RADON Slide 130 10.0 HD – Testfazit: von Oli
(hierzu erschienene Artikel: Testintro und Erste Eindrücke)

Seit meinem letzten Artikel zum RADON Slide 130 HD bin ich damit noch einiges unterwegs gewesen. Wie auch schon dort geschrieben hat das Bike viel Potential wurde aber durch das für meinen Geschmack etwas zu kurze Cockpit und bedingt auch durch die Reifen zurückgehalten. Beide Dinge habe ich im zweiten Teil des Tests optimiert und siehe da – das RADON Slide 130 10.0 HD mutierte auf einmal vom guten Trailbike zum Supertrailbike!

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Mit leichten Veränderungen hat sich das RADON Slide 130 10.0 HD von einem guten zu einem sehr guten Bike gewandelt …

In der letzten Woche des Tests bin ich viel auf meinen Hometrails unterwegs gewesen … und jedes Mal mit einem breiten Grinsen deutlich später nach Hause gekommen als geplant. Dabei hat mich das Slide einfach durch seinen Charakter immer dazu angesport, den Trailanteil immer zu erhöhen. Ich wollte gar nicht mehr aufhören :-).
Wie gesagt, anfangs hatte ich mir mit dem RADON Slide wirklich etwas schwer getan was aber offensichtlich allein an der Auslegung des Cockpits und den Reifen lag. Wie so oft sind es die vermeintlichen Kleinigkeiten, die es einem Fahrer erst erlauben den in meinen Augen „wahren“ Charakter eines Bikes raus zu holen. Doch der Reihe nach….

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UPGRADE #1 – das Cockpit: Schon spannend wie unterschiedlich Tester zu oft fast gleichen Schlüssen kommen können. Als c_g vor gut 2 Jahren ein RADON Slide 130 9.0 im Test hatte, empfand er den verbauten Vorbau als zu lang und hat das Cockpit mit einem 75 mm Vorbau optimiert.

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Original war ein 50 mm Vorbau an dem Bike, mit der Folge einer für mich zu kompakten und wenig effizienten Sitzposition …

Jetzt im Test des Slide 130 10.0 HD kam ich mit dem 50 mm Vorbau nicht zurecht und habe das Bike mit einem 80 mm THOMSON Elite passend gemacht. Zwei in ihrem Fahrstil durchaus unterschiedliche Tester und beide fanden wir die 75 bzw. 80 mm als optimal zu dem Bike passend. Leider musste ich in dem Zuge auch gleich den Lenker tauschen, denn das Original-Cockpit basiert auf einer 35 mm Klemmung.

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… erst mit einem 80 mm Vorbau war das Bike genau so wie ich es haben wollte – effizient, komfortable und dennoch sehr sicher auf kniffligen Trails.

Ich verstehe natürlich, dass der sehr kurze Original-Vorbau den aggressiveren Einsatzbereich unterstreichen sollte, aber dazu komme ich später noch. Mit dem 80er konnte ich nun auch bergauf wieder effizient im Wiegetritt fahren und habe mich auch bergab optimal im Bike platziert gefühlt.

UPGRADE #2 – die Reifen: Die Reifen waren der zweite wichtige Punkt, der an unserem Testbike erst nach einem Wechsel das echte Potential des Bikes hat durchscheinen lassen. Dies war mein erster Kontakt zum CONTINENTAL Trail King und während die Reifen bei griffigen Trailbedingungen stets ausreichend traktionsstark sind, war ich wirklich gespannt wie sich die etwas ungewöhnliche Kombination aus 2,4er vorne und 2.2er hinten unter den oft feuchten und rutschigen Bedingungen in der zweiten Testphase schlagen würden – vor allem in der.

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Vor allem der schmale 2.2er CONTI Trail King hinten war eine klar Schwachstelle des ansonsten sehr fähigen Bikes.

Wie sich herausgestellt hat, war der Trail King 2.4 ein richtig guter Vorderreifen mit einer gefühlt extrem guten Mischung aus geringem Rollwiderstand und hoher Traktion. Hinten hat der 2,2er mich allerdings weniger überzeugt – unter den gegebenen Bedingungen war er zu oft und zu schnell am Traktionslimit. Gerade bergauf in Wurzelpassagen habe ich mich immer wieder unsicher gefühlt. Wie sich beim Reifenwechsel herausgestellt hat, war der hintere Reifen auch ein einfacher Drahtreifen verbaut – etwas, das wohl versehentlich am Testbike verbaut war, in Serie aber nicht passieren wird, wie uns RADON versichert hat.
Erst mit dem Wechsel auf den 2,35er SCHWALBE Nobby Nic in der zweiten Testphase konnte ich die wildere Seite des Bikes voll auskosten. Mit ihnen blieb das Bike auch in Grenzsituationen besser beherrschbar und bot mir eine deutlich bessere Traktion. Ich konnte es kaum fassen. So bin ich wieder Strecken sicher gefahren, an die ich mich vorher nicht herangetraut hatte.

