EMD’17 #09 – BMC Agonist 01 One: von OLI

Ich fahre jetzt seit beinahe drei Jahrzehnten Mountainbike. In der Zeit habe ich diverse Fullies besessen, aber irgendwie waren es immer die Hardtails, die es mir richtig angetan haben. Ich zähle mich zu den Trail-affinen Bikern. An liebsten fahre ich lange Touren mit so manchen technischen Herausforderungen aber ich suche meine Touren nicht nur nach dem Singletrail-Anteil aus. Gerade da, hatte ich immer das Gefühl mit einem Hardtail besser bedient zu sein. Bis jetzt, denn die noch junge Riege der kurzhubigen Fulies, die nicht mehr reine Racebikes sind, versprechen aus meiner Sicht die ideale Kombination aller von mir gesuchten Eigenschaften.

Das Topmodell der Agonist Baureihe, das 01 One im Kurztest auf den Eurobike Media Days’17.

Umso neugieriger hat mich vor ein paar Wochen die News zum BMC Agonist gemacht: Mit fast dem gleichen Speed und der Effizienz eines XC-Bikes und gleichzeitig mit einer trailtauglichen Geometrie und Kinematik eines echten Trailbikes will das Agonist die Brücke schlagen zwischen Race und ambitioniertem Freizeitsport … oder um den Birkenamen noch ins Spiel zu bringen: “Ein Bike für alle, die sich gerne ‘quälen’, egal ob auf der Rennstrecke oder alleine auf dem Trail“.

 

Mit einer solchen Ankündigung war das Agonist auch eines der ersten Bikes, die ich mir auf den Eurobike Media Days genauer angesehen habe. Als Testbike hat BMC mit edel ausgestattete BMC Agonist 01 One gegeben – mit Vollcarbonrahmen, der SRAM XX1 Eagle Gruppe, DT-SWISS XR 1501 Spline Laufrädern (25 mm Innenweite!) und FOX Factory Federelementen (beide je mit den 2018er EVOL Luftkammern) das Topmodell der Reihe. Die genauen Spezifikationen dazu findet ihr hier. Mit seiner durchweg sehr hochwertigen Ausstattung kommt das BMC Agonist 01 One auf ein sehr respektables Gesamtgewicht von nur knapp über 10 kg.

 

Zunächst einmal ist es für mich als Berufsästheten erst einmal ein Augenschmaus. Durch seine unauffällig, dezente und doch sportlich-dynamische Farb- und Formgebung trifft das Agonist genau meinen Geschmack.
Nun haben sind wir in den oben genannten Vorstellung des BMC Agonist bereits auf die technischen Details und die Rahmengeometrie eingegangen. Neben den leicht modernisierten Winkeln (69,5° Lenkwinkel und 73,75° Sitzwinkel) und dem verlängerten Hauptrahmen, war den Konstrukteuren vor allem die niedrige Überstandshöhe wichtig – damit man im Trail auch wirklich die nötige Bewegungsfreiheit hat. Deshalb will ich mich in diesem Kurztest auf die Punkte beschränken, die mir besonders aufgefallen sind. Zusätzliche Informationen findet ihr auch in dem Kurztest des BMC Speedfox 01 One von MiMü, denn wie ihr bestimmt bemerkt habt, sind sich das Agonist und das Speedfox in vielen Bereichen recht ähnlich:

Die APS-Kinemarik kommt bei allen BMC Fullies zum Einsatz – von 100 bis 160 mm.

Die Kinematik ist die bei allen BMC Bikes verbaute APS-System („Advanced Pivot System“) der jüngsten Generation, ein VPP-Hinterbau mit einteiligem Hinterbau und zwei kurzen, sehr schön in den Rahmen integrierten Umlenkhebeln.

Der untere Umlenkhebel wird zusätzlich durch einen weiche Kunststoff-Abdeckung (Mudflap) geschützt, die eine Schlammansammlung an diesem Punkt verhindern soll und dan Rahmen vor Steinschlägen schützen soll. Man beachte auch, dass es leicht schräg nach hinten abfällt. Ein kleines, aber feines Detail, kann doch hier der feuchte Schmutz leichter abfließen. Auf der Antriebsseite ist eine kleine Metallplatte in die Kettenstrebe integriert, die das Carbon bei Kettenklemmern schützt.

Um den Dämpfer besser per Remote ansteuern zu könne, steht er verkehrt herum im Rahmen.

Der Hinerbaudämpfer ist ab Werk „verkehrt herum“ montiert. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Dämpfer per Lenker-Remote gestrafft werden kann und weil der Zug durchs Unterrohr kommt, ist es so am einfachsten. Als positiven Nebeneffekt entsteht dadurch mehr Platz im Rahmendreieck. Auch wenn kein Agonist ab Werk mit einer Dropper Stütze ausgeliefert wird, ist der Rahmen mit einer Öffnung für eine Dropper-Stützen Zugführung versehen. Sogar die Option zur Umwerfer-Montage ist da. Ich finde beides großartig, musste aber bei der Nachfrage am Stand erfahren, dass nur eine von beiden Optionen umsetzbar ist. Früher wäre dieses „entweder oder“ ein Kritikpunkt gewesen, heute in Zeiten der 1×12 Schaltungen würde ich einfach auf den Umwerfer verzichten und gegebenenfalls eine Dropper-Stütze nachrüsten. Bei unseren Testmodell war, wie schon beschrieben weder noch verbaut gewesen.

