Unterwegs mit Tibor Simai (Bikeprofi und Brand-Ambassador) – Ride & Interview: von c_g
Vorwort: Ich kenne Tibor Simai schon seit längerem als einen eifrigen und kompetenten Brand-Ambassador für MAGURA und SQ-Lab, aber für mehr als techniklastige Gespräche hat es selten gereicht. Vor kurzem hatte ich das Vergnügen mich länger mit dem ehemaligen BMX-Profi einen halben Tag die verschiedenen Trails an der Plose bei Brixen unsicher zu machen und mich mit ihm dabei zu unterhalten.
Nicht nur, dass wir dabei viel Spaß und tolle Erlebnisse hatten, ich hatte auch das Vergnügen den Fahrtechnikkünstler und auch als einen unglaublich netten und zugänglichen Menschen kennenzulernen. Aber lest einfach selber …
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TNI: Hallo Tibor, du bist ja ehemaliger BMX Profi und dann ins MTB-Lager umgewechselt. Wie kam das und wie erging es dir damit?
Tibor: BMX war eine meiner großen Leidenschaften. Diese Zeit prägte mich und treibt mich bis heute an. Mitte der 90er startete ich mal in einem MTB Sprint und fing sofort Feuer fürs Mountainbiken. Das war geil und auch eine neue Herausforderung für mich. Bis 2002 hatte ich dann BMX und MTB betrieben bis ich Anfang 2003 mein BMX Rad in mein kleines Museum gestellt hatte. Da steht es heute noch.
TNI: Wie schafft man es auch nach zig Jahren noch im Bikebusiness zu sein und dabei immer Spaß zu haben?
Tibor: Ich liebe es. Ich liebe alles, was zwei Räder hat. Das ist mein ganz persönlicher Ansporn. Alles auf zwei Rädern fasziniert mich. Meine neue Leidenschaft ist es ergonomische Produkte zusammen mit SQ-Lab und Magura zu entwickeln und serienreif zu machen.
TNI: Hast du irgendwelche Tipps für Leute, die auch gerne näher in die Bikewelt heranschnuppern wollen oder gar einen Beruf darin suchen?
Tibor: Oh ja, bringt ganz viel Herzblut mit! Viel Enthusiasmus und private Zeit. Wenn das genau dein Ding ist bzw. du es mit deiner Familie im Einklang bringen kannst… GO FOR IT. WE NEED U!
TNI: Früher warst du auf ganz kleinen Rädern (BMX) unterwegs und jetzt treffe ich dich fast immer nur noch auf großen 29er Rädern – wie erging es dir bei dem Umstieg und was sind für dich die Vorteile.
Tibor: Ich habe schon immer die größeren Laufräder bevorzugt. Alles fühlt sich entspannter, ruhiger und geiler an. Das schreit einfach nach mehr Gas und man bleibt länger in der persönlichen „Comfort Zone“.
TNI: Warum glaubst du, dass 29er nicht nur im XC und Marathon ihre Berechtigung haben, sondern auch bei Trail und All-Mountain?
Tibor: Ganz einfach – weil Bikes mit großen Rädern und viel Federweg die Macht sind. Ich fahr so ein Geschoss – das EVIL Wreckoning: 29“ und 160 mm im Gepäckwagen. Ein Sofa mit flachem Gabelwinkel fürs aggressive Ballern und einem „Climb Switch“ Hebel am Dämpfer für die Höhenmeter bis zum Gipfel. Für mich ein Bike für alles.
TNI: Ich selber bin als Mountainbiker groß geworden, habe mich in den letzten Jahren aber auch mit BMX beschäftigt – der Fahrtechnik wegen – und habe größten Respekt davor. Hast du Tipps für unsere Leser, wie sie ihre Technik verbessern können.
Tibor: Das freut mich. Angst bewahrt uns Dinge nicht zu tun. Respekt hilft uns, uns nicht zu verletzten und Schritt für Schritt zu lernen. Ich würde jedem, der seine Technik verfeinern möchte, ein Dirtbike (26“) oder ein BMX Cruiser (24“) empfehlen. Ab damit auf den Pumptrack und ohne Treten versuchen Geschwindigkeit zu generieren. Der Spaß ist grenzenlos. Ob jung oder alt. Und für die Kondition tust du gleich auch etwas, denn auch wenn es einfach aussieht – Pumptrack ist Schwerstarbeit für den ganzen Körper. Ein BMX Rad (20“) empfehle ich für den Einstieg vom MTB kommend nicht, aber gerne für Kids oder Jugendliche.
