BEST of  TEST’18 – 5. Teil (Innovative Bikes): von c__g

Überall werdend derzeit Rückblicke auf das bald vergangene Jahr getätigt. Auch wir wollen uns dem nicht ganz entziehen und euch noch mal ein paar Tests in Erinnerung zurückrufen, die uns von diesem Jahr besonders in Erinnerung geblieben sind. Hier sind unsere Best-of-Test des Jahres 2018.
In diesem abschließenden Artikel der Best-Of-Test Reihe geht es um Produkte, die uns besonders durch ihre Innovationsfreudigkeit aufgefallen sind. In zwei Fällen handelt es sich um Produkte, die wir nur kurz fahren durften – das BOLD Unplugged und das POLE Machine  – und in einem Fall um ein Bike, das ich zwar lange fahren durfte, das hierzulande aber noch sehr selten ist, das TANTRUM Shinning.

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BOLD Unplugged

Eines der progressivsten und innovativsten Bikes des vergangenen Jahres ist für mich das diesen Sommer vorgestellte Unplugged von BOLD CYCLES.

Das BOLD Unplugged, hier hoch über Servus kurz vor der Abfahrt auf den Eurobike Media Days’18, ist für uns eines der innovativsten Bikes des Jahres.

Nachdem das Linkin Trail und sein langhubiger Bruder das Linkin Trail LT (das es übriges in unsere Best of’17 geschafft hat) mit seinem im Rahmen integrierten Dämpfer und der unglaublich cleanen Optik den Grundstock gelegt haben gelegt haben, kommt nun für 2019 mit dem Unplugged die nächste Entwicklungsstufe mit so manchen Features, die man bisher noch nicht an einem Mountainbike gesehen hat.

Neben seiner richtig progressiven Geometrie integriert der neue Rahmen viele Detailverbesserungen gegenüber dem Linkin Trail. So hat man beim Unplugged Möglichkeit nun unterschiedlichste Dämpfer im dem Rahmen zu verbauen (beim Linkin Trail hat nur ein DT-SWISS Dämpfer gepasst), es gibt einen einfachen externen SAG-Indikator, die Leitungsverlegung und der Service werden durch die viel größere Öffnung im Unterrohr (mit findigem teil-magnetischen Mechanismus) noch einfacher und wer mag kann sogar eine spezielle integrierte Dropper-Stütze von KIND SHOCK verbauen.

Zwei Kerntechnologien, die beim Unplugged zum ersten Mal an einem Serienbike verbaut sind  geben dem Fahrer zusätzliche Tuningmöglichkeiten um die Geometrie und damit das Handling nicht nur dem Präferenzen des Fahreres, sondern auch dem gewünschten Laufradformat anzupassen. So erlaubt der von NEWMEN entwickelte exzentrische Doublespin-Steuersatz eine einfache Lenkwinkelanpassung ohne dafür Spezialwerkzug zu benötigen oder die Lagerschalen neu verpressen zu müssen.

Am Heck und gut versteckt im Drehgelenkt zwischen Sitz- und Kettenstreben hat man die Möglichkeit sowohl die Winkel, wie auch die Tretlagerhöhe und die Kettenstrebenlänge durch vier unterschiedliche Einsätze zu modifizieren. Beim Unplugged bedeutet das einen Vielzahl von Geometrie-Optionen an einem Bike mit einem effektiven Lenkwinkel zwischen 62,9 und 66,4°, einer Varianz der Tretlagerhöhe von bis zu 20 mm und Kettenstrebenlängen zwischen 432 und 444 mm … um nur drei der variablen Parameter zu nennen. Wer noch mehr darüber erfahren will, kann sich das Unplugged auf der BOLD Homepage anschauen, wo die vielen Technologien genauestens erklärt werden. Das BOLD Unplugged gibt es als Rahmenkit ab 3856.- CHF bzw. als konfigurierbares Komplettbike ab 5392.- CHF.

 

Wir hatten zwar auf den Eurobike Media Days’18 nur zweimal kurz die Gelegenheit das BOLD Unplugged zu fahren – einmal als echtes BOLD Testbike mit vollem Enduri-Potential und mit einer 180 mm ROCK SHOX Lyrik Federgabel und einmal als Testplattform für die DT-SWISS F535 Gabel die es aktuell ja nur bis 160 mm Federweg gibt (Bild oben rechts) – beide Male auch auch nur in einem Geometrie-Setting. Um damit auch noch zu experimentieren hat einfach die Zeit gefehlt.

Das BOLD Unplugged ist ein von Grund auf sehr fähiges Enduro-Bike, das seinen Einsatzbereich durch die vielfältigen Einstellmöglichkeiten und Aufbauoptionen noch mal erweitert.

