ROCKY MOUNTAIN Instinct Carbon 70 – Kurztest Eindrücke: von c_g

Eine Woche ist verdammt schnell vorbei wenn man Spaß hat! Das gilt nicht nur für einen schönen Bikeurlaub, sondern leider auch für unseren Kurztest des neuen 2018er ROCKY Instinct, das ich in der Carbon 70 Topversion fahren durfte.

Das RMB Instinct Carbon 70 war (leider nur) eine Woche bei uns im Kurztest. Für ein paar Eindrücke hat’s aber gereicht.

ROCKY selbst bezeichnet das Instinct ja als ihr „vielseitigstes Trailbike“ im Sortiment. Trotz des in der jüngsten Generation auf 140 mm angewachsenen Federweges (155 mm in der BC Edition), aber mit einer antriebseffizienteren Kinematik, soll das Instinct bergauf genauso eine gute Figur abgeben wie bergab. Es soll dank seiner neune Geometrie eine satte Laufruhe haben und damit viel Sicherheit vermitteln … und trotzdem will es dazu einladen auf dem Trail zu spielen und unentwegt Spaß zu haben. Ein hoher Anspruch, aber nach meinen Eindrücken scheint ROCKY genau dieser Kunstgriff mit ihrem neuen 29er Trailbike gelungen zu sein.

Wie schon im Intro erwähnt, hat sich ROCKY bei der modernisierten Geometrie offensichtlich nicht dazu hinreißen lassen, aus dem Instinct ein 29er Enduro machen zu wollen. Das Instinct bleibt auch in seiner jüngsten Generation ein Trailbike. Das soll aber keineswegs heißen, dass die Veränderungen im Reach (immerhin 25 mm gegenüber dem Vorgängermodell), im Lenkwinkel (ca. 2° flacher als der Vorgänger) oder am Heck (von 452 auf 435 mm Kettentrebenlänge geschrumpft) sich nicht auszahlen würden. Das 2018er Instinct ist definitiv sicherer, gutmütiger und potenter, aber die Veränderungen haben es eben nicht weniger effizient oder vortriebsstark gemacht.

Selbst mit seinen 140 mm fährt sich das RMB Instinct ausgesprochen effizient und vortriebsstark.

Diese Eigenschaft ist mir sofort bei der ersten Ausfahrt aufgefallen, wo mich das Bike bergauf regelrecht angespornt hat in die Pedale zu treten. Mit einem SAG von ca. 25% fühlt sich das Bike auch unter Pedaldruck sehr spritzig und lebendig an. Keine Spur mehr von einem tief in seinen Federweg sinkenden Hinterbau wenn man durch Senken oder Kompressionen fährt, sondern einfach nur eine für ein 140 mm Fully bemerkenswert direkte Beschleunigung.

Ein Aspekt dabei ist sicherlich der sehr steife Rahmen und Hinterbau. Zu welchen Anteilen das an einem insgesamt steiferen Hauptahmen, an den nun einteiligen Sitzstreben oder an dem einteiligen Umlenkhebel liegt, kann ich natürlich nicht sagen, aber der Effekt ist sofort in Form einer sehr hohen Lenkpräzision und eines sehr direkten Fahrverhaltens spürbar.

Es muss schon sehr, seeehr steil werden ehe das Vorderrad durch eine aktive Gewichtsverlagerung auf dem Boden gehalten werden muss.

Selbst mit den in der neuen Kinematik erhöhten Anti-Squat Werten bleibt der Hinterbau im Antritt ordentlich aktiv, was sowohl den Komfort wie auch die Traktion lange aufrecht erhält. Ich selber, bin sehr empfindlich auf Hinterbauwippen, habe die schnell zuschaltbare Plattformdämpfung des FOX DPS Dämpfers aber nur in längeren Wiegetrittpassagen eingelegt.
Auf dem ersten richtig steilen Anstieg hat mich das Instinct dann erneut überrascht. So ist die Gewichts-verteilung auf dem Bike so gelungen, dass es auch mit dem recht kurzen Hinterbau bergauf super gelassen und gutmütig bleibt. Das hätte ich angesichts des doch Kometen Hinterbaus so nicht erwartet. Einen hohen Anteil daran hat sicher auch die Kinematik und die sehr gelungene Abstimmung des Dämpfers. Egal wie steil es bergauf geht, man hat immer den Eindruck, das Bikes steht konstant hoch im Federweg.

Auf technischen Trails ist das Instinct ein Gedicht zu fahren.

