YT Capra 29 AL Comp – Testfazit: von c_g
(bisher hierzu erschienene Artikel: Offizielle Vorstellung des YT Capra 29ers, Testintro des YT Capra 29 Al Comp, Zwischenstand)

Einen Monat dauert bei uns ein normaler Biketest und ziemlich genau soviel Zeit habe ich auch dem YT Capra 29er spendiert um mir zu zeigen, was wirklich in dem sehr schicken 29er-Enduro steckt.

während ich mich zum Testanfang erst mit dem YT Capra anfreunden musste, hat es mir ab dem Moment super gefallen, als ich erkannt habe, dass es in der LOW-Position einfach zu niedrig für den Traileinsatz aus eigener Kraft ist.

Mit dem Basismodell Capra 29 Al Comp, dessen VK bei 2999.- Euro liegt, würde man einiges an Kompromissen in der Ausstattung erwarten, doch genau in diesem Bereich hat YT den Rotstift nur sehr wenig eingesetzt. Weder bei den FOX Federelementen aus der Performance Serie, noch bei den sonstigen üblichen Verdächtigen, wie Laufräder Reifen oder Schaltung findet man irgendwelche funktionellen Anstriche. Zugegeben, indem YT stark auf Komponenten von E*13 setzt, gehen sie einen Weg, der ein wenig abseits der Mainstream-Marken liegt, aber funktionell konnte ich den Teilen im Test kaum echte Schwächen abringen. Einzig, die TRs+ Dropper-Stütze mit ihrer nicht stufenlosen Absenkung, sondern drei fixen Stufen, bedurfte für mich etwas Umgewöhnung, und hatte nach dem Test leider doch ein spürbares seitliches Spiel. Die E*13 Kassette (9-46 Z.) mit immerhin 511 % Bandbreite in Kombination mit einem 11-fach SHIMANO XT Antrieb und auch die SRAM Code Bremsen verhielten sich dafür absolut unauffällig und funktionell erstklassig.

Mit seinem recht hohen Gewicht ist das Capra Al Comp per se nicht unbedingt auf Touren ausgelegt, fährt sich in der richtigen Flip-Chip Position aber auch da deutlich besser als man meinen möchte.

Ich persönlich würde mir für längere Touren ein etwas kleineres Kettenblatt wünschen – das 32-Zahn Original ist dafür doch etwas sehr sportlich – aber genau wie beim Cockpit und dem Sattel (siehe Zwischenstand) handelt es sich dabei eher um persönlich motivierte Optimierungen, als um technisch erforderliche Maßnahmen. Auch den Wechsel der Bereifung, von der originalen E*13 Reifen auf die WTB Judge habe ich mehr aus Pragmatik unternommen um den bis vor kurzem ebenfalls im Test befindlichen Judge einfach mehr fahren zu können. Die serienmäßigen E*13 LG1 Reifen sind ebenfalls eine gute Wahl für das Bike.
Mit dem Gesamtgewicht des Einsteigermodells von 15,8 kg meines XL-Testbikes – das zum einen von dem sehr steifen und wunderschönen, aber auch recht schweren Alurahmen, zum anderen aber auch durch die vielfach spezifizierten E*13 LG1 Gravity-Komponenten kommt – habe ich nur anfangs ein wenig gehadert. Sobald ich den Flipchip in die HIGH-Position gedreht hatte (und damit das Tretlager und den Schwerpunkt in für meine Uphhills sinnvolle Positionen gebracht hatte) durfte ich wieder einmal  feststellen, dass das Gewicht nur dann wirklich negativ zum Tragen kommt, wenn die Geometrie einen dazu zwingt zumindest zeitweise eine effiziente Sitzposition zu verlassen und man Energie in einer weniger natürlichen und eventuell sogar verkrampften Position verbringt. Ein Hoch auf steile Sitzwinkel und ordentliche Oberrohrlängen! Für meine Trails und meine Fahrweise ist die HIGH-Position des Flip Chips eindeutig die bessere Wahl. Während sich der geringfügig steilere Lenkwinkel (wohl auch unterstützt durch den kurzen Gabel-Offset) sich für meinen Geschmack kaum bemerkbar macht, kamen der ebenso nur geringfügig steilere Sitzwinkel und das höhere Tretlager umso deutlicher zum Tragen und haben aus dem Capra ein richtig gutes Allround-Enduro gemacht.

Übe meine oft sehr wurzeligen Hometrails und ohne Shuttle-/Liftunterstützung hat sich das Capra in der HIGH-Position des FlipChip deutlich vielseitiger und damit besser gefahren.

