ROCK SHOX AXS Dropper und SRAM AXS Schaltung – Praxiseindrücke: von c_g

Nachdem ich euch in meinem letzten Artikel davon berichtet habe, wie sich die jüngste Generation von ROCK SHOX Federelementen und die SRAM G2 Ultimate Bremse geschlagen haben, soll es jetzt um meine Erfahrungen mit den elektronischen AXS Komponenten von SRAM und ROCK SHOX.

Elektronik am Mountainbike ist ein viel diskutiertes Thema, das mit dem AXS Komponenten von SRAM noch weiter befeuert wird. Was bringt eine elektronische, von Servomotoren angetriebene Schaltung und Dropper-Stütze gegenüber den bisherigen Modellen? Geht es nur darum zu zeigen, dass es auch ohne Leitungen und Kabel geht, oder steckt hinter den kabellosen Bauteilen das Potential für einen echten Umbruch in der Bikebrache?

Letzteres dürfte derzeit wohl aufgrund des sehr exklusiven Preise der AXS Komponenten (1000.- Euro für die Reverb AXS Dropper mit Remote und etwa 950.- Euro für die Kombi aus AXS Shifter und Schaltwerk) wohl noch nicht eintreffen, aber wer die Bikebranche kennt, weiß dass die erstmals sehr teuren Technologien der Innovationsträger relativ schnell auch in erschwingliche Bauteile übertragen werden … und dann könnte das Thema ganz schnell zum Massenphänomen werden. Grund genug sich die brandneuen Komponenten mal in de Praxis genauer anzuschauen und ihnen auf den Zahn zu fühlen.

Zuerst einmal vorab – aktuell umfasst die AXS Baugruppe für MTBs lediglich ein Hand voll Bauteile: Die AXS Reverb Dropper (samt kabellosem Remote), einen Shifter und zwei Schaltwerke (X01 und XX1) – die Bauteile, auf die ich mich hier in dem Bericht auch hauptsächlich konzentrieren werde. Außerdem gibt es noch die SRAM AXS-App, auf die ich bisher nur am Rande eingegangen bin, mit der sich die Bauteile noch weiter konfigurieren und anpassen lassen. Alle übrigen Bauteile bleiben komplett unverändert. Wer also um-/aufrüsten will (und das nötige Kleingeld hat), kann das mit seinem bisherigen Eagle Antrieb ungeniert tun.

Ästhetisch und vom Montageaufwand ist AXS natürlich eine Augenweide – kein Leitungssalat am Cockpit mehr und nur noch die beiden Bremsleitungen, um die man sich bei der mOntage kümmern muss.

Doch genug der Vorrede – hier zu meinen ganz persönlichen Praxiseindrücken bis hierher.

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Praxiserfahrungen – AXS Reverb

Zuerst das einfachere der beiden Themen – die AXS Reverb Stealth Dropper-Sattelstütze. Das Teil ist, mal abgesehen vom exorbitaten Preis (empfohlener VK bie 800.- Euro für die Drooper und nochmals ca. 200.- Euro für den passenden Remote), einfach top. Ich wage zu behaupten, dass allein aufgrund der Reaktionsgeschwindigkeit, kein Mensch die kabellose Dropper-Stütze von einer herkömmlichen unterschieden könnte. Das Ding funktioniert so unvermittelt und ohne jegliche Zeitverzögerung, dass es einem fast schon unheimlich ist.

Bezieht man dann noch mit ein, dass die Betätigung des kleinen Hebels links am Lenkers fast ohne Widerstand erfolgt und mit einem sehr geringen „Hebelweg“, so ist die AXS-Dropper gefühlt sogar noch schneller, als ihre konventionellen Konkurrenz.

Die neue Konstruktion des Sattelklemmkopfes mit separater Neigungseinstellung hat bisher ebenfalls sehr gut funktioniert. Sie erlaubt es sehr einfach und schnell den Sattel zu wechseln, ohne, dass man dadurch vorherige Einstellungen verliert oder eben eine simple Justage des Sattels. Die Energieversorgung über den kleinen Akku ist bisher auch keineswegs ein Thema gewesen, denn auch nach den vielen Ausfahrten in den vergangenen 3 Wochen, zeigt der Akku immer noch eine volle Ladung an.

