VITTORIA Agarro Trail 4C Graphene 2.0 TNT 29×2,6“ & 29×2,35“ – Testfazit: von MiMü
(dazu bisher erschienen: Vorstellung,  Testintro und Erste Eindrücke)

Mit den Neujahrsvorsätzen ist das immer so eine Sache – mein persönlicher Vorsatz, dieses Jahr mehr Zeit fürs Biken zu nutzen, ist berufsbedingt schon in den ersten Tagen des Jahres wieder enntäuscht worden .. aber so läuft es eben manchmal. Den Anfang meiner Berichterstattung für 2020 macht daher das leicht verspätete Fazit zum jüngsten Trailreifen des italineischen Reifenspezialiszen von VITTORIA, de Agarro, den ich seit November’19 ausgiebig testen durften.

Der Agarro ist VITTORIA jüngster Trailreifen und ist seit November 2019 bei mir im Testeinsatz.

Nach den Modellen Morsa, Gato II sowie den Enduroreifen Martello und Mota ist der Agarro bereits der fünfte VITTORIA-Reifen mit der innovativen 4C Graphene Compound, der sich im TNI-Test bewähren dürfte. So weit mir bekannt, ist „4C“ noch immer das einzige verfügbare 4-fach Compound auf dem MTB-Reifenmarkt und mit der Bezeichnung Graphene 2.0 zeigt VITTORIA an, dass die geheime Rezeptur ein neuerliches Update erfahren hat. So wird das Compound jetzt noch spezieller an den Einsatzbereich des Reifens angepasst, im Falle des Agarro also in etwa viel Grip und Traktion bei gleichzeitig geringem Rollwiderstand.

Auf den derzeit recht anspruchsvollen Trails hat mich der Agarro in beinahe allen Bereichen mehr als nur begeistert.

Im Praxistest konnte der Agarro mich in der Wertung Compoundeigenschaften bis zum Testende voll überzeugen. Beide Varianten – der breite 2,6“ und der etwas schmälere 2,35“ – lassen sich die Trailreifen angesichts ihres eher moderaten Gewichts sehr leicht beschleunigen und gefallen durch ihr weiches Abrollverhalten. Sicher ein Effekt des smarten Compounds und des rollfreudigen Stollendesigns mit seinen teilweise abgestuft ausgeführten Stollen der mittigen Profilreihe. Einfach so beim Dahinpedalieren überzeugt der Agarro durch einen auffallend geringen Rollwiderstand.Natürlich legt er nicht die Spritzigkeit des deutlich schnelleren und leichteren VITTORIA Barzo an den Tag, aber im direkten vergleich zum Morsa gewinnt der Agarro klar in Sachen Rollwiderstand. Zudem fällt sein Abrollverhalten holpriger aus, was ich auf die größeren Stollenabstände und die quer zur Fahrrichtung ausgerichteten Profilreihen zurückführe.

Als nächstes Highlight des VITTORIA Agarro erwies sich in den letzten zwei Monaten der Bereich Grip und Traktion im Gelände. Der Agarro läßt sich weder von aufgeweichten, matschigen Waldböden aus der Ruhe bzw. Spur bringen, noch von hartgefrorenen, teilweise vereisten oder rutschigen Trails mit Spurrinnen. Compound und Stellendesign sorgen also zuverlässig für mehr als ausreichend Vortrieb, Bremstraktion und Kurvengrip. Der Agarro kommt auch unter den genannten widrigen Bedingungen sicher und vertrauenerweckend rüber. Echt klasse, wie der Agarro ishcer die Spur hält. Unser Leser Toni wollte in seinem Kommentar zu den Ersten Eindrücken ja wissen, ob beim 4C-Compound mit kältebedingtem Performanceverlust zu rechnen ist. Auf Anfrage beim Hersteller versicherte man uns, dass das „4C-Compound so ausgeklügelt entwickelt wurde, und auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt noch sehr gut funktioniert“.

Hervorheben darf ich auch das auffallend homogene Einlenkverhalten und angesichts des Grips spritzige Kurvenfahrverhalten. Die zwischen dem eigentlichem Mittelprofil und den massiven Seitenstollen angeordneten kleinen und nahezu quadratischen Zwischenstollen sorgen dafür. In richtiger Schräglage sind die deutlich größeren, leicht versetzt positionierten und gut abgestützen Seitenstollen dafür verantwortlich, dass die Agarro-Brüder wie auf Schienen durch die Kurven räubern. Ein ähnlich kompromissloses Fahrverhalten offenbahrte sich auf richtig hartgefrorenen Trails, denn auch hier bügelte der Agarro alles glatt, was sich im in den Weg stellte. Bauartbedingt war die 2,6“ breite Variante bei derartigen Bedinngungen die bessere Wahl am Vorderrad, ließ sie sich durch harte Längsrillen nicht aus der Ruhe bringen. Der schmälere Agarro brauchte da etwas mehr Gegendruck am Lenker um den ausgefahrenen Spuren nicht einfach blindlinks zu folgen.

