Test-Highlights des Jahres 2019 – Teil II (Bikes): von c_g
Bevor wir aber zu unseren ganz persönlichen Bike-Highlights des Jahres 2019 kommen, zuerst ein paar allgemeine Worte zu den aktuellen Bikes: Aus meiner Sicht kann man ganz allgemein und ungelogen sagen, dass wir nie zuvor bessere Bikes hatten. Gerade wenn es um die Geometrien geht, haben wir einen regelrechten Quantensprung erlebt. Flachere Lenkwinkel, steilere Sitzwinkel und ein etwas längerer Reach haben in beinahe allen Kategorien Einzug gehalten – vom XC- bis hin zu Gravity-Bikes. Mit den vielfach gestiegenen Fähigkeiten der aktuellen Bikes gingen zwar auch die Gewichte der Komplettbikes nach oben, aber wie ihr wisst, sehen wir das hier bei TNI eher gelassen. Bikes die aggressiver gefahren werden, brauchen nun mal auch robusterer und damit meist schwererer Komponenten. Und angesichts der durch die neuen Geometrien verbesserten Kletterfähigkeiten vieler Bikes, sehen wir das zusätzliche Gewicht selbst bergauf als recht guten Kompromiss für das Plus an TrailVergnügen an. Wie denkt ihr dazu?
Auch wenn es dieses Jahr bei TNI nicht ganz so viele Testbikes wie sonst üblich waren, hatten wir doch die Chance eine ganze Reihe von Rädern zu fahren. Drei davon sind uns in diesem Jahr besonders aufgefallen. Alle drei demonstrieren auf ihre eigenen Weise, dass üppige Federwege und Vielseitigkeit sich nicht ausschließen müssen: Das beste Beispiel dafür ist wohl das zum Jahreswechsel’19/’20 getestete SCOTT Ransom 900 Tuned. Unser letztes Testbike diesen Jahres, das CUBE Stereo 170 SLfolgt in der gleichen Schiene glänzt dabei aber mit einem außergewöhnlich guten Preis-/Leistungsverhältnis. Die Runde wird noch durch dasPOLE Evolink 158 EN abgerundet, das ich dieses Jahr als Testplattform genutzt habe (und noch immer nutze).
*************************************************************
SCOTT Ransom 900 Tuned – Exklusiv, potent und rundum gelungen
(Hier die Links zu: Testintro, Zwischenstand, Testfazit)
Als ich das SCOTT Ransom 900 Tuned im ausklingenden Jahr 2018 zum Test übernommen hatte, war sofort klar, dass es sich bei dem Bike mit seinen stattlichen 170 mm Federweg um ein extrem potentes Bike handelt. Schon der erste Ausflug damit in den Bikepark hat gezeigt, dass man es hier mit einem Bike zu tun hat, das gravity-technisch mit allen Wassern gewaschen ist. Laufruhig, sicher und zugleich nie träge oder langweilig.
Selbstverständlich trägt die superedle Ausstattung des getesteten Top-Modells mit einem Gesamtgewicht von gerade mal 13,75 kgmit der Serienausstattung auch dazu bei, dass es bergauf noch leichter voran geht, aber auch mit einem schwereren Alurahmen und einer weniger exklusiven Ausstattung würde ich das SCOTT Ransom 29er vorbehaltlos weiterempfehlen. Hier hat SCOTT einen erstklassigen Kompromiss gefunden um sowohl auf Trail-Touren wie ach im Bikepark und Enduro-Rennen einfach richtig Spaß zu haben und nie vom Bike zurückgehalten zu werden.
Sowohl mit seiner Flip-Chip Geometrieverstellung, wie auch dem Nude-/TwinLoc-Dämpfer konnte das Ransom mich nämlich auch auf so mancher eher gemütlichen Tour und bergauf überzeugen. Ein rundum gelungenes Bike das genauso progressiv wie vielseitig ist.
Für mich war die Kombination aus Twin-Loc für Dämpfer und Gabel und der innovativen Camp Control am Custom-Dämpfer ein wenig zu viel Technologiefeuerwerk und auch die einteilige HiXon Carbon Lenkereinheit war mir ein wenig „zu viel“ Exklusivität und Systemintegration, aber weil das Bike für sich schon so gut war, konnte ich über diese leichte Übertreibungen leicht hinwegsehen und das Bike trotzdem voll und ganz genießen.