Eine dritter Aspekt ist ebenfalls sehr wichtig – die Baulänge der Stütze. Hier war die bisherige Reverb immer schon eine der längeren und war auch wegen ihrer hydraulischen Anlenkung immer noch mehr benachteiligt gewesen. Die neue AXS Reverb dagegen baut nicht nur extrem kurz, sie hat nach unten eben auch keinen mechanischen Fortsatz mehr, der irgendwo im Weg sein könnte. Nachgemessen hat meine AXS Dropper mit 175 mm Hub fast die gleiche erstklassige Einbaulänge wie der bisherige Klassenprimus BIKEYOKE Revive (mit 185 mm Hub) – vom untersten ende bis an die Unterseite des Klemmkopfes misst die AXS Reverb noch nicht einmal 29,5 cm.

Ich werde die ROCK SHOX AXS Reverb Dropper-Stütze noch intensiv weiterfahren und berichten, wenn sich irgendwelche Auffälligkeiten ergeben, aber bisher funktioniert das gute Stück absolut zuverlässig und funktioniert auch mit ihrer Elektronik vollkommen unauffällig.

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Praxiserfahrungen – AXS Schaltung

Was ich über die AXS Reverb geschrieben habe, gilt auch für die AXS Schaltung – sie funktioniert ganz ohne spürbare, zeitliche Verzögerung. Ein leichter Druck auf den Wippschalter und das Schaltwerk schaltet. Weil meine Schaltung  so  konfiguriert zu mir gekommen, dass die Wippe nach unten gedrückt in einen leichteren Gang und nach oben gedrückt in einen schwereren Gang geschalten hat – quasi invers zu der Logik des mechanischen Trigger – war es für mich anfangs recht schwer mich nicht ständig zu verschalten.

Solange ich mich aufs Schalten konzentriert habe, bin ich gut mit dem AXS–Shifter zurecht gekommen, aber sobald ich „einfach nur gefahren bin“ habe ich mich wirklich ständig verschalten. Glücklicherweise hilft einem genau hier die AXS-App, denn mit ihr kann man mit nur wenigen Klicks, ganz einfach die Schaltlogik umkehren. Nachdem ich die Schaltung derart angepasst habe, hat es immer noch eine Weile gedauert, bis ich damit motorisch in jeder Situation komplett zurecht gekommen bin – vielleicht bin ich diesbezüglich auch nur schwer von Begriff – aber mittlerweile funktioniert sie auch für mich in jeder Situation wunderbar intuitiv.

Ebenfalls ein wenig gewöhnungsbedürftig empfinde ich die Haptik und Ergonomie des elektronischen Wippschalters. Beide fallen doch recht anders aus, als die der bisherigen, mechanischen Schaltung mit ihren zwei unabhängigen Hebeln und klar definiertem Hebelweg. Durch die rundliche, sehr ergonomische Form des Wippschalters ist man gerne versucht den Daumen in dieser Mulde ruhen zu lassen … und läuft dann Gefahr bereits mit geringstem Druck einen ungewollten Schaltvorgang einzuleiten. Mir ist das Anfangs relativ häufig passiert – mittlerweile nehme ich den Daumen nach jedem Schalten vom Shifter und das Thema ist gegessen. Ergonomie und Haptik sind stark subjektive Aspekte und es mag gut sein, dass andere Fahrer mit den Eigenschaften des Shifters auf Anhieb zurecht kommen, aber in meinem Fall hat es doch eine Weile gedauert, bis ich einerseits manche Gewohnheiten mit den mechanischen Shiftern abgelegt habe, die hier eben nicht funktionieren und andere feinmotorische Bewegungen wirklich verinnerlicht hatte, die hier besser funktionieren. Mittlerweile ist es kein Thema mehr, aber gerade am Anfang hätte ich mir doch einen Shifter gewünscht, der ergonomisch näher am mechanischen System funktioniert.

