45NRTH Nicotine 2,35″ Spikereifen – Zwischenstand: von c_g
45NRTH bringt mit dem Nicotine einen Spike-Winterreifen exklusiv für 29er.
Spikereifen sind Spezialisten – keine Frage. Und der 29er Spikereifen Nicotine von den Winterbikespezialisten 45NTRH will da auch keine Ausnahme machen. Deswegen hängt der Test eines solchen Reifens von den jeweiligen Bedingungen ab. Und was das angeht, hatte ich mit der Vorstellung kurz vor Weihnachten einen guten Riecher. Den ersten Teil des Tests hat der Nicotine noch auf nass-rutschigen Trails absolviert, ehe vor kurzem der Winter die Trails in Besitz genommen hat. Deswegen habe ich bereits jetzt ein recht gutes Bild dessen was der Nicotine zu leisten vermag.
Am Teeanfang nur am Vorderrad – selbst dort brachte der Nicotine zusätzliche Grip auf rutschigen Wurzeln und war vor allem auch in tiefen Böden sehr gut zu fahren.
Doch zurück zum Anfang. Seinen Einstand hat der 45NRTH Nicotine nur als Vorderreifen auf ein paar recht vielseitigen Ausfahrten mit zum Teil tiefen Böden und schmierige Wurzelabschnitten gefeiert – Gelände in dem der vorher Aufgezogenen SCHWALBE Nobby Nic durchaus an seine Grenzen gekommen ist.
Dabei habe ich ein paar spannende Erkenntnisse zum Nicotine gewinnen können. Zum einen: Sein Profil, das nicht von Ungefähr an den MAXXIS Highroller erinnert, leistet auf tiefen Böden und im Schlamm wirklich Beachtliches – Traktion, Kurvenhalt und auch die Selbstreinigung sind sehr gut und man vergisst fast, dass man einen Spikereifen fährt. Über die gekiesten oder geschotterten Forstrassen zwischen den Trails hat er sich ebenfalls absolut unauffällig und für einen Spikereifen bemerkenswert schnell fahren lassen – kein XC-Reifen, aber durchaus auf dem Niveau eines All-Mountain oder Enduro-Reifens. Über die schmierigen Wurzeln war er auch recht gut, ebenfalls auf dem Niveau eines guten All-Mountain-Reifens, aber nicht der endlose Krallengrip, den ich erhofft hatte. Offensichtlich reichen beim Nicotine die recht weiter auseinander stehenden Spikes einfach nicht aus sich auf nassen Wurzel festzukrallen. Man merkt, wie das Profil und Compound hier die meiste Haltearbeit übernehmen … und die erlauben auf rutschigem Holz eben nicht alles.
Auf der Lauffläche sehen die Spikes in recht großem Abstand – hier erbringen die Stollen den Hauptteil der Traktion.
Als ich den 45NRTH dann im zweiten Schritt auch hinten aufgezogen habe, hat sich das Bild noch mal bestätigt. Die Reifen boten vorne wie hinten ein sehr gutes Handling und beste Selbstreinigung auf tiefen Böden, ein universelles und traktionsstarkes Verhalten aber eben auch kein „Monstergrip“, wie man ihn evtl. von einem Spikereifen erwarten würde.
Auf Asphalt merkt man die Spikes indem sie ihr Kommen recht lautstark ankündigen. Selbstverständlich spürt man sie auch beim Abrollen auf der Strasse, aber weit weniger, als etwa beim SCHWALBE Ice Spiker Pro bei dem jeder Stollen mit Spikes bewaffnet ist und mit dem man aus Asphalt gefühlt wie mit Schneeketten unterwegs ist.
Auf Schnee, ob etwas tiefer oder bereits festgefahren, erbringt der 45NRTH Nicotine Bestleistungen.
Gemischte Bedingungen, sind das wofür der Nikotin gemacht zu sein scheint.
Doch dann kam der Wintereinbruch mit zuerst nur verschneiten Trails, die aber sehr bald auch in vielfach vereist waren. Auch hier hat sich der 45NRTH Nicotine bisher sehr gut bewährt. Auf Schnee verhält er sich genauso gut wie vorher in weichen Böden und glänzt mit tollem Grip und einer sehr guten Traktion. Man kommt in fast jeder Situation gut voran und es mangelt fast nie an Sicherheit. Selbst auf eisigen Abschnitten und sogar blankem Eis kommt man stets gut voran. Man hat nie das Gefühl seitlich abzurutschen, oder die Führung zu verlieren. Dennoch sorgen auch hier die großen Spikeabstände dafür, dass die Traktion Grenzen hat. Letztlich stehen nur immer einige wenige Spikes in Bodenkontakt.