Zusammenfassung: SCOTT ist bekannt dafür extrem durchdachte Bikes zu konstruieren und das SCOTT Ransom 900 Tuner ist ein Meisterstück, wenn es darum geht viele sinnvolle (und auch ein paar nicht so notwendige JTechnologien in einem Bike zusammenzufassen. Mit fast 7500.- Euro ist unser Testbike natürlich sehr exklusiv, zeigt aber eindrucksvoll, was derzeit im Bereich Long-Travel-Enduro möglich ist und wie vielseitig auch ein derartig potentes Bikes ein kann. Zu Recht eines der Bike-Test-Highlights des Jahres 2019.
**************************************************************
CUBE Stereo 170 SL – progressiver Preis/Leistungsknaller
(Hier die Links zu: Testintro, Zwischenstand, Testfazit)
Das erst diesen Sommer vorgestellte CUBE Stereo 170 ist zwar offiziell ein 2020er Modell, aber wir es schon im Test hatten, darf es schon im 2019er Jahresrückblick erscheinen. Entwickelt um den Enduro-Fahrern des CUBE Action Teams eine passende Plattform zu bieten, hat das Stereo im Test bewiesen, dass es dennoch alles hat um nicht nur EWS-Racern glücklich zu machen. Während die Waldershofer ihre Bikes generell ziemlich massentauglich auslegen und versuchen ihren breit angelegten Kundenkreis nicht zu überfordern, ist das neue Stereo 170 gleich in mehreren Bereichen ein Experiment in Sachen Progressivität und Vorstellbarkeit … ein Experiment, das meiner Meinung extrem gut gelungen ist.
Schaut man sich die Geometrie des Stereo 170 an, fallen einem sofort der sehr flache Lenkwinkel von 64,4° und der steile Sitzwinkel von effektive 76,7° auf, die man CUBE typisch aber mit einem ziemlich kompakten Hauptrahmen und hier einem sehr kurzen Heck kombiniert. Einen spannende Kombi, die sich zugleich laufruhig und sicher, wie auch agil, verspielt fährt – ähnlich wie auch das weiter oben schon gelobte SCOTT Ransom.
Mit 170 mm Federweg an Heck und Front, dazu das CUBE-typisch herausragende Preis-/Leistungsverhältnis und einem ziemlich guten Gewicht von unter 15 kg im Serientrimm (mit Alurahmen!) kann man mit dem Stereo 170 genauso zum „Ballern“ gehen, wie auch auf Tour damit unterwegs zu sein.
Aber das Stereo 170 bringt noch ein paar spezielle Tech-Features auf den Tisch, die mir sehr gut gefallen haben. Da wäre einmal die Möglichkeit sowohl einen Luft- als auch einen Stahlfederdämpfer darauf zu fahren, aber anstatt bei der Kinematik einen Kompromiss einzugehen, hat CUBE einfach zwei unterschiedliche Kinematik in den Rahmen integriert und so eine mutmaßlich kompromissfreie Lösung gefunden. Dass dies zumindest für den getesteten Luftfederdämpfer funktioniert, hat unser Test bereits bewiesen (auf den von CUBE zugesagten Stahlfederdämpfer warten wir aktuell noch).
Die nächste Option ist der modulare und ganz leicht im Lenkwinkel verstellbare Steuersatz am CUBE Stereo 170. Während mir die aktuelle Verstellung um gerade mal 0,6° (zwischen 64,4° und 65° am Serienbike) noch ein wenig zu vorsichtig ausgefallen ist, bieten der modulare Aufbau und die tadellose Funktion des Systems ein vielversprechendes Spektrum an Optimierungen für zukünftige Baureihen.
Zusammenfassung: CUBE macht schon sehr lange Bikes, die mit einem erstklassigen Preis-/Leistungsverhältnis auftrumpfen und auch das neue Stereo 170 mach da keine Ausnahme. Top-Ausstattung, ein sehr hochwertiger und steifer Alurahmen und ein VK von unter 4000.- Euro machen das Topmodell Stereo 170 SL schon aus dem Stand sehr attraktiv. Mit seiner modernen Geometrie und diversen, innovativen und für CUBE eher untypischen Optionen ist das Stereo 170 eine sehr potentes und zugleich sehr vielseitiges Bikes, das nicht nur Enduro-Racer und Bikepark-Shredder glücklich machen dürfte. Nach dem Stereo 150, das mit seinem Carbonrahmen noch etwas leichter und allroundiger daherkommt, ist auch das jüngste 29er der Oberpfälzer, das Stereo 170 richtig gut geworden und schließt damit schlüssig die bisherige Lücke im Portfolio. Nachdem es das Bike vorerst ausschließlich mit Alurahmen und nur in drei Modellen gibt, bleibt abzuwarten, wohin sich die Serie im kommenden Jahr entwickelt. Vielleicht einen Carbonrahmen und ein wenig mehr akzentuierte Verstellmöglichkeiten? Wir werden’s im kommenden Jahr erfahren.
