ROCKY MOUNTAIN Instinct Alloy 70 Powerplay – Testintro: von c_g
Letzte Woche stand mit der offiziellen Vorstellung der SRAM AXS Eagle und der dazugehörigen ROCK SHOX Reverb AXS recht stark im Zeichen der Elektrifizierung. Auch diese Woche beginnt elektrisch, wenn es auch mit einem E-MTB … und zwar dem erst Ende 2018 vorgestellten ROCKY MOUNTAIN Instinct Alloy 70 Powerplay. Gerade jetzt in der Off-Season macht es Spaß auch mal wieder über den Tellerrand zu schauen.
Die Grundphilosophie hinter den ROCKY Powerplay Bikes ist es ja ein möglichst ähnliches Handling wie bei den unmotorisierten Bikes zu erreichen. Daher hat das Instinct E-MTB auch den gleichen Federweg (140 mm vorne wie hinten) und nahezu die gleiche Geometrie. Doch weil gerade das mit der gleichen Geometrie mit den üblichen Antrieben von BOSCH, SHIMANO und BROSE nur sehr schwierig zu realisieren ist, hat sich ROCKY für seine E-MTBs mit den ebenfalls kanadischen Unternehmen Propulsion Powercycle zusammengetan und das eigene und aktuell nur bei ROCKY verbaute Powerplay 3.0 Antriebssystem entwickelt.
Nur so ist es möglich alle Geometriewerte und auch die Kinematik genau so zu belassen, wie beim unmotorisierten Gegenstück. Bis auf eine einzige Ausnahme, nämlich der Kettenstrebenlänge, hat das Instinct Powerplay auch wirklich genau die gleichen Geometriewerte, wie das von mir bereits getestete und für sehr gut befundene Instinct Carbon 70 29er.
Sogar die RIDE-9 Geometrieverstellung ist am Instinct Powerplay wieder zu finden und erlaubt es die Winkel und das Tretlager in feinen Schritten anzupassen. Ganz konkret bedeutet das einen Lenkwinkel, zwischen 66° und 67°, einen Sitzwinkel von 74,6° bis 75,6° und eine Tretlagerabsenkung zwischen 36,5 und 22,5 mm. Auf der Webseite zum Instinct Powerplay kann man die einzelnen Einstellungen und ihre respektiven Geometriewerte sehr einfach einsehen – unten abgebildet ist die Geometrietabelle in der mittleren Neutralposition:
Wie schon gesagt, weicht das Instinct Powerplay vom normalen Instinct nur in der Kettenstrebenlänge ab, die mit 442 mm um genau 7 mm länger ausfällt. Dies wurde gemacht damit das Bike die bei E-MTB üblichen steileren Anstiege noch ein wenig gelassener erklettert und hier nicht ganz so aktive gefahren werden muss, wie etwa das Altitude Powerplay (hier im Kurztest), dessen Geo in jedem Wert genau dem des unmotorisierten Altitude entspricht und gerade bergauf schon sehr aktiv gefahren werden will. Als Fahrer mit 1,83 cm Körpergröße und einer Vorliebe für längere Rahmen habe ich mich, wie auch schon beim Altitude Powerplay für die Rahmengröße XL entschieden, die mir mit einem effektiven Oberrohr von 654 mm und einem Reach von 487 mm gut passt.
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ANTRIEB & AKKU
Mit einem FORM Alu-Rahmen, der in den allermeisten Bereichen dem Instinct Alloy entspricht, können wir gleich auf den Hauptunterschied – den Motor und die Energieversorgung zu sprechen kommen.
Wie gesagt, ist der Powerplay 3.0 ein komplett eigenständiges Antriebssystem und hat so einige Aspekte, wie sie bei anderen Antrieben nicht zu finden sind. Ein wichtiger Punkt ist, dass Tretlager und die Kurbel nicht fester Betsnadteil des Antriebs sind, sondern (fast) ganz normale MTB-Garnituren eine einem normalen PF92 Tretlagergerhäuse. Deswegen kann man hier das Tretlager und die Kurbel genau wie bei einem normalen MTB auch jederzeit austauschen – und zwar ohne, dass man dafür in den Antrieb eingreift. Einzige Voraussetzung ist, dass die Kurbel über eine CINCH-Aufnahme verfügt, denn nur so kann man die spezielle mit einem Freilauf versehene Spider darauf montieren.
