BOLD Unplugged – Praxiseindrücke von den Eurobike Media Days’18: von c_g

Die Schweizer Bikemarke BOLD CYCLES war noch nie scheu wenn es darum ging innovative Bike-Konzepte vorzustellen. Schon das erste Bike, das Linkin Trail hat mit seinem Vollcarbon-Rahmen, dem im Rahmeninneren liegenden Dämpfer und der Möglichkeit 29er und B+ Laufräder darauf zu fahren mit den damals gängigen Konventionen aufgeräumt und frischen Wind in die Branche gebracht. Ein Bike, das so anders war, dass man es sofort aus jeder Masse heraus wiedererkannt hat.

 

Mit dem auf den Eurobike Media Days offiziell vorgestellten Unplugged bringt BOLD nun eine noch aggressivere Version des Linkin Trail LT (für Long Travel), das trotz ähnlicher Formsprache doch allerlei hochinnovative Technologien in den Rahmen integriert. Wir haben euch den Prototypen bereits im Frühjahr vorgestellt, aber hier noch mal die wichtigsten Features.

Eine der wichtigsten Änderungen gegenüber dem Linkin Trail LT ist schon mal die deutlich aggressivere Geometrie des Unplugged. Ein deutlich flacherer Lenkwinkel, ein größerer Reach und ein steilerer Sitzwinkel sind die Rahmenbedingungen, aber wie steil oder flach genau, das bestimmt der Kunde selbst. Dank der hier erstmals verbauten Variotec-Geometrieverstellung kann das Unplugged nämlich gleich an zwei Stellen angepasst werden.

1, An der Front kann man über den exzentrischen Double-Spin Steuersatz (by NEMWEN) den Lenkwinkel mit nur wenigen Handgriffen und ohne jegliche Spezialwerkzeuge um satte 1,5° verstellen. Wie ihr aus meinen Ausführungen zum CANE CREEK AngelSet ja noch wisst, wirkt sich diese Verstellung ja nicht nur auf den Lenkwinkel, sondern auch den Sitzwinkel, die Tretlagerhöhe, ja, die gesamte Geo aus, denn man senkt, bzw. hebt dadurch die Front, was sich zum einen in der effektiven das Tretlagerhöhe, wie auch dem Sitzwinkel niederschlägt.

2, Die nächste Eingriffsmöglichkeit sind leicht austauschbar Exzenterplatten im Drehpunkt zwischen Sitz- und Kettenstreben. 

Mit insgesamt vier Positionen kann man sowohl die Kettenstrebenlänge um bis zu 11 mm, und die Tretlagerhöhe um bis zu 20 mm variieren. Während die Lenkwinkelverstellung vor allem dazu dient das Handling anzupassen, ist die Kettenstrebenverstellung in  erster Linie dafür gedacht um das Bike optimal auf die unterschiedlichen Laufrad-/Reifenformaten einzustellen (27,5“ ab 2,4“ Breite, B+ bis 3.0“ Breite und 29er bis 2.6“ Reifenbreite) kann man diese Option natürlich auch zum Geometrie-Feintuning nutzen. Während das Unplugged standardmäßig mit170 mm Gabeln kommt und auch so hier gefahren wurde, ist der Rahmen laut Hersteller auch gut mit 160 bzw. 180 mm an der Front zu fahren.

 