Ein für mich interessantes Detail am Agonist ist der DT-SWISS „Two in One“ Remote zur Steuerung des Dämpfers, den wir bereits vom BOLD Linkin Trail LT bestens kennen. Eigentlich entwickelt für dreistufige DT-SWISS Gabeln und Dämpfer, verrichtet er hier bei den verbauten FOX Factory Federelementen seinen Dienst in gewohnt knackig, definierter Weise. Er erlaubt es, mit einer Hebelbewegung die Dämpferelemente komplett blockieren, was aus einem Fully mit mittlerem Federweg (110 mm) im Handumdrehen beinahe ein Hardtail zaubert. Damit sind wir wieder etwas näher an der genannten Wollmilchsau.

Interessant ist die Reifenwahl von BMC, die hier den uns gut bekannten VITTORIA Barpo 2.25 TNT spezifizieren. Ungewöhnlich angesichts der Dominanz von SCHWALBE und CONTI im OE-Markt, aber eine durchaus passende Wahl für ein schnelles Allroundbike weil sie einen sehr guten Kompromiss aus Traktion, Rollverhalten und Robustheit bilden.

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Und wie fährt sich das BMC Agonist 01 One nun?

Wie gesagt, war das BMC Agonist das erste Bike, das ich auf den Eurobike Media Days testen durfte. Anstatt den doch sehr ruppigen Herrentrail per Gondel, haben wir uns für eine Testrunde entschieden, die auch paar hundert Höhenmeter Anstieg beinhaltete. Die Ausfahrt, teils über Asphalt, teils auf Forstwegen und teilweise über Singletrails war genau das wonach ein Bike wie das Agonist verlangt – eine Mischung aus allem.

Das BMC Agonist zeigt sich im Kurztest als sehr fähig, aber nicht so „tail-hungrig“ wie erwartet.

Hier konnte das Agonist zeigen, welche Uphill-Qualitäten in ihm schlummern. Als bekennender Hardtail-Fan war für mich der per Remote ansteuerbare Lockout eine Wohltat. BMC hat beim Agonist nämlich nicht nur die Hinterbaucharakteristik des XC-Fullies Fourstoke umgelabelt, man hat sie genau wie in der Vorstellung versprochen „traillastiger“ ausgelegt. Das heißt, dass man den für ein Trailbike kurzen Federweg zwar sehr antriebsneutral gestaltet hat, ihm aber eine sehr hohe Sensibilität und linearere Federkennlinie verpasst hat. In der Praxis bedeutete, das, dass der Hinterbau bergauf eben auch aktiver auf die Tretbewegungen reagiert und wer nicht genug an seinem „runden Tritt gefeilt hat, spürt das. Außer in den Uphill-Trailpassagen, wo der offenen Modus eine grandiose Traktion bietet, habe ich deswegen gerne und oft den geschlossenen Modus gewählt, indem das Fully fast schon zum Hardtail wurde.

Einmal oben am Traileinstieg angekommen heißt es entweder absteigen, das Minitool bemühen und manuell absenken (kein Schnellspanner!) oder im XC-Style den Trail mit voll ausgefahrener Stütze befahren eine Entscheidung, die ich angesichts des überraschend technischen Trails, der noch zudem vom nächtlichen Regen sehr schmierig war, mehr als nur einmal in Frage gestellt habe.
Doch selbst mit abgesenkter Stütze war das Agonist mehr ein sicheres XC-Bike als ein echtes (Short-Travel) Trailbike. Auch wenn die aktive Federung sehr viel Traktion generiert und damit ordentliche Sicherheitsreserven bietet, definiert doch die stark an XC-Standards angelehnte Geo den Charakter des Agonist. Deutlich spürbar war jedoch der etwas längere Reach, der mir als großen Fahrer spürbar in Sachen Laufruhe und Sicherheit im Steilen geholfen hat.

Der Lenkwinkel mit 69,5 Grad ist für den Einsatzbereich als schnelle Trailrakete sehr wohl angemessen. Für meinen Geschmack könnte das Agonist aber sogar einen noch flacheren Lenkwinkel vertragen, aber genau für diesen Einsatzbereich gibt es ja auch das von MiMü bereits gefahrene BMC Speerfox. So wie es ist wird das BMC Agonist in ruppigen Passagn dann doch relativ schneller unruhig und zeigt, das es eben doch mehr XC- als Trailbike ist. Mit einer ordentlichen Fahrtechnik und festen Hand bleibt das Agonist immer gut beherrschbar, aber man muss sich bewusst sein, dass das Agonist eben doch mehr auf Speed, als auf Shreddin‘ ausgelegt ist.

Fazit des Kurztests: Das getestete BMC Agonist 01 ist in meinen Augen eine modernes und sehr fähiges Bike für alle sportlich ambitionierten Biker, deren Vorlieben eher im XC-Gelände und auf sportlichen Touren liegen als in technischem Gelände. „Race beyond the tape“ ist eine wirklich treffende Beschreibung des Bikecharakters. Das Agonist macht Lust darauf damit einen Marathon zu fahren, scheut aber eben auch nicht vor gelegentlichen technischen Singletrail-Passagen zurück. Bergauf hat es zwei Gesichter – im offenen Modus sehr sensibel, komfortbetont und mit endloser Traktion und im straffen Modus fast schon ein Hardtail. Bergab verhält es sich wie ein modernes Rachebike – ohne Allüren oder zickigem Fahrverhalten, aber doch mit dem Anspruch, dass es auf technischen Trails eine sichere, routinierte Hand fordert – ein effizientes XC-Bike mit ordentlicher, aber nicht übertriebener Trail-Affinität.

Oli