Überhaupt empfinde ich die Heckfederung des Instinkts als sehr gut gelungen. Sie ist ein Muster an Feedback ohne je unkomfortabel zu werden und hat dennoch auch in gröberem Gelände noch ordentlich Reserven. Das durfte ich bereits auf der ersten Ausfahrt ausprobieren, bei der ich ohne wirklich darüber nachzudenken, die gleichen Drops und Sprünge gefahren bin, wie kurz vorher mit dem BOLD LT das mit seinen 155 mm am Heck und 170 mm an der Front eigentlich überlegen hätte sein sollen. Unten angekommen möchte ich aber wetten, dass ich nur unwesentlich langsamer unterwegs gewesen bin und mindestens genauso viel Spaß gehabt habe.
Überhaupt ist es dieser kaum fass- und quantifizierbare Spaßfaktor, der das Instinct für mich am meisten auszeichnet. Die agile und trotzdem gutmütige Geometrie, die direkte und trotzdem komfortable Federung und die hohe Vielseitigkeit machen aus dem Instinct ein Bike, mit dem man auf beinahe jedem Trail Spaß hat. Statt eine Art zu fahren zu favorisieren, lässt das Instinct dem Fahrer die Freiheit sich auf jedem Trail auszuleben und zaubert dem Fahrer beinahe überall ein Lächeln ins Gesicht.

Egal ob es eine lange nur mäßig technische Runde mit hohem Forststraßenanteil und langen Anstiegen ist, oder eine fordernde Trailrunde ist – das Instinct scheint keine Vorlieben zu haben und alles richtig gut zu machen. Natürlich setzen die 140 mm Federweg und die nicht zu extreme Geo in richtig hartem und steilem Gelände irgendwo Grenzen, aber um diese zu erreichen, muss man sich auch als guter Fahrer schon ordentlich anstrengen. Gleichzeitig kann man mit dem Instinct auch locker einen Marathon bestreiten, ohne sich deplatziert zu fühlen. Wie gesagt, das Instinct ist und bleibt ein Trailbike, kein Enduro.

Ich habe allerdings auch zwei Punkte die ich am Rahmendesign des ROCKY Instinct nicht so optimal finde:
Da wäre einmal die Art wie die der Platz zwischen der Kettenstrebe und dem Tretlager gestaltet ist. Der bildet nämlich eine Art Tasche in dem sich sehr schnell Dreck und Steine ansammeln. Wegen der großzügigen Reifenfreiheit dürfte das nur in echten Extremfällen Auswirkung auf den Reifendurchgang haben, aber gerade in steinigem Terrain ist es nicht auszuschließen, dass sich nicht auch mal ein Stein hier in den „Nussknacker“ verirrt.

  

Der zweite Punkt ist die antriebseitig kaum abgesenkte Kettenstrebe.  Weil die Kette gerade in den schnelleren Gängen sehr nahe an der Kettenstrebe läuft, schlägt sie sobald kein Zug drauf ist ständig gegen die Strebe. An den Serienbikes wird das Thema durch einen massiven Kettenstrebenschutz aus schlagfestem Gummi entschärft, aber an unserem Vorserien-Testbike mit nur einem straff gespannten Neoprenschutz war das Klappern und Schlagen ein wenig willkommener, aber ständiger Begleiter auf jeder Abfahrt.

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Ausstattung:

Was die Ausstattung angeht, ist es ein wenig die Frage was einem wichtig ist. Funktionell gibt es jedenfalls keine echten Kritikpunkte. Die SRAM GX Eagle funktioniert genauso präzise und sauber wie ihre deutlich teureren Geschwister XO1 oder XX1 und bringt doch nur ca, 350 g mehr auf die Waage. Mit der gleichen 1×12 Performance und der gleichen universellen Übersetzungsbandbreite hat man schnell vergessen, dass man keine X01 oder XX1 Edelgruppe fährt.

Genauso bei den Federelementen und der Dropper-Stütze von FOX. Mit der FOX Float 34 EVOL FIT4, dem Float DPS EVOL Dämpfer und der Transfer Dropper, alle in der Performance Elite Version verzichtet man zwar auf die schicke, golden glänzende KASHIMA Beschichtung, aber mit der identischen Dämpfung wie in den Factory Modellen, habe ich funktionell nichts gefunden, was ich kritisieren könnte. Bei der SRAM Guide R Bremsanlage hat es mich anfangs ein wenig gestört, dass ich nur die Hebelweite, nicht aber den Druckpunkt einstellen konnte, aber auch daran habe ich mich rasch gewöhnt. Gegenüber den anderen Guide Modellen gibt es in Sachen Bremskraft und Modulation nichts an der einfacheren Guide R auszusetzen.