TNI: Als Brand Ambassador von MAGUAR und SQ-Lab und Foto-/Videofahrer reist du ja um die ganze Welt. Dabei scheinst du immer eine gute Laune zu haben und zu verbreiten. Mein US-Kollege Grannygear hat dir nach der kurzen Zeit mit dir im MAGUAR Presscamp’16 ja den Titel „ the most fun German person I have ever met“ verliehen. Wie schaffst du das?
Tibor: Hat er das? Na ja, was soll ich sagen. Ich nehme mich selbst nicht zu ernst und bin für jeden Spaß zu haben. Außerdem genieße ich die Zeit mit Menschen, die die gleiche Leidenschaft leben.
TNI: Kommen wir zu deinem Sponsor MAGURA. Vor kurzem hatten wir ja die spannende, weil kabellos funktionierende Dropper-Stütze VYRON im Test. Die Erkenntnis, war, dass sie tadellos funktioniert im Fahrbetrieb aber etwas Ein und Umgewöhnung erfordert. Du fährst sie ja selber. Wie kommst du mit der Verzögerung und dem Sleep-Modus zurecht?
Tibor: Ja, für mich ist die Vyron ein geiles Teil. Das ist wie von einem Telefon mit Tasten zu einem Smartphone. Da muss man sich erst einmal dran gewöhnen. Für Magura war es wichtig, den Markt als erste mit ihrer kabellosen Dropper-Stütze wachzurütteln. Und dass die funktioniert habt ihr ja auch bestätigt. Jetzt machen wir unsere Hausaufgaben und arbeiten an Updates um sie noch besser zu machen. Wir hoffen, bald auf die Wünsche der Kunden eingehen zu können.
Aber für mich gibt es da keinen Zweifel – kabellos ist einfach genial.
TNI: Du warst es, der mir im Mai eine MAGURA Trail Carbon in die Hand gedrückt hat, weil ich schnell eine zuverlässige Ersatzbremse brauchte. Seither fahre ich die MT Trail saugern, ohne jegliche Probleme und bin vollauf damit zufrieden. Wie kommt 2+4=3, der Slogan der MT Trail ganz allgemein an?
Tibor: Das freut mich, dass Du happy mit der MT Trail Carbon bist. Generell kommt 2+4=3 bei den Mathematiklehrern nicht so gut an. Bei uns hingegen macht es wirklich Sinn. Magura ging einmal mehr auf den Wunsch des Marktes bzw. der Fahrer ein. Viele wünschten sich hier einfach genau das Konzept: 4 Kolben vorne für maximale Bremspower und 2 Kolben hinten für gute Dosierbarkeit. Das ganze gepaart mit High-End-Materialien wie unserem Carbotecture SL Bremsgehäuse und dem Carbon Bremshebel – das spart Gewicht genau da wo es sinnvoll ist und bietet gleichzeitig perfekte Funktion.
TNI: Vor kurzem musste ich bei einem Umbau meine MT Trail zwischen zwei Rahmen selber entlüften und das ging wirklich sehr einfach. Hast du Tipps für unsere Leser zu diesem Thema?
Tibor: Hast Du 60 sec Zeit? (Anmerkung: Die Anleitung mit Fotostory dazu kommt ebenfalls bald)
TNI: Hast du allgemein Tipps dazu wie man seine Bremse optimal einstellt?
Tibor: Oh ja, und glaube mir, ich habe jeden Trend mitgemacht und selber ausprobiert. Wenn Du Deinen Einsatzbereich genau beschreiben kannst, ist das ganz einfach. Extreme wie Marcus Klausmann, der den Bremshebel waagerecht, und Danny McAskill, der den Hebel senkrecht fährt, gibt es natürlich. Die Griffposition und die Neigung des Bremshebels sind aber definitiv abhängig vom Einsatzbereich. Wer keinen Bock auf Armpump und einschlafende Finger bzw. Hände hat, holt sich noch dazu den SQ-Lab Griff 711 oder 711MX. Dieser hat eine kleine Handballenunterstützung. Achtet bei der Montage darauf, dass die Griffposition ein leicht angewinkeltes Handgelenk unterstützt, denn das entlastet die Unterarmmuskulatur. Jetzt stellst Du Deinen Bremshebel einfach wie eine Verlängerung deines Handrückens bei ausgestreckten Fingern ein. Das ist für die meisten Fahrer optimal.
