NINER RIP 9 RDO – Praxiseindrücke von den Eurobike Mediadays’19: von MiMü

Als ich vor rund acht Jahren auf den 29“-Zug aufgesprungen bin, war mein erstes Twentyniner-Bike ein „tarmal red“ lackiertes NINER EMD 9. Ein dunkelrotes Alu-Hardtail, das mich durch sein ausgewogenes Fahrverhalten zum Umstieg auf die großen Laufräder bewogen hat. Seitdem hatte ich viele Bikes in meinem Fuhrpark, mal Hardtail, mal Fullys – und es war auch immer wieder ein NINER. So wie ich auch aktuell ein 2017er RIP 9 RDO Carbon mit 150 mm Federweg fahre – zuletzt als Plattform für die MARZOCCHI Bomber Z2.

Dessen Nachfolger haben wir euch Anfang des Jahres in einem ausführlichen Bericht vorgestellt. Im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Eurobike Mediadays in Reischach/Kronplatz bot sich uns erstmals die Gelegenheit, das neue NINER RIP 9 RDO ausführlich zu testen.

Um euch nicht lange mit allen Rahmendetails zu langweilen (der ist oben verlinkt) hier nur das Wichtigste in aller Kürze: Das RIP 9 RDO hat weiterhin einen Vollcarbon-Rahmen, bietet 140 mm Federweg am Heck, kombiniert mit 150 mm an der Front, womit NINER das Bike in der Allmountain-Ecke positioniert. Die neue  RIB CAGE genannte Carbonstrebenverbindung zwischen Unter- und Sitzrohr im Bereich des Tretlagers/Dämpfers soll dem Rahmen zu mehr Torsionssteifigkeit bei gleichzeitig hohen Komfortwerten verhelfen. Dabie geht es allerdings weninger um den ohnehin scho steifen Tretlagerbereich, sondern vor alem darum das Sitzrohr im Bereich der Umlenkwippe zu versteifen … damit auch der Hinterbau davon profitiert.

Die Geometrie folgt dem aktuellen Trend nach long, low and slack auf eine eher, moderate Art und Weise. So beträgt beispielsweise der Lenkwinkel nun nur minmal laufruhigere 66°, der Sitzwinkel treteffiziente 75,8°.

Erstmalig in seienr Geschichte verfügt das RIP 9 RDO über einen High-/Low-Flipchip, der das Bike in der Low-Einstellung noch einmal um 1° abflacht und das Tretlager um 7 mm absenkt. Um längere Dropper-Sattelstütze fahren zu können, hat NINER bei allen Rahmengrößen die Sitzrohre gekürzt, wodurch gleichzeitig auch die Überstandshöhe größer wurde.

Für eine noch bessere Federungsperformance hält NINER an dem eh schon sehr gut funktionierende CVA-Hinterbaukinematik fest, hat ihn aber im Detail noch weiter verbessert. NINER verspricht ein Optimum an Traktion und Komfort, Feedback und Gegendruck sowie ausreichend Progression für eine etwas gröbere Gangart. Zur leichteren Abstimmung hat man den Drehpunkt der Umlenkwippe mit einem praktischen SAG-Indikator ausgestattet. Selbstschrauber dürften sich über das weiterhin erhalten gebliebene BSA-Tretlager und die nun durchgehend in extra einlaminierte Führungen der im Rahmen verlaufenden Züge freuen.

Für den europäischen Markt bietet NINER zwei Komplettbikevarianten mit etwa untschiedlicher Ausstattung an. Unser Testbike in Rahmengröße M (daneben gibt es das RIP 9 RDO auch noch in S, L und XL) kam in der 4-Star-X01 Eagle-Konfiguration, die satte 7298.- € kostet. Die Federelemente stammen dabei von FOX, vorne werkelt eine FOX 36 FLOAT FACTORY FIT4 EVOL mit 150mm Federweg, hinten ein FOX FLOAT DPX2 FACTORY EVOL, jeweils mit edler Kashima-Beschichtung.

