MAXXIS Rekon 29×2,6“ Reifen gegen die aktuell im Test befindlichen GOODYEAR Newton und Newton ST gewechselt.

Aktuell ist die Zahl der kompatiblen Rahmen noch sehr klein – unseres Wissens nach gibt es derzeit lediglich kompatible Rahmen von SCOTT, PIVOT, NINER, ROCKY MOUNTAIN, und GIANT – aber die Zahl der vorbereiteten Rahmen wird mit Sicherheit sehr schnell ansteigen … zumal das System in seiner aktuellen Form ja auch erst den Anfang seiner potentiellen Möglichkeiten aufzeigt. Das Entwicklungspotential scheint noch in viele Bereiche erweiterbar – man denke an die Integration in den Rahmen, die potentiellen Auswirkungen auf die Bike-Kinematiken und natürlich der Punkt der Software-Customisierung … die Möglichkeiten scheinen endlos, wenn man es einmal durchdenkt. Wecome to a brave new world …

Aber das ist Zukunftsmusik und wir wollen zuerst einmal die erste Iteration von LiveValve erleben– schließlich hat es schon lange genug gedauert, bis dieses der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Deswegen mache ich mich ab sofort daran für euch herauszufinden, wie sich das FOX LiveValve-System in der Praxis fährt und ob sich damit seine doch beachtlichen Mehrkosten wirklich lohnen. Ist es einfach nur eine automatische Plattformdämpfung oder eine echte praxisgerechte Innovation? Wenn ihr spezielle Fragen zu dem System habt oder Aspekte seht, die wir für euch genauer betrachten sollen, lasst es uns gerne wissen. Wir werden versuchen es für euch zu klären.
In dem nächsten Artikel wird es um das Setup des Systems, seine Bedienung und Einstellmöglichkeiten und natürlich auch meine ersten Praxiseindrücke gehen … bis dahin:

RIDE ON,
c_g