YETI SB4.5 (X01 Turquoise Serie) – Testfazit: von c_g

Kaum zu glauben, aber seit meinen ersten Eindrücken ist schon wieder ein voller Monat vergangen! Ein Monat geprägt vom letzten kurzen Wintereinbruch, einem Kurztrip an den Gardasee und gegen Testende endlich auch der lang ersehnte Frühling. Damit war der zweite Teil des Tests eine nahezu ideale Ergänzung zu den Beobachtungen der ersten Testphase.

Das YETI SB4.5 vor der dem gebirgigen Hintergrund des westlichen Gardasees.

Wer sich meine ersten Eindrücke aufmerksam durchgelesen hat, wird sich erinnern, wie ich das SB4.5 als unauffälliges und in allen Aspekten ausgereiftes Trailbike mit einem außergewöhnlichen Vortrieb beschrieben habe.
Diesen Grundcharak-ter des Bikes konnte ich auch in der zweiten Testphase immer wieder beobachten und bestätigen. Das Ding ist ein echt vielseitiges Bike! Während hierzulande die Trails nur zögerlich angefangen haben abzutrocken, hatte ich die Gelegenheit, das YETI auch auf einer Tour am schottrig-felsigen Lago zu fahren. Auch dort ist mir positiv aufgefallen, wie das SB4.5 einen einfach dazu herausfordert Höhenmeter zu sammeln, wie es vollkommen unbeeindruckt auch steile Anstiege hochklettert und rundum fast schon die Effizienz eines XC-Bikes vermittelt. Selbst der landschaftlich wunderschöne, aber ansonsten eher öde Anstieg hoch zum Cima Mughera, hat mir mit dem Yeti einfach richtig Spaß gemacht. Alle Hochachtung.

Nicht viel anders hat es sich bei der Abfahrt verhalten, nur dass hier nicht die Effizienz, sondern ganz andere Fähigkeiten von Bedeutung sind. So war das SB4.5 auch auf den oft steilen und zum Teil felsigen Passagen bei der Abfahrt (fast immer) eine wahre Freude. Nur an richtig steilen Stufen und bei etwas forscherer Fahrweise war dann mitunter doch eine Grenze zu spüren. Allerdings war es nicht die Federung, die mir diese Grenze aufgezeigt hat, sondern das Handling, denn in solchen Situationen brauchte das Bike dann doch ein wenig mehr Fahrtechnik, eine ruhige Hand und eine saubere Gewichtsverlagerung. Für solch eine Gelände ist das Bike einfach nicht gemacht und der Lenkwinkel mit 67,4° doch eher ein wenig zu steil. Der simple Work-Around die Gabel einfach ein wenig härter aufzupumpen, brachte das allerdings schnell wieder unter Kontrolle. Hier war es auch, dass ich erstmals nicht mehr mit der für heutige Verhältnisse kurzhubigen Sattelstütze (125 mm) zurecht kam und die Dropper manuell noch weiter abgesenkt habe.

Mittlerweile sind auch die heimischen Trails wider ein Vergnügen.

Wieder zuhause konnte ich dann noch mal auf gewohnten Trails und bei wunderbar griffigen Bedingungen richtig Gas geben und erkunden wie weit man die Federung des SB4.5 fordern konnte und ein paar weitere Fragen abklären. Wie schon aus den vorausgegangenen Erfahrungen vermutet, lässt sich das Bike mit dem spartanisch anmutenden Federweg am Heck (114 mm) richtig weit treiben, ehe seine Federung an Grenzen kommt. Das Gefühl, dass das Heck progressiver arbeitete, als die 140 mm Gabel blieb weiterhin bestehen, war für mich aber nie Anlass zur Kritik. Egal wie grob das Gelände oder wie unsauber die Landung auch waren – auch mit 30% SAG am Hinterbau konnte ich keinen harten Durchschlag am Dämpfer provozieren. Irgendwie schafft es das SB4.5 am Heck im Vergleich zur Front zwar progressiver, aber nie unterdimensioniert zu wirken.