Ich erinnere mich gut daran wie ich im Winter 2014/15 mit dem Ice Spiker Pro bewaffneten PIVOT Les (aka: „Projekt Singlespeed“) selbst heftig vereiste Steilanstiege hochgepowert bin. Bei derzeit vergleichbaren Bedingungen muss ich mit dem 45NRTH Nicotine schon ein deutlich mehr Fahrtechnik einsetzen und Gefühl an den Pedalen walten lassen um den selben Abschnitt ohne Absteigen hochzukommen. Auf steilen oder kniffligen Abfahrten empfinde ich die Traktion aber als vollkommen ausreichend – solange man nicht nach dem sehr hohen Grenzbereich sucht oder das Bike im Renntempo über technische Wintertrails jagt.
Auf „normalen“ Wintertrails, auf den bei diesen Bedingungen sehr tückischen vereisten Forstwegen und Strassen dagegen vermittelt der 45NRTH Nicotine eine sehr gute Fahrsicherheit – selbst auf abschüssigem Untergrund.
Interessant war auch wie sich die bereits im Intro erwähnten auffällig dünnen Seitenwände der 120 TPI Karkasse auswirken. Einmal verlieren die Reifen im schlauchlos Betrieb schneller Luft, als ich es von anderen Reifen gewohnt bin – ein Zeichen für eine erhöhte Porosität der Seitenwände. Die andere Auswirkung ist, dass die Reifen bei niedrigeren Drücken (bei meinem Gewicht und meiner Fahrweise unter ca. 1,5 bar) schneller als erwartet an Führung verlieren und durch ihre Flexibilität leicht schwammig wirken. Schade, denn gerade niedrige Betriebsdrücke würden ja durch eine bessere Verzahnung mit dem Untergrund der Traktion zugute kommen.
Trotz bereits breiter Felge, stehen die Steinstollen noch recht weit ab – die Spikes kommen erst in extremen Kurvenlagen in Bodenkontakt.
Angesichts der bisher angesprochenen Beobachtungen mit dem Nicotine bleibt noch eine Überlegung: Wer sich an das Testintro erinnert, weiß dass dort die empfohlene Felgeninnenweite von 25 bis 40 mm angeben ist. Schaut man sich die Profilform auf der AMERICAN CLASSIC Wide Lightning Felge an (29,5 mm Innenweite, links zu sehen), ist gut zu erkennen, wie die Seitenstollen schon in einem ordentlichen Winkel abstehen. Während die Stollenkanten in Kurven noch Bodenkontakt bekommen, ist das für die nur wenig hervorstehenden Spikes in der Stellenmitte erst in extremem Schräglagen möglich.
Wenn ich den Reifen nun mit einer noch breiteren Felge fahren würde … würde dann nicht auch die Zahl der „aktiven“ Spikes zunehmen, die Stabilität bei niedrigen Drücken besser werden und der Reifen sich eventuell auf Schnee und Eis noch sicherer fahren?
Ein Gedanke, dem wir schon bald mit einem neuen Testlaufradsatz nachgehen werden.
Der 45NRTH Nicotine ist ein Reifen, der weniger ein Eis- und Schnee Spezialist zu sein scheint, sondern eher etwas universeller angelegt ist.
Zwischenfazit: Der Nicotine 29er Spikereifen von 45NRTH ist ein potenter und weniger auf maximalen Grip, sondern auf Vielseitigkeit getrimmter Spikereifen. Weil seine Spikes vor allem in der Lauffläche in größeren Abständen angeordnet sind, er aber mit seinem sehr aggressiven Profil aufwartet, bietet er eine sehr gute Traktion und Kontrolle auf verschiedenen schwierigen Untergründen – auch in tiefen schlammigen Böden zeigt es sich sehr zuverlässig und traktionsstark. Auf Eis und Schnee vermittelt er eine hohe Sicherheit und muss sich aber auf wirklich steilen Trails wegen der geringen Zahl von Spikes mit Bodenkontakt doch geschlagen gegeben. Dafür rollt er selbst auf der Strasse für einen Spikereifen recht leichter und fährt sich (bis auf die Geräuschentwicklung) auch dort eher unauffällig.
Nach den bisherigen Eindrücken ist der Nicotine deswegen weniger ein Eis-Spezialist, sondern ein Reifen für bei wechselhaften Winterbedingungen viel Sicherheit bietet und somit auch das Biken im Winter ermöglicht – mehr „Allround-Winterreifen mit Spikes“ als ein „Spikereifen, der auch anderswo gefahren werden kann“. Mal sehne ob der zweite testabschnitt hierzu noch weitere Erkenntnisse liefert.
RIDE ON,
c_g
