PIVOT Shuttle E-Bike – Praxistest Zwischenstand: von c_g
(Anmerkung: Mit diesem Test brechen wir mal aus dem gewohnten Prozedere hier bei TNI aus und schauen uns mal etwas „anderes“ an. Ich will gar nicht behaupten ein Experte im Bereich E-MTBs zu sein – dafür fahre ich einfach zu wenig mit Unterstützung. Es geht mir bei dem Test auch gar nicht darum einen Vergleichsbasis mit anderen E-Bikes herzustellen oder in die Feinheiten der Antrieb einzusteigen (obwohl ihr darüber sicher auch etwas lesen werdet), sondern eher darum zu sehen wo E-MTBs derzeit stehen. Letztes Jahr konnten MiMü, Oli und ich dieser Frage in einem gemeinsamen Kurztest bei den Eurobike Media Days’17 nachgehen, aber weil dieses Jahr vor lauter anderer spannender Bike-Neuheiten keine Zeit dafür war, holen wir das eben in einem gesonderten Test nach.)
Um diesen aktuellen Status Quo der E-MTBS zu erfahren habe ich mir das PIVOT Shuttle ausgesucht. Der zugegeben wunderschön gemachte Carbonrahmen war dabei nur ein unbedeutender Faktor für die Wahl … obwohl ich die Idee einen leichteren, externen Akku austauschbar im Rahmeninneren zu verstecken schon recht bemerkenswert finde. Viel interessanter fand ich das Konzept am E-MTB mit ordentlich Federweg eine Geometrie zu realisieren, die möglichst nahe an einem „normalen“ MTB angelehnt ist und daher auch ein möglichst natürliches Handling bietet. Auch die Tatsache, dass das PIVOT Shuttle 29er-kompatibel ist, hat dazu beigetragen, auch wenn sich schnell herausgestellt hat, dass wir für den Test keine derartige Bereifung gestellt bekommen würden und Super Boost Plus es verhinderte, dass wir einen eigenen LRS einbauen. Alle Informationen zur Ausstattung, der Philosophie hinter dem Bike und den vielen kleinen, aber feinen Details des Rahmens, die in Summe zu dem exklusiven VK von 10.000.- Euro führen, findet ihr je bereits im Test-Intro.
Hier im zweiten Teil des Tests soll es vor allem um meine Praxiseindrücke gehen. Das erste was beim PIVOT Shuttle auffällt, ist dass einem – außer des etwas höheren, aber für ein E-MTB-Fully immer noch bemerkenswert geringen Gewichts von rund 20 kg – eigentlich nicht viel auffällt. Schon auf dem Weg zum Trail spürt man wie natürlich sich das Bike lenkt, wie es sich nahezu normal anfühlt. Natürlich macht der SHIMANO STEPS 8000 Antrieb je nach eingelegter Unterstützungsstufe (ECO, TRAIL oder BOOST) auch bei den derzeit sehr sommerlichen Temperaturen jeden sonst so schweißtreibenden Anstieg zum puren Vergnügen, aber was das Handling angeht, bleibt das Shuttle auffällig unauffällig.
So sehr, das ich schon auf der ersten Ausfahrt und ohne weiter darüber nachzudenken meine klassische Testrunde mit allen Wurzelfeldern, Drops und Sprüngen gefahren bin. Es wäre gelogen zu sagen, dass das zusätzliche Gewicht des Antriebs und des Akkus (zusammen gut und gerne 6 kg) das Bike nicht etwas träger machen würde und es in der Luft weit weniger handlich ist, aber einmal daran gewöhnt (was bei mir schon auf der ersten Ausfahrt passiert ist), kann man mit dem Shuttle fast genauso fahren, wie mit einem vergleichbaren „Bio-Bike“, wie Kalle NICOLAI die Bikes ohne Antriebsunterstützung zu nennen pflegt. Wie bei allen E-Bikes sorgen die höhere Masse und der tiefe Schwerpunkt dafür, dass das Bike sich in Anstiegen viel später aufbäumt und auch bergab viel „satter“ auf dem Trail liegt, aber von diesen physikalischen Gegebenheiten abgesehen, fährt sich das Shuttle wirklich bemerkenswert natürlich und damit für mich als E-MTB Quereinsteiger angenehm intuitiv.
Ein Aspekt, über den ich mir bisher noch nicht komplett im Klaren bin, ist wie sich die recht normale Geometrie mit dem ausgesprochen kompakten Heck auf die Uphill-Qualitäten des E-Bikes auswirkt. Logischerweise kann man mit dem Zusatzantrieb viel steilere Trails auch bergauf noch sehr gut fahren. Wie wohl die meisten anderen E-Biker auch, bin ich so auch manche Trails hoch gefahren, die ich sonst eher nur runter genieße. Vom Thema Sicherheit und Gegenverkehr auf dem Trail mal abgesehen, macht es daher sehr wohl Sinn das E-MTB auch mit längeren Kettenstreben noch gelassener im Uphill zu machen, was dann aber auch immer auf Kosten der Verspieltheit auf dem Trail geht. Das PIVOT Shuttle dagegen geht den anderen Weg und versucht über die kompakten Kettenstreben ein möglichst natürliches Handling zu generieren, hat dafür aber auch im Uphill nicht die gleichem Uphill-Manieren wie etwas das letztjährig gefahrene und seeehr lange NICOLAI EBOXX.