Sämtliche Schaltungsteile stellt SRAM mit seiner X01 EAGLE Gruppe zur Verfügung, vom Trigger über Schaltwerk und Kassette bis hin zur Carbon-DUB-Kurbel werden vom X01-Schriftzug verziert. Einzig das verbaute 32er Directmount-Kettenblatt würde ich persönlich allerdings gegen ein kletterfreundlicheres 30er tauschen. Auch die Bremsanlage stammt von SRAM, passend zum Einsatzbereich verzögert das RIP 9 RDO mit einer Guide RSC.

Beim Laufradsatz vertraut NINER auf STANS NOTUBES Flow S1 mit 29mm Maulweite sowie Neo Naben, jeweils mit BOOST-Einbaumaß. Als Reifen kommen vorne ein MAXXIS Minion DHF 3C 29×2,5“ WT und hinten ein Aggressor EXO 29×2,5“ WT zum Einsatz. Zusätzlich war unser Testbike mit dem HUCK NORRIS Durchschlagschutz ausgestattet. Komplettiert wird die edle Ausstattung durch ein RACE FACE-Cockpit, bestehend aus einem 800mm breitem NEXT R Carbon Lenker in Kombination mit einem 40mm kurzen Turbine R Vorbau, einer 150mm Hub bietenden SDG Tellis Dropper Post und einem NINER-eigenen Sattel. SO ausgestattet brachte unser Testbike in Rahmengröße M gerade einmal 13,7 kg. Jetzt aber genug der Fakten, Zeit für Fahreindrücke!

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Fahreindrücke

Die Abstimmung der FOX-Gabel ging dabei einfach und flott von statten. Drauf setzen, SAG und Rebound einstellen, fertig. Beim Set-Up des Dämpfers war schon etwas mehr Aufwand nötig. Aufgrund der Rahmenverstrebungen braucht man zum Setup des Dämpfers einen speziellen, L-förmigen Adapter (im Lieferumfang), um Dämpfer und Pumpe miteinander verbinden zu können. Ohne den Adapter steht die rechte Carbonstrebe des RIB CAGE im Weg und eine Abstimmung des Dämpfers wäre schlichtweg nicht möglich. Besagter Adapter muss zudem vor Fahrtantritt unbedingt auch wieder abgeschraubt werden, ansonsten wären teure Schäden am Dämpfer oder gar an der Carbonstrebe die Folge. Der am Drehpunkt der Umlenkwippe angebrachte SAG-Indikator vereinfacht das Einstellen des empfohlenen 30% SAG.

Von der Sitzposition her erinnert mich das neue RIP 9 RDO trotz aller Updates doch noch sehr an das Vorgängermodell – ein Aspekt, den ich durchaus positiv empfinde., Man nimmt mittig und mit guter Übersicht im Bike Platz. Es fühlt sich vom ersten Meter an wie ein guter alter Bekannter an. Bei einem Blindtest hätte ich das Testbike und mein eigenes RIP 9 RDO kaum unterscheiden können, so gewohnt kam mir die Sitzposition vor. NINER selbst bezeichnet seine neueste Schöpfung zwar als „the longest, lowest, slackest Niner ever made“, verglichen mit anderen, aktuellen Bikes könnte man die Geometrie des RIP 9 RDO aber getrost als eher gemäßigt bezeichnen. Was absolut kein Fehler sein muss, denn auch due funktioniert bereits super. Immerhin entfiel so für mich die Eingewöhnungsphase und ich konnte vom ersten Meter an richtig Gas geben …

Auf dem passagenweise technisch durchaus fordernden Herrensteig zeigte sich das RIP 9 RDO dann als sehr gelungene Mischung aus laufruhigem und doch verspieltem Handling. Der flachere Lenkwinkel sorgt bei Highspeed für ein zielsicheres, linientreues Fahrverhalten. Der ein wenig geringere Heckfederweg von nunmehr 140 mm war auch im felsig-verblockten Gelände in mieiner Testrunde nie ein limitiertender Faktor für mich. Vielmehr zeigte sich der verbesserte CVA-Hinterbau von seiner aktive-sensiblen Seite. Er sprach stets sensibel an ohne dabei unnötig durch den Federweg zu rauschen oder gar zu früh progressiv zu werden. Bei kurzen Gegenanstiegen straffte sich die Federung zudem unter Kettenzug, weshalb ich die 3-stufige Druckstufenverstellung des FOX-Dämpfers war zumindest hier arbeitslos.