Die Drehmomentmessung und damit die Antriebssteuerung erfolgt beim Powerplay nicht über das Drehmoment in der Achse, sondern über einen Messhebel. Diese erkennt man sehr schön, wenn man die rechte Kunststoffabdeckung des Bikes abschraubt. Man sieht wie die Kette durch zwei Führungsrollen oben und unten unabhängig vom Gang immer in der gleichen Spur geführt wird. Dazwischen befindet sich, der Kurbel vorgeschaltet, der Messhebel, der über eine Feder gespannt auf die Kette drückt. Je nachdem wie stark der Fahrer die Kette aus eigener Kraft spannt, drückt er damit auf den Arm und steuert so die unterstützende Antriebsleistung. Die smarte Elektronik und Software tut ihr übriges, damit der Antrieb sehr sensibel angesteuert wird, kaum nachschiebt und doch schnell auf jeden Tretimpus reagiert. Genau dieses ausgesprochen natürliche Fahrgefühl ist es, das mich schon bei meiner kurzen Runde mit dem Altitude Powerplay so begeistert hat und es auch hier vom ersten Antritt an wieder tut … keine Frage, E-Bike Antriebe sind in den letzten Jahren einen weiten Weg gekommen und der Antrieb des Powerplay gehört in Sachen Fahrgefühl zu den besten.
Die Geschwindigkeitsmessung, mit der der Antrieb ab 25 km/h abgeschaltete wird, erfolgt auch hier magnetisch. Der Messfühler liegt gut versteckt hinter dem linken Ausfallende, der rotierende Magnet ist einfach mit der Bremsscheibe ans Laufrad geschraubt.
Auch beim Instinct Powerplay hält ROCKY wieder daran fest, dass der Akku bei allen ROCKY fest ins Unterrohr integriert ist – ein Tausch und Wechsel ist zwar grundsätzlich möglich (z.B. wenn die Lebensdauer nach >> 500 Ladungen es erforderlich macht ist), ist aber sehr aufwendig und kann nur vom Händler durchgeführt werden. Das heißt, man hat genau die Kapazität zur Verfügung, die in dem verbauten Akku vorhanden ist – derzeit 500 Wh beim Instinct 50 und 632 Wh bei unserem Instinct 70 Testbike – nicht mehr und nicht weniger. Die Möglichkeit einen Ersatzakku für besonders lange Tage mitzunehmen gibt es mit den Powerplay Bikes schlichtweg nicht. Wer mehr Kapazität braucht, muss entweder unterwegs laden oder ein anderes Bike kaufen. Wie man über diese Tatsache des festen Akkus denkt, muss wohl jeder selbst entscheiden – mit 632 Wh kommt man ganz sicher schon recht weit und optisch ist der integrierte Akkus ganz sicher auch eine tolle Lösung …. grundsätzlich fände ich die Option eines Akkuwechsls unterwegs aber schon positiv, etwa so wie es beim PIVOT Shuttle gelöst ist.
Beim Thema Aufladen gehört der Powerplay Antrieb mit seinem speziellen 48-Volt-System aber sicher zu den derzeit schnellsten Systemen mit den kürzesten Ladezeiten aller E-Bikes. Von 0 auf 80% schafft der Akku in rekordverdächtigen 2 h, um den verbleibenden Teil bis 100% aufzufüllen benötigt das Ladegerät weitere 2 h. Um davon auch unterwegs zu profitieren, muss man allerdings das doch recht schwere Ladegerät mitnehmen und eine gut erreichbare Steckdose zur Verfügung haben, weil der Akku ja direkt am Bike geladen werden muss. Der mehrpolige Anschluss befindet sich direkt über dem Motor und ist mit einer sauber schließenden Kappe gut geschützt.