Egal ob in tiefen Böden oder auf durch nasse Blätter rutschigen Trails – der VITTORIA Agarro hat stets mehr als ausreichend Trip für alle Lebenslagen.

Als Vorreiter in Sachen Tubeless hat VITTORIA mittlerweile sehr viel Erfahrung, und das ist bei der TNT Trail Karkasse des Agarro nicht nur durch die nahezu 100-prozentige Luftdruckstabilität zu spüren. Für besseren Pannenschutz wird bei der 120 TPI feinen Trail Karkasse an den Flanken und unter der Lauffläche eine zusätzliche Nyloneinlage, APF genannt, eingearbeitet, die den Reifen effektiv vor Schnitten und anderen Beschädigungen schützen soll. Da während meines Tests keinerlei Reifenpannen zu monieren waren und sich beide Reifen bei näherer Betrachtung völlig unbeschädigt präsentierten, gehe ich von einer soliden, durchdachten Karkassenkonstruktion aus. Neben ihrer Hauptaufgabe als Pannenschutzeinlage machte die Nylonschicht den Agarro insgesamt stabiler und resistenter gegenüber Walktendenzen, seine Anpassungsfähigkeit an den Untergrund litt dadurch aber nicht. Beim Überrollen von Wurzeln beispielsweise gefiel mir die Anschmiegsamkeit des Agarro sehr gut.

Verglichen mit meinen beiden anderen VITTORIA-Reifen geht der Bereich Grip und Traktion eindeutig an die beiden Agarro-Modelle. Beim Einsatz als Hinterreifen würde ich den Morsa in etwa gleichauf mit dem Agarro sehen, generiert sein breites, quergestelltes Mittelprofil doch ebenfalls sehr viel Bremstraktion und Vortrieb. Als Vorderreifen bietet der Agarro subjektiv mehr Kurvenhalt und gefällt zudem durch das homogenere Einlenkverhalten. Den Barzo hatte ich lediglich am Hinterrad im Einsatz, hier kam er bedingt durch sein offeneres Profil sehr viel früher an seine Grenzen als die beiden potenteren Modelle Agarro und Morsa. Ein unsicheres, unkontrolliertes Fahrverhalten zeigte aber auch der Barzo nicht. In einem Bereich hatte der VITTORIA Agarro gegenüber seinen beiden Geschwistern allerdings das Nachsehen: der Selbstreinigung. Durch sein verhältnismäßig eng stehendes Profil setzte er sich gerade auf herbstlich aufgeweichten Böden schneller zu und benötigte auch auffallend viele Reifenumdrehungen, um sein Profil halbwegs frei zu bekommen. Gerade die Kombination aus Lehmboden, Matsch und Laub machte dem Agarro mitunter ordentlich zu schaffen. Unter diesen Bedingungen neigte er dann auch zum Ausbrechen und Wegrutschen. Das können sowohl Morsa, wie auch Barzo besser.

Der VITTORIA Agarro vereint alles, was man sich von einem erstklassigen trailreifen verspricht. Seine einzige Schwäche ist eine nicht so optimale Selbstreinigung.

Beim Thema Verschleiß, oder wie es auf neudeutsch bezeichnet wird „tire wear“, gibt es dagegen nur Positives zu berichten. Um eine faire Verschleißmessung durchführen zu können, wurden beide Agarros jeweils die halbe Testdauer als Vorder- und Hinterrad benutzt. Bei beiden Exemplaren sehen Profilblöcke und Gripkanten nahezu neuwertig aus, ein- oder gar ausgerissene Stollen sind nicht erkennen. VITTORIA verspricht uns Endkunden ja eine verlängerte Lebensdauer bei allen Graphene 2.0 Reifen – dies scheint so zu stimmen.

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Testfazit:

Der VITTORIA Agarro wartet mit einem innovativen Graphene 2.0 Compound, einer einzigartigen 4C Gummimischung und einem ausgeklügelten Stollendesign auf, die mich zusammen im Praxistest voll überzeugen konnten. Als moderner Trailreifen vereint der Agarro einen auffallend geringen Rollwiderstand, enormen Grip auf verschiedensten Untergründen, einem angemessen hohen Pannenschutz und erstklassige Tubeless-Eigenschaften. Als einziges, kleines Manko kristallisierte sich in herbstlich, aufgeweichten Böden lediglich die Selbstreinigung des Agarro heraus. Damit ist der VITTORIA Agarro einer der für mich besten Trailreifen, der meine zugegeben hohen Erwartungshaltung im Praxistest sogar noch übertroffen hat. Ich die beiden Testreifen, den breiten 2,6“ vorne und den schmäleren 2,35“ am Hinterrad, auch weiterhin für ausgiebige Trail-Touren nutzen.

MiMü