Das soll keineswegs heißen, dass man mit dem PIVOT Shuttle nicht die steilsten Ansteige ganz locker hochkommt. Auch mit dem Shuttle wird man so manchen Anstieg hoch fahren, den man mit einem normalen Bio-Bike gar nicht erst versuchen würde, aber dann erfordert das Shuttle einfach wieder eine aktive Gewichtsverlagerung und Fahrweise. Was sich auf den ersten Blick ein wenig wie ein Nachteil anhört, weil man dadurch in eine ergonomisch vielleicht nicht optimale Fahrposition gezwungen wird, gleicht man dank der Kraftersparnis über den Antrieb aber locker wieder aus. Wie gesagt, derzeit ist dieses Frage für mich noch nicht gänzlich beantwortet … aber wenn es darum geht nicht nur im Uphill, sondern eben auch auf normalen Trails ein möglichst natürliches Handling zu bekommen, dann hat das PIVOT Shuttle ganz klar die Nase vorne. Noch nie vorher bin ich ein E-Bike so intuitiv auch über heikle Drops mit geringer Geschwindigkeit gefahren, wie das Shuttle.
Apropos Drops und Springen: Ich bin mir nicht sicher ob es allein an der Beschleunigung durch die höhere Masse liegt, oder auch etwas mit dem Federungs-Setup des Shuttle zu tun hat, aber auf mehreren meiner üblichen Sprünge, die ich vorher schon hunderte Male gefahren bin, springe ich mit dem Shuttle deutlich weiter als sonst. Gott sei dank machen die sehr gut abgestimmten FOX Factory Federelemente das klaglos mit. Und auch hier gilt, dass das Shuttle so gutmütig und intuitiv zu fahren ist, wie ich es bisher von noch keinem E-MTB erlebt habe.
Nachdem es für mich das erste Mal ist, dass ich den SHIMANO STEPS 8000 Antrieb länger und über meinen gewohnten Trails fahren darf, war ich natürlich besonders gespannt, wie es denn um seine Elastizität beim Losfahren und seine Kraftentfaltung auf dem Trail bestellt ist. Außer dem leichten Surren, das mich immer an die Tatsache erinnert, dass ich ein E-Bike fahre, habe ich auch hier keinerlei echte Kritik. Der dementsprechend benannte TRAIL-Modus liefert eine stets optimal nutzbare Unterstützung und Sensibilität, die auch auf rutschigen Wurzeln für ein natürliches Fahren sorgt, ohne einen dabei zum Passagier zu degradieren. Das Anfahren am Hang (vorausgesetzt der Gang stimmt) funktioniert dabei genauso problemlos, wie kleinere Trial-Einlagen über Wurzeln oder Baumstämme. Der BOOST-Modus ist, genau wie der Name es sagt deutlich durchzugstärker, schiebt in sensiblen Situationen auch noch ein wenig nach, bleibt aber generell auf dem Trail noch gut nutzbar (er saugt aber auch sehr kräftig am Akku ;-)). Den ECO-Modus habe ich auf meinen Trails bisher als etwas zu schwach erlebt. Gefühlt kompensiert er auf normalen Anstiegen gerade Mal das höhere Gewicht, zeigt sich aber gerade in steilen Uphills mitunter auch als einfach zu wenig. Wegen der hervorragenden Abstimmung bin ich daher bisher bei weitem die meiste Zeit im TRAIL Modus unterwegs gewesen. Was die Kapazität und Reichweite des 500 WH Akkus angeht, schaffe ich es bei dem ständig wechselnden Gefälle meiner üblichen Testtrails und mit meiner Fahrweise in ca. 2 h den Energievorrat aufzubrauchen. Weil ich in der Zeit aber vor allem bergauf deutlich schneller unterwegs bin, sind die in der Zeit zurückgelegten Strecke aber natürlich viel mehr. Durchschnittlich komme ich auf ca. 50 Trailkilometer mit einer Ladung.
Ein Aspekt der mich bisher ziemlich an dem E-MTB nervt, ist die Abschaltung des Antriebs bei 25 km/h. Gerade auf Trainingsfahrten mit hohem Forstrassenanteil und weniger Anstiegen verbrauche ich so zwar nur sehr wenig Energie aus dem Akku, fahre aber auch sehr viel einen schweren Antrieb mit mir herum, der nur in den Anstiegen wirklich etwas zu tun bekommt. Gerade wenn man viel mit Geschwindigkeiten um 25 km/h unterwegs ist, ist das ständige Zu- und Abschalten des Antriebs wirklich nervtötend. Auf solche Ausfahrten sehe ich mich immer wieder vor der Wahl zwischen hoher Trainingsintensität indem ich versuche konstant über 25 km/h zu bleiben, knapp unter 25 km/h einfach nur so „dahin zu cruisen“, oder eben gleich den Antrieb abzuschalten. Für die Ebene oder Trails mit wenig Höhenunterschied ist für mich persönlich ein E-Bike als Sportgerät deswegen keine echte Option – um Höhenmeter zu sammeln und steile Trails aneinander zu reihen, ist ein E-MTB wie das PIVOT Shuttle dagegen ein echter Spaßgarant.