     

Wer die AXS-App nutzt, bekommt außerdem die Möglichkeit auswählen, wie viele Schaltschritte das Schaltwerk beim Gedrückthalten des Kippschalters macht – 2 Gänge, 3 Gänge oder bis zum Ende der Kassette … und das getrennt fürs Schalten nach oben oder nach unten. Voreingestellt waren 3 Gänge. Ich habe schon früh ein wenig damit herumexperimentiert und schnell herausgefunden, dass „alle Gänge“ einfach zu undefiniert sind und nur „2 Gänge“ einfach zu langsam sind, also bin ich am Ende wieder bei 3 Gängen in beide Richtungen gelandet.

 

Ein richtig cooles und wie ich finde nützliches Feature der AXS Shifter ist die Verlängerung der Wippe nach vorne – das sogenannte Sprint-Paddle. In den beiden Bildern oben sieht man diesen sonst im montierten zustand fast unsichtbaren Vorsatz gut – links im Bild von oben und rechts im Bild von vorne betrachtet.  In seiner aktuellen Form ist dieser Sprint Paddle zwar eher dafür geeignet nur durch Drücken betätigt zu werden (je nach Schaltlogik zum hoch- oder runterschalten), aber grundsätzlich kann man so auch mit dem Zeigefinger in beide Richtungen schalten. Bereits mit einer kleinen Formveränderung könnte man so ganz einfach auch mit dem Zeigefinger rauf und runter schalten – ein Bereich für die SRAM Shifter bisher ja immer gegenüber SHIMANO im Nachteil waren. Überhaupt ist in meinen Augen die Formgebung der Wipptasten das Bauteil des Shifters, das noch einiges an Optimierungspotential besitzt – ich bin mir sicher, dass findige Aftermarket-Hersteller hier schon bald mit alternativen Formen auf den Markt kommen werden.

Das AXS-Schaltwerk selber baut durch den Akku und den verbauten Servomotor mit Getriebe ein wenig größer als das mechanische Gegenstück, ist sonst aber recht unauffällig. Es schaltet in beide Richtungen motorgetrieben und damit gleich schnell. Gegen ein Überschalten im Stillstand hat das Schaltwerk eine Überlastsicherung eingebaut, so dass man als Nutzer eigentlich nichts falsch machen kann. Die beiden Endanschläge  sind ja weiterhin mechanisch. Die Schaltwerksjustage erfolgt denkbar einfach indem man die kleine AXS-Taste unten am Shifter drückt und per Wippe das Schaltwerk um je 0,2 mm nach links oder rechts versetzt – eigentlich genau so, als würde man die Vorspannschraube am mechanischen Shifter drehen … nur eben viel präziser und einfacher. Während das SRAM Testbike natürlich perfekt eingestellt zu mir kam, werde ich in der nächsten Testphase die AXS Schaltung auch einmal auf ein anderes Bike versetzen um zu prüfen wie aufwendig die Schaltungsjustage wirklich ist … Was die übrige Funktion der Schaltung angeht, hatte ich bisher keinerlei Auffälligkeiten. Dank der weiterhin verbauten Schaltkäfigdämpfung der nächsten Generation läuft die Kette sehr ruhig und auch das Entspannen der Kette (etwa zum Laufradaus-/einbau) mit dem kleinen Arretierstift funktioniert genauso wie bisher auch.

Die innovative „Overload Clutch“ Technologie, mit der das Schaltwerk im Fall einen Schlages oder Sturzes ausweichen kann und wieder in seine Ausgangssituation zurückkehrt, habe ich bisher entweder noch nicht gebraucht oder es einfach nicht wahrgenommen, wenn sie aktiv geworden war. Im Stand habe ich sie schon mehrfach ausprobiert und festgestellt, dass sie absolut zuverlässig funktioniert. Diese Technologie kann gerade in technischem Gelände Gold wert sein – sie könnte sowohl einen Schaden am Schaltsystem verhindern, wie auch ein oft mit Bodenkontakt einhergehendes Verstellen der Schaltung und ist für mich eines der eher weniger beachteten Highlights der AXS-Schaltung.