Hier das Yeti mit aggressiverer Bereifung. Auch dafür taugt das YETI SB4.5.

Um dieser Frage noch ein wenig tiefer nachzugehen, habe ich noch bei den Reifen ein wenig aufgerüstet. Indem ich den vorher vorne verbauten 2,4er Ardent auf das hintere Laufrad verpflanzt und vorne einen Magic Mary montiert habe, konnte ich auch gleich ausprobieren, wie es denn um die reale Reifenfreiheit bestellt ist, die YETI ja mit gerade mal 2.3“ angibt. Die Frage ob die  Reifenwahl der Serienausstattung aus 2.4“ vorne und 2.25“ hinten von vornherein beabsichtigt war um das Bike noch leichter und schneller zu machen oder lediglich ein Kompromiss wegen einer eingeschränkten Reifenfreiheit war, war mir seit Anfang des Tests im Kopf herumgeschwirrt.

Zu meiner Freude passte der 2.4“ Ardent auf der 25 mm Felge locker rein (Abbildung links). Damit war der seitliche Platz zu den Sitz- und Kettenstreben immer noch vollkommen unbedenklich. Alle Versuche den Reifen in der Konstellation zum Schleifen am Hinterbau zu bewegen, blieben erfolglos, weshalb ich das SB4.5 bedenkenlos für derartige Reifen freigeben würde. Allerdings hat sich in der Fahrpraxis gezeigt dass die Felgen mit 25 mm Innenweite doch grenzwertig schmal für einen 2.4″ Reifen sind – zumindest für die Belastungen am Heck. Um dem Reifen auch in aggressiv gefahrenen Kurven noch sauber zu stabilisieren, musste ich den tubeless aufgebauten Ardent doch mit recht hohen Drücken um fast 2.0 bar fahren. Mit dem 2.25er war mir das selbst bei 1,5 bar Luftdruck im Tubeless-Reifen nie aufgefallen. Wer ohnehin mit so hohen Drücken unterwegs ist oder mit Schlauch fährt dürfte diese Einschränkung kaum wahrnehmen.

Eine andere Frage die mich am SB4.5 noch beschäftigt hat, war ob die  125 mm Dropper-Stütze am YETI einfach nur einer nicht mehr ganz zeitgemäße Komponentenwahl  geschuldet war, oder ob es technische Gründe gab warum keine langlebigere Stütze verbaut war. Reicht die Einstecktiefe nicht für längere Stützen? Auch hierzu kann ich Entwarnung geben. Wie im Bild rechts zu sehen, lässt sich die verbaute FOX Transfer Dropper problemlos bis zum Anschlag in das Sitzrohr einfahren, was einer Einstecktiefe von ca. 24 cm entspricht. Ein weiterer Versuch mit einer starren Stütze ergab, dass die maximale Einstecktief sogar jenseits von 30 cm liegt. Technische Gründe sind es also keine, warum unser SB4.5 mit einer 125 mm Dropper zum Test angetreten ist. Fairerweise muss ich sagen, dass mir der zur Verfügung stehende Hub  in 90% der Fahrsituationen vollkommen ausgereicht hat, aber hin und wieder gab es doch Momente, in denen ich mir mehr Bewegungsfreiheit per Knopfdruck gewünscht hätte. Warum YETI diese nicht von vornherein spezifiziert hat? Wir haben nachgefragt und werden die Antwort hier nachtragen, wenn wir sie bekommen. (Update: Hier die Antwort: „Bis zur Vorstellung des SB100, vor kurzem (hier), war das SB4.5 das einzige „Short-Travel-Bike“ im Sortiment. Es wurde deswegen von sehr vielen Fahrern auch im XC-Sport, für Langstrecke und für leichtere Trails eingesetzt. Mit unserer Komponentenwahl versuchen wir das SB4.5 einerseits möglichst vielseitig zu machen, tendieren aber genau deswegen ein wenig mehr in die XC-Richtung. Jeder YETI-Händler wird aber sicher auf spezielle Wünsche des Kunden eingehen.„)
Nachdem damit alle potentiellen Kritikpunkte am Rahmen ausgeräumt waren, bleibt nur noch ein, für manche aber gravierender Kritikpunkt, den das SB4.5 ertragen muss: Im Rahmendreieck findet keine Wasserflasche Platz. YETI hat zwar zwei Gewindeösen unter dem Unterrohr dafür vorgesehen, aber wie wir alle wissen, ist das wirklich nur eine Notlösung. Mich selber als eingeschworenen Trinkrucksack-Fahrer, hat das nie gestört, aber es wäre falsch, das hier nicht anzusprechen.