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Doch nun zu den weiteren Komponenten: Wie schon im Intro genannt, sind am Slide 130 HD mit den DT-SWISS XM 1501 One Spline relativ leichte Laufräder verbaut und die gerade mal 1670 g spürt man: Die Beschleunigungswerte sind hervorragend, auch nach ausgedehnten Testfahrten hatte ich – zumindest das Laufradgewicht betreffend – nie das Gefühl, mich auf einem 29er All-Mountain zu bewegen. Zudem habe ich die Laufräder auch noch als wirklich steif erlebt. Das im ersten Eindruck beschriebene leichte Knacken im Freilauf ist leider geblieben. Es kam nicht oft, ist aber, wenn es auftritt deutlich hörbar. Mit der Zeit hatte ich mich aber daran gewöhnt, aber als zahlender Kunde würde ich es reklamieren. Weniger optimal für ein solches Bike ist allerdings die geringe Maulweite der XM Felgen, die besonders mit den breiteren Nobby Nics schon recht hohe Drücke erfordert um nicht zu stark zu walken. Da ich persönlich ohnehin tendenziell mit höheren Drücken fahre, war das für mich nicht so sehr das Problem aber Liebhaber niedriger Drücke könnten hier schneller ans Limit kommen, als gewünscht.

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Die edeln FOX Factory Federelemente und auch die ausgereifte Viergelenkes-Kinematik sind echte Highlights an dem RADOn Slide 130 10.0 HD – hier noch mit CONTI Trail Kings.

Das FOX Factroy Fahrwerk hat mich auch weiterhin und immer mehr begeistert. Weil ich generell ein strafferes Fahrwerk bevorzuge, bin ich sowohl den Dämpfer, wie auch die gabel die meiste Zeit im mittleren Modus gefahren – auch wenn es oft nicht nötig gewesen wäre. Doch selbst in diesem strafferen Modus fand ich den Dämpfer und die Gabel ausgesprochen effektiv und komfortabel. Außerdem blieb so Dämpfung auch mit mehr Sag immer noch straff genug und das Bike sehr aktiv zu fahren. Offen ist das Fahrwerk trotz geringer Antriebs- oder Bremseinflüsse fast schon luxuriös komfortabel ohne dass man sich zu sehr entkoppelt fühlt. Top bei langen Straßenanstiegen fand ich auch, dass sich das Bike fast auch wie ein Hardtail anfühlte, wenn man Gabel und Hinterbau ganz zu macht – hier hat FOX den in den letzten Jahrgängen schon sehr weichen „Lockout“ doch merklich gestrafft. Auch das hat dazu geführt, dass ich am Ende immer wieder neue Trails gesucht habe. Dämpfer zu, den Berg hoch, Dämpfer halb oder ganz auf und wieder runter. Großartig!
Insgesamt trägt das Fahrwerk eine Menge dazu bei damit das Slide 10.0 HD auch längere Auffahrten locker meistert und dann die Trails bergab richtig „rockt“. Bei der 140er Gabel (zur Erinnerung, das Bike heißt RADON Slide 130…) habe ich mich allerdings manchmal gefragt, ob es den zusätzlichen Federweg von 10 mm Federweg wirklich braucht.

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Allein schon durch den Wechsel auf einen 3 cm längeren Vorbau konnte das RADON Slide HD sehr viel mehr seiner Vielseitigkeit ausleben – ohne in Sachen Trailperformance groß kürzer treten zu müssen.

Ich bin ein klassischer Tourenfahrer und mir hätte das Bike mit einem ausgeglichenen Federweg vorne und hinten genauso ausgereicht.
Die zusätzlichen Nehmerqualitäten erkauft man sich am HD einfach mit einem leicht höheren Cockpit und einem minimal flacheren Lenkwinkel. So hatte ich schon gelegentlich das Gefühl, dass ich das Rad gerade wegen des flachen Lenkwinkels in der Ebene oder in nicht zu steilen Anstiegen schon leicht um die Kurve schieben musste. Bergab ist das kein Thema, denn da bringt der flache Lenkwinkel genau die gewünschte Laufruhe die RADON mit der HD-Version ja erzielen wollte … und das ist auch gut so denn bergab ist das RADON Slide 10.0 HD auch wirklich eine Trailgranate mit ordentlich Reserven. Ich erinnere mich noch gut, dass c_g in seinem test angemerkt hatte, wie eine potentere Gabel als die damals verbaute ROCK SHOX Revelation dem Bike gut täte. Für aggressivere Fahrer wie c_g wäre das HD einfach perfekt, ich fand es durch etwas zu viel. Mit einer 130er Pike wäre es für mich absolut optimal – eine Konfiguration, die RADON Slide am 9.0 sogar anbietet. Da ist der Lenkwinkel ein halbes Grad flacher und das ganze Bike damit etwas tourenorientierter.