TNI: Tipps speziell zur Handhabung von MAGURA Bremsen?
Tibor: Magura Bremsen kann man ohne Entlüften ablängen, wenn man ein wenig vorsichtig arbeitet. Wenn nötig kann man sie in nur 60 Sekunden Schnellentlüften. IN den allermeisten Fällen reicht das vollkommen aus.
Wer sich dennoch entschiedet, das System über die Bremszange zu entlüften, MUSS bei der Hinterradbremse die Zange vom Adapter runter nehmen und sie nach unten hängen lassen, damit sie in etwa senkrecht steht. (Etwa wie bei der Vorderradbremse wenn sie montiert ist.)
TNI: Du bist ja schon sehr lange im Bereich Ergonomie unterwegs und ein starker Befürworter dass es sehr wichtig ist auf seinen Körper zu hören? Woher kam dieses Interesse? Woher kam dein Wissen hierzu?
Tibor: Mitte der 90iger lernte ich den Lenz von der Sportschule FFB Puch kennen. Dieser Mann war nicht nur ein Vorbild für mich, sondern auch mein Mentor. Ohne ihn würde ich definitiv nicht mehr so gesund daher kommen. Nach all den Verletzungen, die ich in meiner Profikarriere hatte, heute fast sorgenfrei zu gehen ist zu einem großen Teil sein Verdienst. Die Zeit in der Sportschule Puch, in der ich 15 Jahre lang neben dem Rennenfahren auch als Coach tätig war, hat mir viel über die menschliche Anatomie beigebracht. Über die Jahre habe ich auch verschiedenste Zusatzqualifikationen und Ausbildungen hierzu durchlaufen. Gerade wenn Du mit Extremsportlern, die bis an ihr Limit gehen, zusammenarbeitest, kommst Du auf die besten Ideen.
TNI: Wie ich erst kürzlich geschrieben habe, hat SQ-LAB mit dem Ergowave 612 einen für mich fast perfekten Sattel entwickelt. Was macht den Sattel so anders als seine Konkurrenten?
Tibor: Jetzt setzt ich Dich auf den 611 Ergowave und der ist perfekt für Dein Einsatzgebiet gemacht. (Anmerkung: Der Vergleichstest zwischen SQ-Lab 612 und 611 folgt demnächst.)
Wir haben bei SQ-Lab Vollgas geben. In Zusammenarbeit mit der Uniklinik und FH in Frankfurt, mit unserem Ärzte Team Staudte und Knörringer, haben wir in unserem Labor lange entwickelt und viel getestet. Sobald wir die ersten fahrbereiten Prototypen hatten, wollte die keiner mehr hergeben, also wussten wir, dass es der richtige Weg war. Es ist echt Stress da noch Testsättel für die Magazine zu finden wenn Dein eigenes Team sie in der Tasche verschwinden lässt :-).
Die Ergowave ist die Weiterführung der bekannten und bewährten Stufen Technologie von SQ-Lab. Bei Ergowave gibt eine erste Stufe dir Halt für den Sitzknochen, eine folgende Vertiefung bietet Fläche für den sogenannten Sitzbeinast (sportliche Sitzposition) und eine weitere Erhöhung sorgt für den definierten Sitzpunkt. In der Längsachse befindet sich der „Dip“ für den Freiraum unserer Genitalien bzw. unseres Schambeinnervs.
Ob Frauen und Männer unterschiedliche Sättel brauchen fragst Du? Ach, hast Du nicht? Das ist aber wichtig zu wissen: Der Schambeinbogen der Frau liegt tiefer als beim Mann, der hier seine Weichteile hat. Das heißt final: Wir brauchen nicht geschlechterspezifische Sättel, sondern nur die richtige Sattelbreite, die abhängig vom Sitzknochenabstand und der Sitzposition (sportlich tief oder eher aufrecht) ist.
TNI: Welchen Input hast du bei SQ-Lab während der Entwicklung von Ergowave gehabt?