   

Eine  interessante und bemerkenswerte Eigenschaft der Switch Infinity Link Kinematik, ist wie gut das System am YETI SB4.5 den Spagat aus Effizienz und Komfort schafft – und das über einen recht breiten SAG-Bereich. In dem Test bin ich das SB4.5 mit einem effektiven SAG von 20 % bis über 30 % gefahren und war verblüfft wie gutmütig die Fahrperformance bis in die Exterme hinein geblieben ist. Während manche Bikes diesbezüglich sehr empfindlich sind und schon mit wenigen Prozent Abweichung umkomfortabel oder wippanfällig werden, ergeben die Kinematik und Dämpferabstimmung am SB4.5 eine diesbezüglich beachtliche Gutmütigkeit. Ich denke das SAG-Optimum, bei dem Komfort und Effizienz ideal ausbalanciert sind, liegt auch beim SB4.5 um 25 %, aber auch mit 5% mehr oder weniger, behält das Bike seinen Grundcharakter bei. Wer es etwas straffer mag, kann getrost auch auf 20%, vielleicht sogar ein wenig darunter gehen und wer ein maximal aktives und komfortbetontes Fahrwerk bevorzugt, findet auch bei und über 30% SAG nicht nur Komfort, sondern auch noch eine ordentliche Effizienz und einen adäquaten Durchschlagschutz.

Dem YETI SB4.5 kann man auch in gröberen Wurzeln noch so richtig die Sporen geben.

Während ich am Rahmen keinerlei Kritikpunkte finden konnte – und glaubt mir, ich habe wirklich danach gesucht – hier noch ein paar Worte zur Ausstattung des Testbikes. Auf den Kritikpunkte der aus meiner Sicht zu kurzhubigen Dropper-Stütze (insbesondere für einen Rahmen der Größe Large) bin ich ja schon oben eingegangen. Ansonsten hat die FOX Transfer Performance erstklassig funktioniert und blieb ohne Auffälligkeiten. Die gut abgestimmten FOX Factory Federelemente haben, wie oben erwähnt, ebenfalls einen Top-Performance abgelegt. Die SRAM Guide RSC ist definitiv eine sehr gute Wahl für eine Bremsanlage an einem Trailbike. Allerdings hätte ich mir hier doch etwas größeren Scheiben gewünscht. Die  180 mm vorne und 160 mm hinten war für meine heimischen Trails vollkommen ausreichend und erforderte nur ein wenig mehr Fingerkraft, aber für schwere Fahrer, alpine Touren oder technischere Trails sind beide dann doch etwas unterdimensioniert, wie mir am Lago schnell klar wurde.