***********************************************************
POLE Evolink 158 EN – sehr selten und sehr schnell
Der finnische Hersteller POLE war zusammen mit NICOLAI einer der Vorreiter extrem progressiver Geometrien. Was den flachen Lenkwinkel, den immer steiler werdenden Sitzwinkel und längeren Reach angeht, haben viele Hersteller zwar mittlerweile nachgezogen, aber das POLE Evolink ist zweifelsohne auch heute noch am absoluten Cutting-Edge.
Der Rahmen in Größe L hat einen Reach von 519 mm, einen Sitzwinkel von 78°, einen Lenkwinkel von 64° und einen Hinterbau von ca. 455 mm Länge, was in Summe zu einem Radstand von beachtlichen 1328 mm. Ein in meinen Augen genauso großes wie auch großartiges Bike. Aber auch in anderen Bereichen ist das POLE Evolink ein Bike der Superlative. Um diese Maße im geschweißten Rahmen mit einer ausreichenden Steifigkeit zu versehen, musste man auf richtig robuste Rohrsätze mit großen Wandstärken zurückgreifen … und das bedeutete einen schweren Rahmen. Satte 4,45 kg brachte der Rahmen samt ROCK SHOX Monarch Super Luftdämpfer auf die Waage.
Das spannende in dem Test, aber auch in der Nutzung als Testplattform war, dass das damit aufgebaute Bike, das je nach Aufbau zwischen 15,0 und 17,0 kg schwer war, mich gefühlt auch bergauf nie behindert hat. Aufgrund der super bequemen, ja fast schon kompakt aufrechten Sitzposition in Kombination mit dem hohen Tretlager und dem langen Hinterbau kann man mit dem POLE Evolink beinahe überall einfach sitzen bleiben und sich aufs Treten konzentrieren. Bergab ist das Bike sowieso eine Macht und sogar noch sicherer wie die beiden anderen oben aufgeführten Bikes, aber auch bergauf, scheint es nichts zu geben, was das POLE Evolink je aus der Ruhe bringt.
Die eigene VPP-Kinematik mit dem ums Tretlager drehenden Umlenkhebel funktioniert aus meiner Sicht problemlos und bisher musste ich mit dem POLE Evolink Rahmen noch nicht einmal die Lager nachziehen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Leitungsverlegung, die variablen Ausfallenden (142 mm oder 148 Boost) und seine vielen kleinen sinnigen Details machen das POLE Evolink insgesamt zu einem wirklich coolen Bike, das es liebt hart gefahren zu werden. Dementsprechend hoch ist auch der Grenzbereich, den der Fahrer damit erlebt. Man will und kann damit saumäßig schnell fahren, kann sich auch aus den brenzligsten Situation relativ leicht wieder retten und erlebt so eine Art des Bikens, die zwar anders, aber aus meiner Sicht nicht minder attraktiv ist.
Ja, das POLE Evolink ist eine Langbank die sich gerade dann hervortut, wenn es steil und technisch wird (bergauf, wie bergab) und es ist nicht wirklich gedacht um damit Touren zu fahren, aber die große Überraschung für mich war, dass ich es trotz hohen Gewichts und einer meist Gravity-lastigen Ausstattung auch immer gerne selber hoch getreten habe … und damit ist es irgendwie ja dann doch wieder tourentauglich, oder?
Zusammenfassung: Das Evolink war das erste echte Serienbike der kleinen finnischen Bikeschmiede POLE und ist auch heute, fast 4 Jahre nach seiner ersten Vorstellung noch ein extravagant progressives Bike mit viel Charakter und hohem Wiedererkennungswert. Es ist schwerer und nicht so sexy, wie seine aus dem Vollen gefrästen (und wirklich teuren) Geschwister „Machine“ und „Stamina“, dürfte ihnen in seiner Fahrperformance aber kaum nachstehen.
Soweit zu den Test-Hightlichts des damit ausklingenden Jahrs 2019. Wir wünschen euch allen einen guten und gesunden Wechsel ins Neue Jahr und freune uns schon sehr darauf was 2020 für uns so bringt. Bis dahin ….
RIDE ON,
c_g (mit Team)