TECH-TALK – Procore/Trail-Kombi vs. Enduro-Reifen: von c_g

Ich hatte es ja bereits im Fazit zu SCHWALBE’s Procore angekündigt, dasss hiermit zwar der Test im engeren Sinne vorüber wäre, ich aber sehr wohl noch weiter mit Procore fahren werde und es auch noch im Vergleich zu anderen Set-Ups bewerten werde.

2 SCHWALBE Procore 5 CONTI Baron PJ

Mein erster direkter Vergleich war der zwischen der bisher gefahrenen Kombi aus einem Satz Trailreifen mit Procore (entweder SCHWALBE’s Nobby Nic 2.35 vorne und hinten oder nur vorne mit einem Rock Razor hinten ) und einem waschechten Enduroreifen (in unserem Fall der CONTINENTAL „Der Baron 2.4 Projekt“) – beide Reifen aus den zurückliegenden Tests bestens bekannt. Anfangs bin ich gar nicht auf diese Paarung gekommen, aber beim Wiegen des „Der Baron“ kam mir der Gedanke – mit 995 bzw. 1020 g waren die beiden Testreifen nämlich ziemlich genauso schwer wie die Nobby Nic 2,35 er (je 775 und 782 g) zuzüglich der 250 g pro Reifen für das Procore System.
Wer hier zum ersten Mal auf das Thema stößt, der sei noch kurz auf die separate Testreihe zu SCHWALBE’s Procore und auch dem CONTINENTAL „Der Baron 2.4 Projekt“ verwiesen, wo beide eigens in aller Tiefe besprochen werden. Im Set-Up der Systeme bin ich das gefahren, was ich in den vorhergehenden Tests als jeweils optimal kennengelernt habe – die Nobby Nic/Procore Kombi mit 1,1bar/5 bar (Druck im Innenreifen/Aussenreifen) und den CONTI „Der Baron“ mit 1,5 bar.

am CUBE 45 Procore

Um diesen Vergleich besser mit laufenden Tests kombinieren zu können, aber auch um zusätzliche Variable der Felgebreiten einzubauen, wurden beide Kombis sowohl am ROCKY Instinct (dort auf der AMERICAN CLASSIC Wide Lightning Felge mit 29,5 mm Innenweite) wie auch am CUBE Stereo 140 C:68 SLT 29 (dort auf einer DT-SWISS Felge mit 23 mm Innenweite) gefahren.

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Doch ohne weitere Vorrede hier zu den Ergebnissen des Vergleichs nach den Eigenschaften:

76 CUBE Stereo 140 SLT

Bergauf wie bergab boten beide System eine extrem gute Traktion.

1, TRAKTION & GRIP: Wer die jeweiligen Berichte der letzen Monate gelesen hat, weiß, dass beide Probanden extrem gute Ergebnisse in Sachen Grip und Traktion erzielen. Und auch im direkten Vergleich war es so. Allerdings gibt es ein paar Nuancen in denen sie sich doch unterschieden haben.Der CONTI Baron ist ein echter Enduro-Reifen mit einen dementsprechenden aggressiv-offenen Profil und einer dazu passenden Gummimischung. Hier spürt man selbst bei 1,5 bar, wie wenig der Reifen zurückprallt und so Hindernisse ruhig überrollt. Wo es dann doch die Tendenz zum Durchdrehen gibt, verbeißt sich das grobe Profil im Untergrund und sorgt so für sehr guten Vortrieb und Sicherheit, bergauf wie bergab.
Bei der Paarung aus Nobby Nic und Procore waren sowohl das Compound (vorne und hinten das schnelle PaceStar) wie auch das Profil klar unterlegen. Hier gleichen aber der geringe Druck im Reifen der es ihnen erlaubt sich dem Untergrund feinfühlig anzupassen diesen Vorteil weitgehend wieder aus. Auch hier lag die Traktion meistens auf dem gleichen hohen Niveau.

Traktion

Nur bei tiefen und weichen Böden konnte sic das aggressivere Profil des Enduroreifens leicht absetzen.

Die einzige Ausnahme hierzu waren wirklich weiche Böden – denn hier war der Nobby Nic dann einfach zu schwach profiliert. Der niedrige Druck spielt dann nämlich keine echte Rolle mehr.

–> In Sachen Traktion und Grip sind die Unterschiede sehr gering. Was der Enduroreifen durch sein aggressiveres Profil und das griffigere Compound erreicht, schafft das Trailreifen/Procore-System durch die Anschmiegsamkeit aus dem niedrigen Betriebsdruck.