Auch bei der Bedieneinheit geht ROCKY eigene Wege. Statt Informationsflut, begnügt man sich beim neuen iWoc TrioSchalter aufs Allernötigste. Auf ein Dsiplay wird komplett verzichtet.Über den schlanken Controller mit drei Tasten wählt man eine der drei Unterstützungsstufen (Eco, Trail und „Ludicrous“), schaltet das System an und aus, und kann die Schiebefunktion aktivieren. Mehr nicht.
Zwei winzige LEDs, die sich zwischen den Knöpfen befinden informieren über ihre Farbe über den Akkustand (weiß: 100 – 75%, grün: 75 – 50%, gelb: 50 – 25%, permanent rot: 25 – 10%, rot blinkend: 10 – 5% und schnell rot blinkend: < 5%.). Die Kommunikation zwischen der iWoc Bedieneinheit und dem Antrieb erfolgt über eine unter dem Vorbau montierte Schnittstelle (Bild oben rechts – die dort sichtbare Steckverbindung ist normalerweise im Rahmen versteckt).
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Ebikemotion App
Wer sich zusätzliche Infos (z.B. die gefahrenen Kilometer, Fahrzeit, die Geschwindigkeiten, den Kalorienverbrauch, die eigene Leistung, das Gefälle und viele andere Aspekte) sehen will, kann sich das über die kostenlose Ebikemotion App auf seinem Smartphone darstellen lassen. Mit einer passenden Lenker- oder Vorbauhalterung hat man so alle Funktionen, inklusive Navigation direkt auf dem Display. Wer das nicht braucht findet in Powerplay das wohl unauffälligste System unter allen E-Bike Antrieben. Ich mag die Tatsache, dass man nicht ständig mit Informationen versorgt wird – selbst wenn sie nur nebenbei angezeigt werden, denn mich persönlich lenken solche Dinge immer stark vom eigentlichen Erlebnis ab. Mir als Tester sehen leider nicht alle Funktionen der App zur Verfügung, aber als registrierte Besitzer eines ROCKY Powerplay kann man natürlich die volle Funktionalität nutzen und sich sogar kostenlos hochwertiges und umfangreiches Kartenwerk zur Navigation runterladen und es in der App nutzen.
Eine Funktion der Ebikemotion App erscheint mir dabei aber besonders erwähnenswert und ist meiner Wissen nach nur hier zu finden: Während die Unterstützung bei den anderen Antrieben vom Hersteller festgelegt ist, kann der Fahrer hier über die Funktion „Hilfsmotor-Karte“ (Bild oben rechts) in den Einstellungen per Schieberegler prozentgenau für jede Stufe festlegen, wie stark die drei Antriebsstufen den Fahrer unterstützen. Für manche mag das eine Spielerei sein, aber ich sehe darin die Möglichkeit sowohl das Fahrgefühl, wie auch die Reichweite zu optimieren denn bei den meisten Antrieben fand ich gerade die stärkste Stufe bisher immer viel zu dominant und habe sie deswegen kaum je auf dem Trail genutzt. Natürlich hängt es von der Grundauslegung des Antriebs ab, ob mir vielleicht sich schon die Standardabstufungen passen, aber hier habe ich erstmals die Möglichkeit den Antrieb wirklich auf meine Anforderungen anzupassen und das finde ich sehr interessant und vielversprechend. Mal sehen was die Fahrpraxis diesbezüglich aufzeigt …
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AUSSTATTUNG
Bei der Ausstattung findet man am Instinct Powerplay eine interessante und wohldurchdachte Mischung aus E_Bike spezifischen und normalen MTB Komponenten. Die Federelemente stammen von FOX und aus der Performance-Serie – vorne eine E-Bike spezifische – sprich verstärkte und steifere – FOX Float 34 Performance mit 140 mm Federweg mit GRIP Dämpfung und hinten ein Float DPS EVOL Performance. Die Dropper Stütze ist ebenfalls von FOX – eine Transfer Performance mit 150 mm.