So eingestellt, kam das YT Capra meinen Idealvorstellungen eines vielseitigen Endurobikes schon sehr nahe. Es klettert sehr souverän und mit einer unglaublichen Traktion und erfordert auch in steilen Uphills nur wenig Gewichtsverlagerung. Den kleinen blauen Hebel der Plattformdämpfung, den ich in der LOW-Position zu fast jedem Uphill-Trail eingelegt habe, konnte ich so fast immer offen fahren. Aufgrund der universellen Geometrie war auch das hohe Gewicht für mich nur noch ganz am Rande ein Thema. Versteht mich nicht falsch, zwischen zwei gleichermaßen fähigen Bikes, die sich nur im Gewicht unterscheiden, würde ich ohne zu zögern immer das leichtere wählen, aber wenn es auch um den Preis geht (und das geht es bei den meisten von uns eben doch immer), nehme ich persönlich lieber etwas mehr Gewicht in Kauf und bewahre mir dafür die gleiche Trail-Performance. Außer beim Tragen des Bikes, kann eine stimmige moderne Geometrie meinen Erfahrungen nach problemlos ein etwas höheres Gewicht kompensieren … und gleichzeitig hat man auf dem Trail und bergab einfach deutlich mehr Spaß und weniger Pannen.

Im Bikepark Oberammergau wurde das YT Capra nochmals richtig hart ran genommen und hat sich auch dort keine Blöße gegeben. Hier war wiederum die LOW-Position einen Tick potenter und damit durchaus angebracht.

Aber zurück zu YT Capra. Neben zahllosen Ausfahrten auf meinen frühlingshaften, mal staubtrockenen, mal griffigen Hometrails habe ich das Bike auch einmal in den soeben erst zur Saison2019 wieder geöffneten Bikepark Oberammergau entführt um zu sehen, wie es sich dort schlagen würde. Und tatsächlich, meine aufgrund des bisherigen Testverlaufs hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Ich hatte einen super Tag, konnte das Bike voll ausfahren und kann verifizieren, dass das Capra AL-Comp in meinen Augen auch für einen derartigen Einsatz voll tauglich ist und genug Reserven besitzt. Selbst hier habe ich die FOX Feder-elemente nie wirklich an ihre Grenzen führen können. Obwohl ich im Gravity-Einsatz mit dem Capra auch in der HIGH-Position sehr gut zurecht gekommen bin, habe ich irgendwann neugierde-halber doch auf die LOW-Position umgestellt und durfte erkennen, dass es so einfach noch einen Tick besser den Ansprüchen im Bikepark oder auf Shuttletouren gerecht wird. Der Unterschied ist subtil, aber das tiefere Tretlager sorgt doch für einen spürbaren, subjektiven Sicherheits-gewinn. Wieder zuhause, habe ich zwar schon sehr schnell wieder auf die HIGH-Position umgestellt, aber der Ausflug in den Bikepark hat mir gezeigt, dass auch die LOW-Einstellung am Capra Sinn macht und ihre Berechtigung hat. Gerade mit dem Wissen, dass das Capra auch bei einer ganz harten Gangart im Bikepark nicht deplatziert ist, sehe ich auch die etwas schwerer, dafür aber extrem robuste Ausstattung des Al Comp Einsteigermodells mit etwas anderen Augen. Ja, sie bringt etwas mehr Gewicht ans Bike, spendet einem aber eben auch eine höhere Pannensicherheit die auf schweren Gravity-Trails sehr wohl willkommen ist. Beim Nachwiegen hat sich au0erdem gezeigt, dass die Laufräder (alleine ca. 2100 g für den LRS) und 2-ply LG1 Reifen (je ca.1150 bis 1200 g) gar nicht so viel schwerer sind, wie ihre TRS+ Gegenstücke. Wer hier auf leichtere Komponenten setzt, kann das Gewicht aber dennoch um gut 400 bis 500 g senken. 

****************************************************************
Testzusammenfassung: 

Das YT Capra 29 AL Comp ist das Einsteigermodell in der Capra Serie und wartet mit einem ausgezeichneten Preis/Leistungsverhältnis auf. Funktionell geht man mit der ungewöhnlichen Ausstattung mit vielen E*13 Komponenten keinerlei echte Kompromiss ein. Allein die E*13 Dropper Stütze konnte mich im Test nicht wirklich begeistern. Nur beim Gewicht, drückt das Bike der 3000.- Euro Klasse ein wenig mehr auf die Waage.

Optisch genauso, wie funktionell ist das YT Capra ein richtig gelungenes Bike – auch in der Basis-Version mit Albrahmen und einem VK von unter 3000.- Euro.

Durch die für mich überraschend deutliche Wirkung des FlipChip aufs Handling ist das Capra genauso als universelles Trail-Enduro, wie auch als gravity-orientiertes Race-Enduro zu fahren. Die Ausstattung des AL Comp tendiert dabei spürbar mehr in Richtung Race-Enduro und Park-Einsatz. Nach gut 4 Wochen im Testeinsatz bei uns und sehr vielen aus eigener Kraft erklommenen Höhenmetern, kann ich dem AL Comp trotz seines Gravity-Potentials eine sehr gute Allround-Performance attestieren. Nicht zuletzt auch wegen des sehr attraktiven Preises ist es für all diejenigen Fahrer voll zu empfehlen, die es bergauf eher gemütlich angehen, bergab aber richtig Gas geben wollen.

RIDE ON,
c_g