Weil die Komponenten mit Bewegungssensoren ausgestattet sind, reicht eine kleine Bewegung des Bikes um das System „aktiv zu stellen“. Deswegen bewirkt bereits der erste Testendruck einen Schaltschritt. Nach ein paar Minuten im Stillstand geht das System auf Standby um Energie zu sparen. Dann passiert auch nichts, wenn man eine der Tasten drückt. Andererseits sollte man bei einem längeren Transport des Bikes auch die Akkus entfernen und durch die mitgelieferten Abdeckkappen ersetzen, denn sonst bleibt das System permanent auf Bereitschaft und verbraucht auch ohne, dass man schaltet Strom.

Zum Thema Stromverbrauch und Akku-Ladung, habe ich bisher sehr beruhigende Erfahrungen mit AXS gemacht.: Ob es an meiner Fahrweise liegt – dass ich mehr schalte als die Dropper nutze – oder auch daran, dass das Schaltwerk einfach mehr Strom verbraucht, kann ich nicht sicher sagen, aber nach etwa 3 Wochen intensiver Nutzung hat bei mir zum ersten Mal das Schaltwerk angezeigt, dass sein Akku demnächst aufzuladen wäre. Statt ihn zu laden, habe ich probweise aber einfach den Akku der Dropper mit dem des Schaltwerks getauscht und fahre seither so weiter. Klar bleibt die Tatsache, dass das System Strom zur Funktion benötigt, aber allein mit dieser Möglichkeit des Akkuwechsels kann man sich offenbar locker noch ein paar Tage über die Runden retten und seine Tour – egal wie lang sie noch ist – zu ende fahren, falls man wirklich keine Lademöglichkeit hätte. Das Thema Stromversorgung und Notwendigkeit zum Laden wurde damit für mich noch weiter entschärft … wobei ich an diesem Punkt ohnehin keinen wirklich kritischen Punkt sehe, denn auch ein zusätzlicher Ersatzakku kostet nicht die Welt, und fällt mit ca. 20 g kaum wirklich ins Gewicht.

Zwischenstand: Als praxisorientierter Biker, stehe ich dem Thema Elektronik am Bike recht gelassen gegenüber und bin ziemlich ambivalent in den Test gegangen. Wenn sie mir hilft dadurch mehr Spaß zu haben und mich nicht durch erhöhte Anfälligkeit oder sonstige Marotten einschränkt, habe ich keine Probleme damit auch neue Technologien am Bike zu fahren. So wie es aktuell aussieht gehören sowohl die SRAM AXS Dropper, wie auch die AXS Schaltung in genau diese Kategorie von Produkten. Sie funktionieren beide bisher absolut zuverlässig und unauffällig und hat doch bereits Vorteile, die man eben im rein mechanischen Systemen nicht hat. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt der noch sehr hohe Preis die größte Hürde für einen echten Durchbruch, aber das grundlegende Konzept hat mich doch auch jetzt schon so ziemlich überzeugt. Dabei sind in dieser ersten AXS-Generation ja bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die ein elektronisches System bietet. Auch die Tatsache, dass AXS keinen Tech-Overload erzeugt und auch unter nicht Technik-affinen Fahrern tadellos funktioniert ist ein echter Bonus. Auch für Fahrer, die sich überhaupt nicht mit der App oder der Technik beschäftigen wollen, ist AXS kein Stoplerstein. Genau wie seinerzeit mit 1-fach hat SRAM mit AXS für mich eine Türe geöffnet – ob und wie sich diese damit geweckten Erwartungen mittel und langfristig erfüllen, muss sich erst noch zeigen … aber der Anfang ist getan und der ist nach dem bisherigen Stand des Tests durchaus positiv zu werten.

RIDE ON,
c_g

Ps: als nächste und letze Komponenten des EVIL Titelträgers sind noch die ZIPP3Zero Moto Laufräder, über die es ebenfalls eine menge zu erzählen gibt.