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7 Enduroreifen Dämpfung

Mit dem gut dämpfenden Compound des CONTI Enduroreifen lag das Bike trotz optimalen Feedbacks auch sehr satt am Boden …

2, KOMFORT und DÄMPFUNG: Hier war ich anfangs echt überrascht wie viel auch schon ein weiches Compound wie das beim „Der Baron 2.4 Projekt“ zu leisten vermag. Selbst das macht einen wirklich spürbaren Unterschied – sowohl wenn man über ruppigen Untergrund fährt indem der Reifen weniger zum Springen neigt, wie auch auf Schotter, wo die Dämpfung durch das Compound ebenfalls spürbar ist.
Im direkten Vergleich wurde aber dann doch sehr schnell klar, dass einfach nichts den geringen Luftdruck schlägt, den man mit Procore und Co. fahren kann. Ein solches Maß an Vibrationsdämpfung und letztlich Komfort erzielt wahrscheinlich kein Compound bei vergleichbarem Rollwiderstand.

19 Procore

… aber das sanfte Überrollen von Unebenheiten wie mit 1.1 bar im Reifen, was dank Procore problemlos möglich ist, ist noch einmal spürbar weicher und komfortabler.

Nun bin ich aber ein Biker mit einem Tourenhintergrund und ohne echte Race-Ambitionen. Für mich ist der zusätzliche Komfort und die Vibrationsdämpfung durchweg positiv. Allerdings gab es gerade dann, wenn ich das CUBE Stereo so richtig gefordert habe auch Situationen, in denen ich das direktere Fahrgefühl des CONTI als sicherer empfunden habe.Dennoch – je nach Fahrer, Fahrstil und Vorliebe kann es sehr wohl sein, dass einem das Gefühl von „auf dem Trail schweben“ mit Procore auch zu viel des Guten sein kann. Der CONTI hingegen gab mit 1,5 bar neben der weiterhin guten Dämpfung einfach mehr Feedback zum Trail und war somit der etwas ehrlichere Reifen.
(Anmerkung: Klar lässt sich das leicht beheben indem man den Trailreifen mit mehr Druck fährt, doch damit bewegt man sich aktiv von dem Optimum dessen weg, was man mit Procore eigentlich erreichen will.)

–> Keine Frage, wer auf viel Dämpfung und Komfort steht und dafür willens ist auch ein wenig auf das direkte Feedback zu verzichten, fährt mit der Niederdruck-Kombi aus Trailreifen und Procore besser. Je nach Fahrer, kann das Urteil aber unter Racebedingungen durchaus auch anders ausfallen.

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5 Kurvenstabilität

Die Felgenbreite ist der entscheidende Faktor wenn es um die Fahrstabilität der beiden Systeme geht.

3, FAHRSTABILITÄT & LENKPRÄZISION: Wer die bisherigen Berichte zu dem Thema gelesen hat, hat bereits gehört, dass mich der CONTI Baron diesbezüglich richtig positiv überrascht hat. Auf der 29 mm AMERICAN CLASSIC Felge sowieso, aber eben auch auf der 23 mm DT-SWISS des CUBE, war er einfach unglaublich sicher und präzise zu fahren. Kein Abklicken, kein schwammiges Gefühl bei harten Landungen oder in Anliegern – einfach nur ein rundum sicheres Fahrgefühl. Ich mache zu einem großen Teil die robuste Karkassenkonstruktion und die zusätzliche Apex-Wangenverstärkung hierfür verantwortlich.
Mit der 29 mm Felge kann ich genau das gleiche auch über den deutlich flexibler konstruierten Trailreifen mit Procore sagen. Nur bei wirklich heftigen Landungen kam es noch zu kurzen Momenten des fühlbaren Abklickens, das mitunter gewöhnungsbedürftig war. Ansonsten eine nicht ganz so makellose, aber ebenfalls sehr gute Fahrstabilität. Auf der 23 mm Felge – ein für heutige Verhältnisse häufige Breite – war dagegen schon viel eher zu spüren wie stark der Nobby Nic bei 1,1 bar dort seitlich flext. Hier ist es in der Tat ein Kompromiss aus Komfort & Dämpfung oder Fahrstabilität, den man mit dem Trailreifen und Procore eingeht.

–> Während sich der Enduroreifen und die Trailreifen/Procore-Kombi auf der breiten Felge nicht viel schenken und eine vorbildliche Performance boten, gab es auf der schmäleren Felge doch klare Unterschiede, die den Enduro-Reifen hier besser aussehen haben lassen. Hier entscheidet also die Felgenbreite was wem besser gefällt bzw, ob es überhaupt Unterschiede gibt.

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4, ROLLWIDERSTAND (und REIFENWAHL): Nun, das ist ein schwieriges Thema, denn hier kommt klar, raus, dass der Vergleich doch nicht ganz fair ist. Zwar muss man auf hartem und glattem Untergrund mit dem niedrigen Druck der Trailreifen/Procore-Kombi ein paar Watt mehr leisten, aber in Summe arbeitet man mit dem Enduro-Reifen ganz klar mehr.