Weitere spannende Technologien sind die Option am Unplugged Rahmen neben konventionellen Dropper-Stützen auch eine integrierte KIND SHOCK Dropper-Stütze zu fahren (oben links) – die Montageverschraubung hierzu befindet sich hinten am Sitzrohr. Ein Kritikpunkt beim Linkin Trail war es auch immer, das man dort nur den DT-SWISS Dämpfer fahren konnte. Durch weiterer Optimierungen am Bauraum und intensive Zusammenarbeit mit anderen Dämpferherstellern können am Unplugged auch anderer Dämpfer montiert und werden –  sogar solche mit Piggy-Back. Ebenfalls neu ist der einteilige Schlagschutz um die Kettenstreben, das auch das Verbindungsyoke zu Nicht-Antriebsseite schützt, sowie die neue Abdeckung am Unterrohr unter welcher der Zugang zum Dämpfer liegt. Statt mit zwei Schrauben ist diese Abdeckung nun nur noch mit einer auch von hand bedienbaren Schraube gesichert und wird auf der anderen Seite über zwei Magneten gehalten  (oben rechts). Aber auch in anderen bereichen hat man den Rahmen optimiert, wie etwa in den noch steiferen einteiligen Sitzstreben oder der Umlenkung selber, die ja nach Einstellung zwischen 161 und 165 mm Federweg bietet. Ebenfalls ein sehr willkommenes Feature ist der neue, externe SAG-Indikator womit man das Bike auch ohne zweite Person leicht einstellen kann. Indem BOLD das Unplugged komplett auf 1-fach Antriebe auslegt, konnte man eine sehr leichte, obere Kettenführung integrieren, die sich schnell auf verschiedene Kettenblattgrößen anpassen lässt. Insgesamt ist das Unplugged also eine deutlich weiterentwickelte und aggressivere Version der beiden Linkin Trail Bikes, die es auch weiterhin noch geben wird. Das Bike wird es in drei Rahmengrößen (Small, Medium und Large) geben. Die erste Auslieferung soll noch diesen Herbst erfolgen und die Bikes sind bereits im BOLD Online-Shop vorbestellbar – wie immer vielfältig konfigurierbar.

Neben der hier gefahrenen rot-grauen Farbe, gibt es das Unplugged auch noch in weiß-grauer Zweiton-Lackierung, wie rechts abgebildet. Preislich bewegt sich das Unplugged nur leicht über den Linkin Trail Modellen. Der Online-Konfigurator nennt das Basismodell mit einem Grundpreis von ca. 4000.- Euro. Dafür bekommt man dann eine SRAM GX Eagle Schaltung, samt TRUVATIV Descendant Alu-Kurbel, eine ROCK SHOX Yari 170 mm Federgabel, und den neuen DT-SWISS R535 Dämpfer, eine SRAM Guide R Bremsanlage mit 180 mm Scheiben und einen DT-SWISS M1900 SPLINE Laufradsatz mit 30 mm Innenweite samt MAXXIS Highroller II WT EXO Reifen. Das für uns zur Verfügung gestellte BOLD Unplugged Testbike in Rahmengröße Large halle demgegenüber so einige Updates (ROCK SHOX RCT3 Lyrik Federgabel, SRAM Code R Bremsen, DT-SWISS XMC Carbonlaufradsatz, KS Carbon Dropper, TRUVATIV Carbonkurbel und RACE FACE Sixc Carbonlenker, KS Carbon-Dropper, ….) die den VK ganz schnell auf über 6500.- Euro katapultiert haben.

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Fahreindrücke zum BOLD Unplugged

Seinen ersten Ausflug unter mir durfte das BOLD Unplugged Vorserienbike in den Bikepark Fiss machen, wo wich ganz schnell gezeigt hat, dass es in der getesteten Konfiguration mit flachem Lenkwinkel (effektiv 63,2°) bergab eine echte Maschine ist. Dank des bekanntermaßen sehr linearen Hinterbaus und der 170 mm Gabel war das Bike hier voll in seinem Element und hat auch bei gröberen Wurzelteppichen nie Unsicherheit aufkommen lassen. Mit dem Vorderrad so weit vor einem wirken selbst steilste Passagen wie ein Spaziergang, wobei ich auch in gemäßigteren Stücken des Black Hill Downhills nie das Gefühl hatte ein reines Gravity-Bike zu fahren. Wem das dennoch etwas zu laufruhig ist, findet in der Variotec Lenkwinkel-Verstellung aber eine schnelle Abhilfe mit der sich der Lenkwinkel recht einfach um effektiv 1,5° verstellen lässt.

Der Carbonrahmen ist, wie sein Vorgänger auch schon extrem verwindungssteif und dementsprechend präzise. Trotz seines unverschämten Komforts habe ich es auch bei größeren Drops nicht geschafft die Grenzen des Hinterbaus zu erleben, was klar für die Nehmerqualitäten des Bikes spricht.