Aber allein diese beiden Fahrten haben uns einen eindrücklichen Vorgeschmack darauf gegeben, was für ein spannendes und potentes 29er Fully das Unplugged ist, dessen Einsatzbereich mit den Einstellmöglichkeiten sicher nur noch breiter wird. Wir hoffen schwer das BOLD Unplugged in 2019 für einen richtigen TNI-Test zu bekommen.

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POLE Machine & Stamina

Als die finnische Marke POLE erstmals 2016 auf unserem Radar aufgetaucht sind, war die kleine Schmiede ein wahrer Vorreiter was extreme Geometrien angeht. Radstände so lang, wie man sie bisher kaum kannte, Lenkwinkel, die aus einem Downhiller entliehen schienen und Sitzwinkel, die fast schon aberwitzig steil waren. Dazu eine eigene Kinematik mit Faltfunktion und eine so ausladende Hinterbaulänge, wie sie zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich angesagt war. Doch wie unsere beiden Kurztests des Evolink 140 Enduro in Riva und des Evolink 110 TR in Kirchberg gezeigt hat, steckt in derart extremen Werten durchaus Potential – bergab aber ebenso bergauf. Ein Bike, das sich unglaublich sicher fahren lässt und damit nicht nur Racer anspornt noch mehr zu geben, sondern auch Anfängern und weniger versierten Fahrern verspricht damit technische Trails leichter zu meistern. Doch das war 2016.

Dieses Bild – aufgenommen am Strand von Finale Ligure – war eines der ersten Teaserfotos, die es zum POLE Machine gab, nachdem das Carbon-Projekt eingestampft worden war.

In 2017 blieb es ziemlich still um POLE bis Leo Kokkonen, der Gründer, Entwickler und Besitzer von POLE und selbst begeisterer Enduro-Racer das Ende der Entwicklung ihres Evolink Carbonrahmens angekündigt und wenig später die alternative Konstruktion vorgestellt hat – ein hochpräzise aus einem massiven 7075er Alu-Block gefräster Rahmen, dessen Einzelelemente verschraubt und verklebt werden. Ein Bike dem man den passenden Namen Machine gab.

Das POLE Machine ist wahrlich einzigartig – sowohl in seiner extremen Geometrie, wie auch dem spannenden Fertigungsverfahren und dem resultierenden Design.

Auf dem BIKE Festival’18 in Riva hatte ich dann die Gelegenheit ein POLE Machine Bikes zu fahren (hier der Post dazu) – zwar überwiegend bergab aber das dafür mit Vollgas. Mit 160 mm Federweg am Heck, einer 180 mm Federgabel und der extremen Geometrie war das Bike das vermutlich schnellste und potenteste 29er, was ich je gefahren bin und hat mir gezeigt, dass das Rahmenkonzept des Machine sehr wohl aufgeht.

Auf meiner Testrunde den Skull-Trail runter war das POLE Machine mit Abstand das sicherste Bike, das ich je gefahren bin – ein wahnsinnig schnelles Enduro-Racebike.

Das Handling war, wie für POLE typisch, klar auf der laufruhigen Seite, aber was die Steifigkeit und die Fahreigenschaften angeht, war der Rahmen vollkommen unauffällig. Wäre nicht diese unglaublich schöne Formgebung mit den von feinen Frässpuren gezeichneten blanken Alu, hätte ich nicht gemerkt es hier nicht nur mit einer extrem progressiven Geometrie sondern auch einer der innovativsten Fertigungsmethoden zu tun zu haben.

Mit einem VK von aktuell 3500 bis 3800.- Euro (je nach gewähltem Dämpfer) wird der Rahmen zwar nur sehr selten live zu sehen sein, aber er zeigt neue Wege auf, wie man es auch machen kann, wenn man bereit ist bestehende Konventionen zu überwinden.

Mittlerweile gibt es neben dem Machine auch noch das noch extremere Stamina, das dem soeben erst gegründeten Enduri-Profiteam als Race-Plattform dienen wird.

Dass dieses im MTB-Bereich bisher kaum praktizierte Fertigungsverfahren gerade für die Kleinserienproduktion vielfältige Möglichkeiten birgt, zeigte sich unlängst in Form des soeben erst vorgestellten POLE Stamina, das noch aggressiver eine reines Enduro-Racebike ist. Nach eigenen Aussagen soll der Prozess von der Idee zu diesem Bike (angeblich beim Crankworx in Whislter, BC), bis zum ersten fahrfertigen Rahmen dank ds mittlerweile eigenen CNC-Maschinenparks in Finnland gerade mal einen Monat (!) gedauert haben. Letztlich zeigt es welche Freiheiten und Möglichkeiten diese spezielle Fertigungsmethode bietet … und nach Leo Kokkonen erst der Anfang sein von noch vielen derartigen Rahmenkonzepten, darunter auch eine gefrästes Trailbike in 2019.