Ich möchte allerdings auch nicht verschweigen, dass ich mittlerweile bereits auf dem zweiten Shuttle Testbike sitze, denn beim ersten Bike hat der SHIMANO Antrieb schon auf der 5. Ausfahrt aufgrund eines nicht näher bekannten internen Fehlers den Dienst quittiert, und war auch durch einen befreundeten Händler nicht wieder zu beleben. Sowohl für die Jungs von PIVOT, wie auch den befreundeten Händler mit dem ich versucht habe das Problem zu lösen, war es wohl das erste Mal, dass ein SHIMANO Antrieb derartige Probleme machte und dass der SHIMANO Antrieb normalerweise sehr zuverlässig ist. Gerade weil das PIVOT Shuttle so teuer ist und auch PIVOT keinen unbegrenzten Vorrat an Testbikes besitzt, rechne ich es PIVOT sehr hoch an, dass sie es innerhalb kürzester Zeit geschafft haben mir ein zweites Testbike zur Verfügung zu stellen. Danke Jungs. Der Kundenservice von PIVOT arbeitete bereits daran und hofft noch vor Abschluss des Tests in 1,5 bis 2 Wochen eine finale Aussage zur Fehlerquelle formulieren zu können. Wenn sie selber nichts finden, muss der Motor zurück an SHIMANO, die als Zulieferer, ihr Produkt am besten untersuchen können.
Doch zurück zum eigentlichen Praxistest: Nachdem das PIVOT Shuttle serienmäßig immer mit Plus-Bereifung kommt und wir aufgrund des verbauten Super Boost Plus Standards keine Möglichkeit hatten einen kompletten 29er LRS darauf zu verbauen, hab eich es mir trotzdem nicht nehmen lassen immer wieder mal ein 29er Vorderrad darauf zu schrauben und zu sehen wie es sich dann fährt. Während meine Wahl bei allen bisherigen Vergleichen zwischen 29er und Plus-Bereifung immer auf 29er Version gefallen war, war der Unterschied in diesem Fall für mich zwar weiterhin vorhanden – schließlich bin ich ein 29er Fan – aber nicht so deutlich, wie erwartet. Mir persönlich liegt die etwas definiertere und präzisere Lenkung der 29er Reifen einfach besser, aber ich komme auch sehr gut mit den 2,8er MAXXIS Reifen zurecht, die durch die breiten DT-Felgen sehr gut stabilisiert werden. Ohne den direkten Vergleich ist es natürlich eine Mutmaßung, aber ich denke, am E-Bike mit all seiner Vortriebskraft, machen Plusreifen am Heck vielleicht ohnehin mehr Sinn als 29er.
Was die übrige Ausstattung angeht, habe ich derzeit keinerlei Auffälligkeiten zu berichten. Es hat zwar wieder ein wenig gedauert, bis ich die Funktionen der verschiedenen Hebeln am Lenker verinnerlicht hatte – rechts die 11-Gänge, links ein Trigger für die Antriebs-Modi und ein Hebel für die Dropper-Stütze, aber ab da lief alles absolut problemlos. Die XT DI2 Schaltung ist in Kombination mit dem kraftvollen Antrieb ein wahrer Segen und schaltete absolut zuverlässig, die XT Bremsen hatten mit ihren großen Scheiben bisher immer genug Power und das PIVOT Cockpit passt mir wie angegossen. Die PIVOT Griffe mit dem Padlock System sind mit und ohne Handschuhe sehr angenehm zu greifen. Einzig der mir zu stark gepolsterte WTB Vigo Sattel mag mir auf längeren Fahrten nicht so gut passen.
Für die nächste Phase des Tests durfte das PIVOT Shuttle bereits mit mir an den Gardasee reisen, wo es sich einerseits auf längeren Touren mit vielen Höhenmetern (PIVOT hat uns dafür freundlicherweise eine zweiten Akku zur Verfügung gestellt) bewähren muss, wo es aber auch mit dem bekanntermaßen verblockten und steilen Terrain eine Härteprüfung der ganz anderen Art erleben wird. Eine Optimierung, die ich bereits jetzt dafür gemacht habe, ist den VITTORIA AirLiner in die für derartiges Gelände etwas zu empfindlichen MAXXIS EXO 3C Reifen zu ziehen. Ich bin ehrlich gespannt wie sich das PIVOT Shuttle am Lago schlagen wird und freu mich schon auf die langen, steilen Auffahrten dort.
RIDE ON,
c_g
Ps: Nachdem ein Bike wie das Shuttle mit seinen ganzen zusätzlichen Funktionsaspekten so vielen Facetten hat, die ich hier in dem Test nicht alle behandeln kann, dürft ihr natürlich in den Kommentaren gerne auch spezifische Fragen stellen, die euch interessieren.