Tibor: Ich war in dem Team in unserem Entwicklungslabor in Taufkirchen zu Gange. Wir fuhren die ersten 3D Drucke aus Kunststoff über 3 Std. ohne Radhose. YES. Plastik fast direkt auf Knochen. Und das ging gut. Sehr gut sogar. Nach 2,5 Stunden sind die Kontaktstellen schon mal beleidigt aber die Form funktionierte überzeugend gut. Wir haben dann an den Feinheiten gefeilt und die ersten Muster mit Polsterung bekommen. Das war dann echt geil. Weiter durfte ich noch in unserer Design Abteilung mitwurschtln. Und YES, ich find die neue Ergowave nicht nur 100% ergonomisch passend sonder auch noch richtig SEXY.
Das war echt’ne geile Teamarbeit von der gesamten SQ-Lab Mannschaft.
TNI: Aber macht mich Ergowave wirklich schneller und besser ;-)?
Tibor: Sagen wir das? 🙂 Ganz einfach. Je weniger Muskel Du benötigst, um Sitzkorrekturen zu kompensieren, desto mehr Dampf hast Du fürs Wesentliche. Der Halt des Sitzbeinknochens ist wie eine Lehne bei einem Stuhl zu fühlen. Jetzt trittst Du mit Vollgas in die Pedale. Geil, oder?
TNI: Mit dem Super3 Lenker hat SQ-Lab ja auf eine sehr fortschrittliche und leider auch teure Carbon-Flechttechnologie gesetzt. Ich selber fahre den Lenker wegen seiner Geometrie (16° Backsweep) und auch der Flex- und Dämpfungseigenschaften sehr gerne. Ist damit die Spitze dessen erreicht was derzeit technisch möglich ist?
Tibor: Ja die 16° Backsweep kommen super an. Besonders bei langen Touren ist das die perfekte Lösung, um einen entspannten Übergang vom Handgelenk zum Unterarm zu gewährleisten. Die Dämpfungseigenschaften dank der Flechttechnologie sind super. „Made in Germany“ macht ihn halt noch a bissl teuer, aber wir arbeiten auch parallel mit anderen Materialen und hoffen hiervon bald etwas zeigen zu können. Die Kombination von Flex- und Dämpfungseigenschaften mit dem richtigen Backsweep/Upsweep machen für uns erst den perfekten Lenker aus. Wir planen auch eine vergleichbare Performance in einer günstigeren Version auf den Markt zu bringen.
TNI: Als ich dich kennengelernt habe, warst du mit einem EVIL Following unterwegs. Wie kamst du zu diesem in Europa seltenen Bike aus den USA? Und warum fährst du hier in Brixen das 27,5“ Insurgent?
Tibor: Das EVIL Following waren einer meiner Wunschrahmen und mein erstes EVIL. Nicht nur das Design, sondern auch die Philosophie haben mich sofort angesprochen. Die geschwungene Form der Rahmen passt zudem wie die Faust aufs Auge zu SQ-Lab. Das Insurgent ist eigentlich nur noch mein Ersatzbike, nach dem Following und dem neuen Wreckoning. Ich fahre das Insurgent hier in Brixen eigentlich nur, weil Tobi von SQ-Lab das Wrecking mit in USA für die Interbike hat und weil ein Komponentendefekt das Following gerade außer Gefecht gesetzt hat.
Die Trails hier an der Plose sind super mit fähigen 29ern zu fahren und ich vermisse die großen Laufräder schon ein wenig.
TNI: Danke für die tollen Trails und deine Zeit.
Anmerkung: Wir werden bald noch mehr zu Tibor’s 29er Bikes bringen, dann hoffentlich sogar mit ein paar eigenen Praxiseindrücken.
RIDE ON,
c_g
An meinen Bikes fahre ich verschiedene SQ-Lab Sättel (610,611,611active <-endgeil,603) und bin echt überzeugt davon. Trotzdem finde ich dieses Interview eine ziemliche Werbeveranstaltung.
Obwohl Tibor jedem MTBler bekannt sein sollte und echt klasse rüberkommt, wünsche ich mir mehr Infos über den Menschen und nicht nur über die Produkte, für die er sein Gesicht in die Kamera und seinen Allerwertesten ohne Radhose aufs Plastik hält.