Ich persönlich hätte mir am SB4.5 etwas breitere Felgen gewünscht. Vor allem für Fahrer wie ich, die gerne mit breiten Reifen und niedrigen Drücken unterwegs sind, wäre das durchaus sinnvoll ohne der Performance wirklich zu schaden.  Mit den serienmäßigen 25 mm Felgen funktioniert die spezifizierte Reifenkombi hervorragend, aber allein schon der Wechsel des 2,4″ Ardent aufs Heck war zu viel des guten für die Felgen. Andrerseits kann ich die, wie bei YETI typisch Custom-konfigurierten Laufräder auch loben, denn sie sind nicht nur ordentlich leicht, sondern auch noch richtig gut gebaut und damit sehr robust. Egal, was ich ihnen angetan habe, sie bleiben bis zum Ende des Tests ohne Seiten- bzw. Höhenschlag und die Speichen sind weiterhin gleichmäßig gut gespannt. Über die Reifenwahl, kann man ja bekanntlich viel streiten und der MAXXIS Ardent gehört nicht unbedingt zu meinen Lieblingsreifen für meine Trails, er ist aber durchaus eine sinnvolle Wahl für ein Bike wie das YETI SB4.5.  Das Cockpit aus RACE FACE Lenker und Vorbau mit ERGON Griffen hat perfekt gepasst. Bis zum Ende des Tests habe ich zwar ein wenig mit der Vorbauhöhe gespielt, was mit dem sehr kurzen Oberrohr und großzügig abeglängten Gabelschaft sehr einfach leicht geht, hatte aber nie mit dem Gedanken gespielt hier einen längeren oder kürzeren Vorbau auszuprobieren .. und das kommt wirklich selten vor.

Während ich sonst noch nie etwas an einem SRAM Eagle 1-12 Antrieb auszusetzen gehabt hatte, hat die Mischung aus X01 Eagle und GX Eagle an meinem Testbike nie ganz perfekt funktioniert, wie ich es von der Eagle wohnt war. Ich habe es bis zum Ende des Tests nie geschafft die Schaltung so einzustellen, dass sich wirklich alle Gänge gleichermaßen präzise und sauber schalten ließen. Den Grund dafür konnte ich bis zum Testende nicht herausfinden. Weder war der Hinterbau zu weich und hätte so Probleme im Antrieb provozieren können, noch gab es Auffälligkeiten am Antrieb selbst. Aber trotzdem hat der Antrieb immer wieder mal in harten Antraten gemuckt. Und ganz, ehrlich für einen Preis von über 8000.- Euro erwarte ich einfach keine GX Komponenten mehr an einem Bike …

Das YETI SB4.5 ist ein wunderschönes Bike, daran gibt es keinen Zweifel.

Testfazit: Die US Marke YETI genießt Kultcharakter und nach dem ausführlichen Test des SB4.5 kann ich durchaus nachvollziehen warum. Das SB4.5 Trailbike kann wirklich etwas! Es gibt heute kaum mehr schlechte Bikes, aber der Schritt von einem sehr guten zu einem genial guten Bike wie es das SB4.5 ist, fordert es doch an all die kleinen Dinge zu denken, die sonst oft übersehen werden. Das SB4.5 ist ein wirklich genial gutes und extrem vielseitiges Bike, das sich bei aller Trailtauglichkeit eine Effizienz und einen Vortrieb erhält, die außergewöhnlich sind. An dem Rahmen und der Kinematik gibt es absolut nichts auszusetzen, die Ausstattung an unserem Testbike fand ich dagegen zwar funktionell aber etwas zu XC-lastig.  In dieser Auslegung ist sie aber durchaus stimmig. Je nach Präferenzen des  Fahrer bedarf es schon ein paar Upgrades um das volle Trailpotential des Bikes ausschöpfen zu können. Angesichts des geforderte VKs von 8149.- Euro für das getestete Komplettbike, würde ich persönlich eher dazu tendieren mir den Rahmenkit (inkl. Dämpfer für 3790.- Euro) zu holen und dann ein echtes Dreambike aufzubauen, bzw. beim Händler des Vertrauens aufbauen zu lassen. Das kommt vermutlich auch nicht viel teurer.

Aber wenn die Ausstattung für meine Geschmack etwas zu sehr XC-lastig ist, ist das YETI SB4.5 eines der besten Trailbikes, die ich kenne – eines mit dem ich wirklich jede einzelne Ausfahrt genossen habe.

Wenn mich einer fragen würde mit welchem Bike ich aktuell am bei einem Mahrtagesrennen wie dem BC Bike Race starten oder es auf eine technische Trail-Transalp mitnehmen würde, wäre das YETI SB4.5 definitiv ganz weit vorne auf die Liste.

RIDE ON,
c_g