21 CONTI Baron PJ

Auf langen Touren wurde deutlich, das man mit dem Enduroreifen schon etwas härter treten muss.

Einerseits liegt das natürlich am bereits besprochenen weicheren und damit langsameren Compound und dem viel aggressiveren Profil. Aber was in der Fahrpraxis eben auch auffällt, ist wie viel leichter der flexible Trailreifen bei 1,1 bar über kleinere Unebenheiten rollt ohne durch Energieumleitung wertvolle Leistung in Vertikalbeschleunigung von Bike und Fahrer Energie zu verschenken.

42 Procore

Außerdem kann man mit Procore auch sehr schnelle Reifen (hier ein Rock Razor hinten) kombinieren und so zusätzliche den Rollwiderstand reduzieren.

Außerdem ist man mit einem so aggressiven Reifen wie dem CONTI „Der Baron“ auch auf ein Reifenprofil festgelegt, während man mit Procore die Vorteile auch auf unterschiedliche Reifen übertragen kann. Wer zum Beispiel einen Reifen vom Schlage eines SCHWALBE Rock Razor hinten mit Procore kombiniert – eine Kombi, die ich auch weiterhin für eine der besten Tourenkombis halte solange es nicht zu nass und weich wird – bekommt Komfort satt bei wirklich geringem Rollwiderstand und dennoch sehr viel Traktion.

–> Im direkten Vergleich der beiden Test-Setups, kann sich der Nobby Nic hier erwartungemäß als der schneller Reifen hervortun. Sowohl das schnellere Profil und Compound, wie auch der niedrige Betriebsdruck verhelfen der Kombi hier zu einem klaren Sieg. Durch die Option Procore auch mit anderen Reifen zu kombinieren und so bei gleichem Komfort entweder mehr den Speed oder die Traktion zu betonen ist dieser Punkt gleich noch besser begründet und so absolut verdient.

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Neben den reinen Praxiseindrücken gibt es aber auch noch andere Aspekte bei der Berachtnúng mit einzubeziehen – Kompatibilität, Montageaufwand & Tubeless Eigenschaften:

SCHWALBE selber nennt für Procore, dass es für Felgen mit 23 bis 40 mm Innenweite geeignet wäre. Das mag faktisch richtig sein und wurde in dem Test zumindest für 23 mm auch belegt. Andererseits war es genau die Kombi mit der schmalen 23 mm Felge, welche bei Procore Abstriche bei der Fahrstabilität gekostet hat. Meine persönliche Empfehlung wäre daher in Kombination mit Procore eher für eine breitere Felge jenseits von 25 mm, während ein robuster Enduroreifen wohl auch bei schmalen Felgen noch sehr gut funktioniert.
(Anmerkung: Das andere Extrem einer 40 mm breiten Felge konnten wir bisher aufgrund fehlenden Testmaterials noch nicht realisieren, werden das aber bei Gelegenheit noch nachholen.)

Der Montageaufwand erscheint bei Procore auf den ersten Blick etwas höher. Schließlich muss man den Innenreifen samt Schlauch und dann noch den gewählten Außenreifen montieren, doch die bereits vielfach angesprochenen Tatsache, dass Procore das Abdichten des Außenreifens quasi aktiv übernimmt und so jeden Reifen bereits mit der Handpumpe tubeless aufzupumpen ist. Gerade Fahrer, die gerne und öfter den Reifen wechseln, wie ich, werdend das sehr zu schätzen wissen.
Hierbei eine echte Bewertung abzugeben ist allerdings stark subjektiv geprägt, daher darf jeder für sich selbst entscheiden.

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3  Procore Rocky

Der Test zeigt: Die Kombi aus Trailreifen und Procore kann das Potential noch einmal deutlich erweitern und schlägt in manchen Bereichen sogar den Enduroreifen.

GESAMTFAZIT: Für mich war es sehr spannend die beiden Systeme direkt miteinander zu vergleichen. Für meinen Fahrstil und mein Gelände geht die Kombi aus Trailreifen und Procore mit leichtem Abstand als Sieger hervor. Allerdings vorausgesetzt ich bin mit einer breiten Felge unterwegs. Ansonsten würde ich zumindest vorne den stabileren Enduri-Reifen aufziehen.
Der Vergleich hat aber auch gezeigt, dass es dabei sehr viele Aspekte zu beachten gibt, die je nach Fahrer, Fahrstil und Bikekonfiguration nicht zwangsläufig so aussehen muss. Ich hoffe in meinen Ausführungen genug objektiver Beobachtungen gesammelt zu haben, das jeder für sich selbst zu einem Schluss kommen kann.
Als nächste Phase dieser Reihe geht es um den direkten Vergleich von Procore mit dem neuen PLUS-Format – ein Test den wir auf dem soeben vorgestellten SCOTT Genius LT Plus Tuned machen werden. Hierzu demnächst mehr.

RIDE ON,
c_g