LEATT DBX 3.0 Enduro Vario-Helm – Testintro: von MiMü
Jeder Trailbiker kennt das folgende Dilemma: Im schweißtreibenden Uphill wünscht man sich einen leichten, gut belüfteten Helm, und bergab freut man sich über den Rundum-Schutz, die Sicherheit und den wackelfreien Sitze eines Vollvisierhelms. Seit geraumer Zeit wächst der Markt der sogenannten „Convertible MTB Full Face Helmets“, oder zu deutsch einfach Vario-Helme stetig an.
Diese Helmkategorie möchte durch ihre abnehmbare Kinnpartie die Vorteile eines offenen Helms mit denen eines Fullface- -Helms kombinieren. Den absoluten Vorreiter dieser Kategorie, den BELL Super 2R MIPS hatte c_g bereits 2015 im Langzeittest – und war begeistert von den breitbandigen Einsatzmöglichkeiten des US-Helms. In 2017 hatten wir den GIRO Switchblade MIPS im Test, und zuletzt konnte c_g sich von den Qualitäten des neuesten BELL Vario-Helms, dem Super DH überzeugen. Nun folgt mit dem DBX 3.0 Enduro ein weiterer interessanter Vertreter der Vario-Helm-Fraktion von einer hierzulande noch wenig bekannten Marke LEATT.
Das optisch auffälligste und wichtigste Sicherheitsfeature am DBX 3.0 sind wohl die blauen 360° Turbines. Diese zehn strategisch im Helm platzierten Stoßdämpfer sollen Kopf und Gehirn bei einem Aufprall noch effektiver vor den so schädlichen Rotations- und Aufprallkräften schützen als MIPS und Co.. Hergestellt sind sie aus Armourgel, einem Hightech-Polymer, das im Normalfall weich und flexibel ist. Bei schnellen, harten Schlägen, wie etwa dem Aufprall am Boden bei einem Sturz, verhärtet es sich schlagartig, absorbiert die Energiespitzen und minimiert so die Verletzungsgefahr. Auch Schlagabfolgen stellen für das Material kein Problem dar, weil es immer wieder in seine weiche Ursprungsform zurückkehrt, anders als die EPS-Schalen. Durch ihre einem Wagenrad nachempfundene Formgebung können sich die LEATT 360° Turbines in jegliche Bewegungsrichtung verformen, wodurch auch das Verletzungsrisiko bei Rotationsbewegungen (wenn sich der Helm etwa seitlich verdreht) deutlich minimiert werden soll.
LEATT verspricht sich durch seine Turbines 30% geringer Stoßkräfte, und somit eine deutlich verringerte Gefahr einer Gehirnerschütterung, sowie 40% weniger übertragene Rotationsenergie auf Kopf und Gehirn. Wer sich näher mit dem Thema 360° Turbines beschäftigen möchte: auf der LEATT-Homepage findet ihr einen sehr interessanten wissenschaftlichen Artikel über Funktion und Effektivität dieser Sicherheitstechnologie. Downloaden könnt ihr ihn hier. Bedingt durch die zehn im Helm platzierten Turbines muss auch die Polsterung angepasst werden. Nimmt man sie aus dem Helm heraus wirkt es wie ein Stück schweizer Käse, so viele Löcher weist es auf. Das Polstermaterial selbst greift sich angenehm weich an, verfügt über geruchshemmende und schweißabsorbierende Eigenschaften, ist zudem atmungsaktiv und in der Maschine waschbar. Einen zweiten Satz Helmpolster liefert LEATT jeden Falls gleich mit.
Beim Aufbau der Helmschale geht LEATT den von vielen anderen Helmen bekannten Weg einer InMould-Konstruktion mit einmaliger EPS-Innenschale. Die Helmschale ist sowohl im Nacken als auch bei den Ohren weit hinunter gezogen.
Insgesamt 18 verschieden große Belüftungsöffnungen in der oberen Halbschale und 5 am Kinnbügel sollen für einen kühlen Kopf sorgen, wobei sich lediglich zwei für die Entlüftung am Hinterkopf verantwortlich zeichnen. Ob das bei einem Hitzkopf wie mir ausreicht, werden wir im Testvelauf sehen.
Das lange, fast schlank wirkende Visier läßt sich stufenlos in seiner Neigung verstellen, durch die drei griffigen Rändelschrauben (zwei seitlich und eines auf der Stirn) kann man es schnell und effektiv in der gewünschten Position arretieren. Im Falle eines Sturzes verfügt das Visier über eine Breakaway-Funktion in Form von Sollbruchstellen an den Schrauben über um das Risiko einer Halswirbelsäulenverletzung weiter zu minimieren. Zwei große Einkerbungen am hinteren Teil des Visiers sind genau über den darunter liegenden Belüftungsöffnungen des Helms platziert um kühle Fahrtluft so ungehindert einströmen zu lassen. Im hochgeklappten Zustand findet unterhalb des Visiers leicht eine Goggle-Brille Platz.