In verwinkelten, kurvigen Passagen machte das NINER-Fully mir richtig viel Spaß. Es lies es sich wunderbar leicht von einer Kurve in die nächste dirigieren und wirkte dabei mehr quirlig-agil als sperrig oder gar unhandlich. Das kurze Heck mit den 435mm Kettenstreben dürfte sich hierfür durchaus verantwortlich zeigen. Der breite RACE FACE-Lenker passte meiner Meinung nach sehr gut zum Handling des Bikes und bietet bei schnelleren Singletrail-Teilstücken doch einen ordentlichen Hebel. Und eine tolle Abstützung. NINER verspricht sich durch seine RIB CAGE genannten Carbonstreben im Tretlagerbereich wie auch im Hinterbau eine deutlich höhere Rahmensteifigkeit – für mich war davon im Praxistest nicht viel spürbar – aber meinem Empfinden nach hatte auch das Vorgängermodell hier keine Defizite.

Die hochwertige Ausstattung des 4-Star-Aufbaus hatte während des Kurztests nur wenige, kleine Kritikpunkte. SRAMs X01-Eagle-Schaltung funktionierte gewohnt knackig und präzise, selbst unter Last rasteten die Gänge zuverlässig ein. Der 4-Kolben-Stopper SRAM Guide RSC hatte auch mit Dauerbremsungen keine Probleme, bot dabei einen angenehmen Druckpunkt und konnte dank Griffweiten- und Druckpunktverstellung effektiv an den Fahrer angepasst werden. Mit dem am Vorderrad montierten MAXXIS Minion DHF WT mit satten 2,5“ Breite war das Kurvenräubern eine wahre Freude, generierte der Reifen doch auf unterschiedlichsten Terrain enorm hohen Grip bei sauberer, kontrollierter Kurvenfahrt. Der MAXXIS Aggressor WT am Heck mit ebenfalls 2,5“ Breite hinterließ bie mir ein eher zwiespältiges Bild weil sein Übergang von sicherem Gri zum Losbrechen doch eher schmal ist. Die selten verbaute SGD Tellis Dropper Post gefiel mir durch ihr geschmeidiges, spielfreies Auf- und Abfahren, benötigte aber hinsichtlich der optimalen Zugspannung etwas Aufmerksamkeit. Bei zuviel Vorspannung fuhr die Stütze nämlich gerne von selbst nach oben, bei zu geringer Zugspannung ließ sie sich nur schwer absenken.

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Zusammenfassung

Mit dem neu aufgelegten RIP 9 RDO ist NINER wiedermal ein tolles Bike gelungen. Die Fans der Bigwheel-Traditionsmarke werden das Bike lieben. Es verfügt über eine moderne(re) Geometrie, ist dabei aber nicht so extrem ausgelegt wie manch Konkurrent. Für mich war es ein „Draufsetzen-und-Wohlfühlen“-Bike, das mir vom ersten Trail-Meter an gefallen hat. Der flache Lenkwinkel macht das Handling spürbar laufruhiger, ohne an Quirligkeit und Spielfreude verloren zu haben. Mit nun 140 mm Heck- und 150 mm Frontfederweg passt es genau in die Allmountain-Kategorie, dessen Spektrum genauso lange Tagestouren und Alpencross mitmacht. Der optimierte CVA-Hinterbau mit seinen 140mm Federweg funktionierte auf der ruppige Alpenabfahrt jedenfalls sehr gut. Über die Optik des RIB CAGE könnte man lange diskutieren, aber dem Auge des Betrachters wird durch die massive Strebenkonstruktion zumindest eine höhere Steifigkeit suggeriert. Und auch der Dämpfer ist dadurch besser beschützt.
Mit einem UVP von stolzen 7298.- € ist das NINER RIP 9 RDO in der 4-Star-Konfiguration definitiv kein Schnäppchen, allerdings erhält man als Gegenwert für sein Erspartes ein topp ausgestattetes Bike mit tollen Fahreigenschaften bar jeder Kritik!

MiMü