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Mit dem ERGON Sattel und der ROCK SHOX Reverb Stealth beweist RADON seinen Hang zu edeln Bauteilen wieder einmal.

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass RADON einen hochwertigeren ERGON SME 30 EVO Sattel verbaut. Auch hier darf ich auf c_g verweisen, der damit in seinem Test hervorragend zurechtkam. Mir persönlich ist die Sitzgelegenheit etwas zu straff und gerade. Die ROCK SHOX Reverb Stealth Dropper-Stütze hat sich als nicht ganz sorgenfrei gezeigt und ließ sich in der zweiten Testphase nicht mehr bis zum Ende ausfahren. Ich musste immer wieder manuell nachhelfen.

Zur SRAM GX Schaltung gibt es auch jetzt nicht mehr zu berichten, als bisher: Super. Knackig. Unproblematisch. Das 30er Kettenblatt erweist sich für Steigungen als guter Kompromiss. Etwas störend empfinde ich auch hier, dass man bei den SARM Triggern weiterhin pro Klick nur einen Gang runter schalten kann – ich persönlich bevorzuge bei den 1×11-fach Schaltungen die Grip Shift –Schalthebel. Ob die GX wirklich eine Kettenführung braucht? Wenigstens sieht das Bike damit richtig cool aus und schaden tut die Führung auch sicher nicht.

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Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den verbauten MAGURA MT5 Bremsen: Bis auf den für meinen Geschmack relativ weichen Druckpunkt verrichtet sie ihre Dienste absolut sicher und zuverlässig. Ich bin schon seit Jahren ein Freud von MAGURA’s magnetischer Belaghalterung, aber auch die Funktion konnte mich auf diversen Alpencross-Fahrten immer überzeugen. Genau wie die hier verbaute MT5 auch.
Ein Punkt ist allerdings anzumerken, der mit beim Lenkerwechsel aufgefallen ist. Mit der Befestigungsschellen aus Kunststoff muss man den Bremsgriff schon recht vorsichtig anziehen damit es mir nicht so erging wie damals Clay bei seiner Montage der MT5. Hier wäre es schöner, wenn MAGURA eine stabilere Schelle verbauen würde. An die Position in den ersten Eindrücken erwähnte Ergonomie des Trigger-Shifters mit dem Shift-Mix-Adapters habe ich mich im laufe des Tests komplett gewöhnt.

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Im Serientrimm etwas zu einseitig für meinen Geschmack, hat sich das RADON Slide 130 10.0 HD schon durch Tausch des Vorbaus und der Reifen als extrem vielseitig und fähig erwiesen.

Testfazit: Das RADON Slide 130 10.0 HD ist die aggressivere Version des bewährten Radon Slide 130 und zugleich das derzeitige Topmodell. Durch das kompakte Cockpit und die 140 mm Federgabel betont das Slide 10.0 HD absichtlich die All-Mountain-Seite und verliert damit für mich ein wenig an Vielseitigkeit. Doch bereits durch den Wechsel auf einen längeren Vorbau konnte ich das wieder komplett ausgleichen. Nur die versehentlich montierten starren Reifen unseres Testbikes waren dem Potential nicht gewachsen.
Von zum Teil subjektiven Kritik abgesehen, verwöhnt das Slide 130 10.0 HD den singletrail-affinen Fahrer mit exzellenten Trailqualitäten und macht auch auf Touren eine sehr gute Figur. Generell gehört das RADON Slide zu den Fullies mit einem eher direkteren Fahrgefühl, wobei mit 130 mm am Heck der Komfort auch nie wirklich zu kurz kommt. Mit der ausgewogenen Geometrie, der effizienten Hinterbaukinematik und einem sehr gelungenen Handling zwischen Laufruhe und Fahrspaß ist sein Einsatzspektrum von sportlichen Touren bis hin zum aggressiven All-Mountain sehr breit. Auch Marathons ließen sich damit gut bezwingen auch wenn ich hier eher auf eine kürzere Gabel zurückgreifen würde. Für mich gehört die RADON Slide 130 als Plattform zu einem der vielseitigsten Fullies, die ich gefahren bin – mit dem 10.0 HD steckt RADON den Grenzbereich im Groben noch ein wenig höher. Für 2999,- bekommt man hier sehr viel geboten! NIcht von Anfang an, aber mit den genannten Änderungen war das RADON Slide 130 10.0 HD für mich ein tolles Bike!

OLI