Das Gutsystem des DBX 3.0 Enduro ist auf Höhe der Schläfen fix mit der Helmschale vernietet, die Anpassung erfolgt mittels zweier Einsteller unterhalb der Ohren und am Kinnverschluß. Der wiederum ist mit einem einhändig bedienbaren, magnetischen Fidlock-Mechanismus ausgestattet.
Die Anpassung des Kopfumfangs geschieht mit Hilfe eines griffigen gummierten Verstellrades im Nackenbereich, das noch dazu über eine feine Rasterung verfügt. Eine dreistufige Höhenverstellung des Gutsystems im Heck komplettiert die individuellen Anpassungsmöglichkeiten.
Der abnehmbare Kinnbügel verfügt über fünf große Belüftungsöffnungen, beim vordersten ist zusätzlich noch ein Insektenschutzgitter angebracht. Zwei große Wangenpolster sorgen für einen ordentlichen Sitz des Bügels. Zudem sind kleinere Wechselpolster im Lieferumfang enthalten.
Links innenseitig hat LEATT sogar an eine Halterung für einen Trinkschlauch gedacht (Bild oben rechts). Jeweils zwei Führungszapfen pro Seite erleichtern das Einfädeln des Kinnbügels in die schlitzartigen Öffnungen des Helmes und geben der Verbindung zusätzliche Stabilität. Der Bügel wird von schräg unten mit dem Helm verbunden, was sich für mich anfangs etwas ungewohnt anfühlt, aber dazu mehr in den Praxiseindrücken später. Zwei seitlich angebrachte Metallschnallen fixieren den Kinnbügel, oder „Chinbar“ dann am Helm. Die Haken werden am Helm eingehängt und dann durch Umklappen eines griffigen, stabilen Hebels arretiert – ein deutlich zu vernehmendes „Klack“ zeugt vom korrekten Einrasten. Beide Bauteile sind zudem uneingeschränkt downhill-geeignet, wurden nach den gängigen Normen EN1078 und CPSC1203 getestet und freigegeben.
Modelle: Unser Testobjekt mit der Farbbezeichnung „brushed“ wurde in Größe M (55-59cm) geliefert. Daneben wird der DBX 3.0 Enduro noch in S (51-55cm) sowie L (59-63cm) angeboten. LEATT deckt damit einen ziemlichen großen Bereich an Kopfumfängen ab. Weitere Farboptionen für die Saison 2019 sind „black/white“ und für die mutigeren unter euch „ruby“ (zwei unterschiedliche Rottöne) bzw. „ink“ (hellblau/blau).
Mit nachgewogenen 406 g für die Helmschale und 354 g für den Kinnbügel liegt unser Testhelm etwa über der Herstellerangabe von 750 g, braucht sich aber vor der direkten Konkurrenz BELL Super 3R MIPS (750 g komplett) bzw. dem etwas robusteren GIRO Switchblade (975 g) nicht zu verstecken. Als UVP für den DBX 3.0 Enduro gibt LEATT 258,95.- Euro an. Ein vergleichbarer BELL Super 3R MIPS wechselt etwa für 249,99.- € den Besitzer, der ebenfalls erwähnte GIRO Switchblade MIPS kommt dagegen auf satte 299,99.- €. Es lohnt sich aber intensiver im Internet zu recherchieren, die tatsächlichen Strassenpreise variieren nämlich auch hier deutlich.
Ein Convertible Helm ist sicher für viele von uns die perfekte Kombination aus zwei Helm-Welten sein und ich freue mich darauf den LEATT DBX 3.0 Enduro ausgiebig zu testen. Auch wen die Funktion der 360° Turbines am DBX 3.0 Enduro wissenschaftlich erforscht und belegt ist, möchte ich deren Effektivität aber trotzdem nicht unter realen Bedingungen testen müssen. Eine (hoffentlich) sturzfreie Testdauer sollte aber genügen, um die Themen Belüftung, Passform oder Ergonomie beurteilen zu können. Ich bin schon gespannt wie sich der DBX 3.0 Enduro dabei schlagen wird.
MiMü
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Ps: Wer sich vom DBX 3.0 Enduro und seinen Features jetzt angesprochen fühlt, aber auf den Kinnbügel verzichten möchte, dem bietet LEATT das Modell DBX 3.0 Allmountain an. Im Grunde genommen ist es der gleiche Helm wie die Enduro-Variante, nur eben ohne den Chinbar und ohne Option diesen später nachzurüsten. Auch den Allmountain gibt es in drei Größen und den identischen Farben wie den DBX 3.0 Enduro. Preislich liegt er bei einem UVP von 179.- €.
Kleine Korrektur, Ich würde mal sagen der absolute Vorreiter ist der Troy Lee Edge von 1991!
Hallo Stefan,
Da bist du aber ganz weit ins Archiv zurück gegangen ?.
Danke jedenfalls für den Hinweis, die Google-Bildersuche hat mir ein paar schöne Helm-Impressionen „von früher“ beschert.