 

Was die Reifenauswahl bei einem so vielseitig einsetzbaren Bike angeht, finde ich die Kombination aus MAXXIS Minion DHF 2.3“ Vorderreifen und Forekaster 2.35“ Hinterreifen durchaus gelungen, aber gerade weil das Bike so vielseitig ist, kann man darüber sicher streiten. Ich bin ein Fahrer, der es genießt vorne viel Sicherheit und Grip zu haben und für einen guten Vortrieb gerne ein bisschen Traktion am Heck aufgibt. Daher war die Kombi wie für mich gemacht. In technischen Situationen war es so auch immer der Forekaster, der zuerst sein Limit erreichte und den Fahrer so sanft auf eine Grenzsituation hingewiesen hat. Auch die Laufräder mit ihren NOTUBES Arch MK3 Felgen (26 mm Innenweite) blieben während des Kurztests vollkommen unauffällig. Funktionell gab es also überhaupt nichts an der Ausstattung des ROCKY Instinct Carbon 70 auszusetzen, aber wenn man sich den empfohlenen VK von  5800.- Euro ansieht, wirkt sie doch ein wenig mager. Den Kritikpunkt, dass man andernorts für das gleiche Geld eine edlere (wohlgemerkt: nicht unbedingt funktionellere) Ausstattung bekommt, muss sich das neue 2018er ROCKY Instinct leider gefallen lassen.

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RIDE-9

Was die RIDE-9 Verstellung angeht, blieb in der einen Woche nicht wirklich viel Zeit mich ausführlich damit auseinanderzusetzen. Deswegen habe ich neben der voreingestellten zentralen Position (5) nur die beiden Extrempositionen 1 (= flachste Winkel, tiefstes Tretlager und maximale Progression) und 9 (steilste Winkel, hohes Tretlager und geringste Progression) kurz ausprobiert.

Die vereinfachte Erkenntnis daraus ist, dass RIDE-9 auch hier definitiv eine Wirkung hat, man aber schon recht feinfühlig für Geometrien und Federungsperformance sein muss um diese auch bei kleineren Interaktionen zu spüren. Der Schritt von der Neutralposition (5) hin zur flachsten und tiefsten Position (1) macht zwar schon 0,5° und 6 mm in der Tretlagerhöhe aus, ist aber in der Praxis doch so subtil, dass ihn wohl nur  diesbezüglich sensible Fahrer spüren.
Der Schritt von Position 1 hin zur steilsten und höchsten Position dagegen macht den Lenk- und Sitzwinkel aber immerhin um 1 ° steiler und hebt das Tretlager ganze 13 mm an – etwas, das wohl jeder im direkten Vergleich spürt und einem sofort als „XC-Position“ in den Sinn kommt.
Das Positive an RIDE-9 ist aber, dass es in seinen Extremen zwar spürbar ist – wenn nicht, wäre es auch recht überflüssig – aber doch immer den Grundcharakter des Instinct beibehält. Man kann also ohne Angst einfach damit herumspielen und ausprobieren, vielleicht findet man ja ein Setting das dem Terrain oder Fahrstil noch besser passt. Ich jedenfalls fand aus den drei Optionen die mittlere, neutrale als mein persönliches Ideal für mich und meine Trails. Sie verkörpert für mich am besten, das was  das neueste Instinct am meisten ausmacht – seine bemerkenswert hohe Vielseitigkeit.

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KURZTEST – ZUSAMMENFASSUNG

In einer Woche lassen sich nicht alle Finessen eines Bikes herausfinden, vor allem nicht, wenn es so viel Wandlungsfähigkeit besitz wie das für 2018 neue ROCKY MOUNTAIN Instinct. Die Kanadier haben es mit der Neuauflage des Bikes geschafft alle Qualitäten des bisherigen Instinct noch zu verbessern und ihm gleichzeitig noch mehr Laufruhe, Sicherheit und Fahrspaß einzuhauchen. Im Uphill zählt das neue Instinct damit zu den effizienteren und vortriebsstärkeren Trail-Fullies der 140 mm Klasse und ist auch bergab und im technischen Gelände fähiger, als es die Zahlen allein vermuten ließen. Mit all seinen Zusatzoptionen (B+ Kompatibilität, RIDE-9 und wer mag sogar der Zusätzliche Federweg der BC Edition ) ist es ein sehr wandlungsfähiges Bike. Wäre nicht der für seine Ausstattung etwas übermotivierte Preis, würde ich das vorbehaltlos jedem empfehlen, der ein echtes 29er Trailbike und kein Mini-Enduro sucht. Was die Fahrperformance und Funktion angeht, bleibt das Instinct aber trotzdem ein wirklich gelungenes Bike.

RIDE ON,
c_g