Ob das Herstellungsverfahren vom POLE Stamina und Machine wirklich „grüner“ ist, wissen wir nicht – ein richtig schickes Bike ist es auf alle Fälle.

Wir wollen hier bewusst nicht tiefer in die sehr komplexe Diskussion zur Nachhaltigkeit, CO2- und Energiebilanz von Alu- und Carbonrahmen einsteigen, finden aber, dass POLE hier zumindest einen sehr interessanten und innovativen Ansatz verfolgt und sind gespannt was das Jahr 2019 noch alles bringen wird.

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TANTRUM Shinning

Als drittes innovatives Bike im Bunde möchte ich noch das TANTRUM Shinning erwähnen, das ich dieses Jahr ja als Testbike und als Testplattform nutzen durfte. Ich musste zwar schon sehr früh den ersten Rahmen in Medium (weil zu kurz gefertigt) gegen die nächstgrößere Rahmengröße Large tauschen, aber ansonsten war es eine echte Freude dieses Bike das Jahr über zu fahren.

Das TANTRUM Shinning – hier noch ganz jungfräulich vor dem Test.

Eigentlich hätte es die Marke TANTRUM CYCLES gar nicht geben sollen. Wenn alles wie geplant gelaufen wäre. Dann hätte der Fahrwerksingenieur Brian Berthold die Lizenz zu seiner Missing Link Kinematik nämlich einfach an einen anderen Hersteller verkauft und es dort fertigen lassen. Weil das aber nicht passiert ist, hat Brian die Sache selber in die Hand genommen und seinen eigenen Rahmen um die Missing Link Kinematik herum konstruiert, das Projekt über Kickstarter finanziert und im Frühjahr 2018 die ersten Rahmen an seine Backer ausgeliefert – alles komplett in einem unglaublichen Kraftakt als pure On-Man-Show. Demnach gibt es derzeit gerade mal 50 TANTRUM Rahmen weltweit, von denen es vielleicht eine Hand voll nach Europa geschafft haben – darunter auch unser Dauertester-Rahmen des Jahres 2018. Das nenne ich mal einem hierzulande exotisches Bike!

 

Ob das Missing Link wirklich funktioniert? Ja, das tut es. Die Missing Link Kinematik leistet genau das, was sie soll, eine stabile und ruhige Plattform unter Kettenzug und einen maximal sensiblen Hinterbau bergab. Hinzu kommt, dass das Heck sich mit zunehmendem Kettenzug ganz subtil, aber doch positiv bemerkbar leicht aufrichtet und so die ohnehin moderne Geometrie mit steilem Sitzwinkel im Uphill noch kletterfreudiger und im Downhill noch laufruhiger macht. Aber Missing Link tut seine Aufgabe so unauffällig, dass man es erst merkt, wenn man wieder ein anderes Bike mit klassischer Kinematik fährt.

Doch neben der Missing Link Kinematik hat das Shinning noch allerlei spannender Features wie der modulare Hinterbau, mit dem sich sowohl unterschiedliche Federwege (125, 140 oder 165 mm) realisieren lassen, wie auch verschiedene Laufradformate (27,5, 27,5+ und 29) fahren lassen.

Ob auf den felsigen Gardasee-Trails, zuhause auf den waldigen Hometrails oder sonstwo – war das TANTRUM Shinning meine Haupt-Testplattform des Jahres 2018

Auch bei der Geometrie hat Brian sich für eine zeitgemäße, moderne Interpretation von „Long, Low’n Slack“ entschieden und hat, wie ich lange selber habe erlebne können, auch hier keine echten Fehler gemacht.

Das TANTRUM Shinning ist eines der Bikes, die ich dieses Jahr am meisten gefahren bin … und es hat mir stets sehr viel Spaß gemacht.

Brian Berthold, der Man hinter TANTRUM und ein echter Bikebranchen-Veteran.

Auch wenn die erste, kleine Produktion schon ausverkauft ist, wird es in 2019 wieder die Chance geben sich ein TANTRUM zu kaufen. Derzeit befindet sich die zweite Produktionscharge von insgesamt 200 Stk. (inklusive einer Rahmengröße XL) in Produktion und die Auslieferung ist für das späte Frühjahr’19 geplant. An einem Punkt seien die kaufbereiten Interessenten allerdings vorgewarnt: TANTRUM CYCLES ist eine echte One-Man-Show und Brian ist passend zu seinem Aussehen (Bild rechts) wirklich mehr Ingenieur und „Mad-Scientist“ als ein Kaufmann … die Kommunikation kann ziemlich schleppend laufen.

RIDE ON,
c_g