Die Schaltung und alle nichts speziellen Antriebskomponenten stammen aus der SRAM GX Eagle kombiniert mit einer NX Eagle Kassette (11-50 Zähne) und einer NX Eagle Kette. Nur beim Shifter hat man sich für die GX–1E Version entschieden mit der in beide Richtungen je Klick nur immer ein Gang geschaltete werden kann. Damit sollen Fehlschaltungen unter maximalem Drehmoment vermieden werden und so die Ritzel und Kette geschont werden. Die Bremsen kommen ebenfalls von SRAM in Form der Guide RE, was letztlich bedeutete, dass man Code Bremssättel der früheren Generation mit aktuellen Guide Griffen kombiniert hat. Die Griffe verfügen über eine werkzeuglose Griffweitenverstellung. Bei den Scheiben geht man auf Nummer sicher und verbaut vorne wie hinten 200 mm Rotoren.
Die Laufräder sind eine Kombination aus ROCKY Boost Vordernabe und DT-SWISS 370 HR-Nabe, mit robusten 2,3-1,8-2,0 Speichen und RACE FACE AR30 Felgen (30 mm Innenweite). Bei den Reifen nutzt man den sehr gut rollenden MAXXIS Redon EXO im 29 x 2,6“ Format. Auf eine besondere Pannenschutz-Einlage wird verzichtet.
Das Cockpit stammt von ROCKY MOUNTAIN selbst und besteht aus einem 780 mm breiten Riserbar und einem 40 mm Vorbau mit 35 mm Klemmung.
Zugunsten der Tourentuaglickeit und für alle, die nicht so gerne mit Trinkrucksack unterwegs sind, hat ROCKY an meinem Testbike noch eine spezielle Doppelflaschenhalterung angebracht, die man als Zubehör ebenfalls kaufen kann.
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MODELLE, PREISE & GEWICHTE
Insgesamt wiegt mein Instinct Powerplay Alloy 70 Testbike in Rahmengröße XL damit konkurrenzfähige, wenn auch nicht besonders leichte 23,8 kg. Der empfohlenen VK liegt bei geraden 6000.- Euro.
Der Unterschied zum Instinct Powerplay 50 für genau 1000.- Euro weniger liegt neben dem Akku (dort die 500 Wh Version) nur in einem etwas einfacheren Antrieb (dort eine SUNRACE 11-46 Kassette) und etwas einfacheren Laufrädern und Bremsen. Statt wie üblich in zwei Farbvarianten, gibt es das Instinct Powerplay nur in einer Farbe: dezent schwarz mit roten Akzenten.
Nachdem ich das ROCKY E-MTB voraussichtlich nur für 2-3 Wochen zum test haben werde, muss ich mich ein wenig beeilen – ihr könnt also schon sehr bald mit meinen ersten Praxiseindrücken rechnen … auch wenn der derzeit ständige Wechsel von Schnee und Tauwetter das testen nicht unbedingt leichter macht.
RIDE ON,
c_g
Seriöse Batteriehersteller empfehlen, den Akku bei plus/minus Zimmertemperatur zu lagern und aufzuladen.
Zitat Thomas Raica (Bosch): Generell gilt: Kälte reduziert die Leistungsfähigkeit des Akkus. Im Winterbetrieb bei Temperaturen unter null Grad ist es daher ratsam, den bei Raumtemperatur geladenen und gelagerten Akku erst kurz vor Fahrtantritt in das eBike einzusetzen. Ist das eBike längere Zeit nicht in Gebrauch, wie beispielsweise im Winter, sollte der Akku trocken, kühl und mit 30 bis 60 Prozent der Ladekapazität gelagert werden.
Zitat Rocky Mountain
Warnung
Werden die Anweisungen in diesem Abschnitt nicht befolgt, kann dies zu
Schäden an elektrischen Teilen des Fahrrades und zum Verlust der Garantie
führen.
Sollte der Akku kalt sein, warten Sie eine Stunde um den Akku auf
Raumtemperatur aufzuwärmen bevor Sie Ihn laden.
Es bleibt abzuwarten, wie sich Hersteller bei frühzeitigem Akkuschaden verhalten. Garantieverlust wird ja von Rocky schon angedroht.