Auf einer zweiten Abfahrt über den zum Teil flowig geshapeten und zum Teil naturbelassenen Frommestrail waren dann eher die Allroundeigenschaften des Unplugged gefragt. Für meinen Geschmack hätte mir hier die etwas steilere Lenkwinkeleinstellung noch besser gefallen, aber weil die Witterungsbedingungen wahrhaft eklig waren, habe ich mir nicht die Zeit genommen, dies zum ersten mal und glich auf dem Trail auszuprobieren. Wie auch schon beim Test des TANTRUM Shinning 2.0 mit vergleichbaren Lenkwinkeln, war es aber auch hier der sehr flache Lenkwinkel nie wirklich störend. Weder in enge Kehren, noch in verblocktem Gelände fand ich, dass dadurch je mein Fahrvergnügen geschmälert worden wären. Ganz im Gegenteil hat es das BOLD Unplugged geschafft, dass ich trotz miesesten Trail-Bedingungen und Dauerregen einen Heidenspaß auf dem doch 1000 Tiefenmeter langen Trail hatte.

Auf den wenigen, aber durchaus steilen Gegenanstiegen des Trails hat auch das Unplugged seine minimal hecklastige Gewichtsverteilung gezeigt, die sich aber mit etwas mehr Druck im Dämpfer bzw. dem am Lenker befindlichen Dämpfer-Lockout jederzeit und einfach beheben lässt. Vom leichten Abtauchen des Hecks in steilen Ansteigen einmal abgesehen, ist die Kinematik wie auch beim Linkin Trail LT  ausgesprochen effektiv und wippneutral, was in Kombination mit dem sehr steifen Rahmen und dem sehr ordentlichen Gesamtgewicht für einen sehr guten Vortrieb sorgt. Der einzige Kritikpunkt war, dass die Testfahrt in ruppigem Gelände von ständigem Klappern begleitete wurde. Neben dem am Vorserien-Testbike befindlichen, aus zu hartem Kunststoff gefertigten Kettenstrebenschutz waren auch die Magneten am Unterrohr zu schwach um die Abdeckung auf dem Trail klapperfrei zu halten. In Serie werden beide Kritikpunkte aber ausgebessert sein, weshalb ich es hier nur der Vollständigkeit halber erwähne.

Auch wenn OLI und ich uns bei der Testrunde mit der neuen DT-SWISS F535 Federgabel auf dem BOLD Unplugged Demobike vor allem die Federungsperformance der Gabel konzentriert haben, wurden unsere Fahreindrücke dadurch nur weiter bestätigt. Einzig was das Handling, oder genauer die Agilität der Lenkung angeht, war das BOLD Unplugged mit der DT Federgabel (160 mm!) ausgestattet deutlich agiler und verspielter zu fahren. Nachdem beide Bikes mit der identischen Variotec-Konfiguration gefahren wurden, ist der überraschend deutlich spürbare Unterschied vor allem in der mit 160 mm minimal kürzer bauenden F5353 Federgabel und ihrer speziellen Federungscharakteristik zu suchen, aber dazu mehr im betreffenden Artikel in ein paar Tagen.

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Praxiseindrücke zum BOLD Unplugged – Zusammenfassung

Auch wenn die nur kurzen Testeindrücke der beiden Ausfahrten (unter zugegeben widrigen Bedingungen) nicht ausreichen ein Bike wirklich kennenzulernen, kann ich doch schon jetzt sagen, dass das BOLD Unplugged eine tolle Ergänzung des Portfolios in Richtung Enduro und Enduro-Race ist, aber auch vor dem Allround- und Toureneinsatz nicht zurückschreckt.  Mit den vielfältigen Technologien zur Geometrie-Justage und den unterschiedlichen Laufradoptionen ist das Unplugged sehr wandlungsfähig und dürfte vor allem den anspruchsvollen Enduristen und Liebhaber technischer Trails mehr als zufriedenstellen. Ein Bike mit höchstem Wiedererkennungswert, vollgestopft mit technischen Innovationen und eine Wucht auf dem Trail. Wie funktional die Versstellmöglichkeiten auf Dauer sind und wie genau sie in der Praxishandhabung sind, konnte der Kurztest natürlich nicht klären.

RIDE ON,
c_g