NORDEST Sardinha (Bikepacking-Trailhardtail) – Intro und erster Eindruck: von OLI

Warum nennt man ein Bike nach dem portugiesischen Wort für „Sardine“? Und welche Firma nennt sich selbst „Nordosten“? Um das zu verstehen muss man sich erst einmal ein bisschen mit der Historie der jungen Bike-Schmiede NORDEST aus Teneriffa auseinander setzen. Pedro Jeronimo, einer der beiden Gründer der Marke ist gebürtiger Portugiese und stammt aus dem Nordosten des Landes. Pedro hat sich in den vergangenen Jahren mit seiner eigenen Marke Jeronimo Cycles einen Namen mit Custom-Titanrahmen gemacht.

Im Oktober 2016 hat er dann mit Jesús Gerra NORDEST gegründet. Während Pedro für die Entwicklung der Rahmen verantwortlich ist, ist Jesús derjenige, der dem Webauftritt und den Rahmen ihr eigenes Gesicht verleiht. Erkennungszeichen neben dem Schriftzug NORDEST ist auch der auffällige Head Badge, der einen „Careto“, eine Figur aus dem portugiesischen Karneval darstellt (Bild links). Der Rahmen des NORDEST Sardinha wird von Pedro auf Teneriffa entwickelt und aus Kostengründen in Taiwan gefertigt. Nun ist das Sardinha ein wunderbares Beispiel für ein Bike, das mit einer Geschichte im Hinterkopf entwickelt und vermarktet wird. Dabei geht es nicht um neuste Technik, leichte Carbonrahmen, innen verlegte Züge oder dergleichen, sondern um Abenteuer: Inspiriert von den Händlern, die über die portugiesischen Berge in den Satteltaschen ihrer Tragetiere nicht nur aber eben auch Sardinen transportiert haben, wollte NORDEST ein Bike entwickeln, dass einen samt Gepäck überall hin trägt:

„We have been inspired by these noble merchants to design the Nordest Sardinha, a bikepacking MTB created to go to the end of the world (and come back in one piece). Here the philosophy is to enjoy every pedalling, to discover the landscape and the people that the trip offers us, to contemplate on the stars in some remote place, and the next morning to roll up the sleeping bag and continue the adventure.”

Aber das Sardinha will mehr als nur ein zuverlässiger Lastenesel sein. Beim ersten Anblick des Bikes auf der Webseite von Nordest dachte ich mir gleich, dass das wirklich schon mal sehr stimmig aussieht. Und der Blick auf die Geometriewerte bestätigt diesen Eindruck. Die Geodaten waren es, die es mir gleich angetan und neugierig gemacht hatten, sprechen sie doch eine klare, moderne Traillastige Sprache. Eine flache, lange und damit moderne Trail-Geometrie, macht aus dem Stahlrahmen mit seinen zahllosen Befestigungsmöglichkeiten für Flaschenhalter, Gepäckträger oder sonstige Halterungen ein richtiges Mountainbike:

Mit einem Lenk- und Sitzwinkel von 67 bzw. 73,5 Grad und einem Reach von satten 485 mm in Rahmengröße L (die effektive Oberrohrlänge beträgt hier gigantische 669 mm) kommt die Geo bei einer Kettenstrebenlänge von gerade mal 430 einen modernen Trail-Hardtail wie das kürzlich gefahrene KONA BIG Honzo CR schon sehr nahe. Sogar der Radstand ist identisch. In die gleiche Richtung zielt auch das  ist noch das relativ kurze Sitzrohr. Eher auf die Anforderungen beim Bikepacking ausgelegt ist dafür das lange Steuerrohr, das hier immerhin 150 mm misst. Während das niedrige Heck für maximale Beinfreiheit bei abgesenkter Sattelstütze auf dem Trail steht, so ist der Rahmen ja auch für Bikepacking-Touren entwickelt worden und hier braucht man im Rahmendreieck auch genügend Platz um  eine Rahmentasche und ggf. mindestens eine Flasche unterzubringen. Ösen für Flaschenhalter oder Anything Cages gibt es am Rahmen und Gabel wirklich zuhauf. Und die Ösen sind wegen der Grundidee für das Bike nur konsequent.

Das Sardinha ist eine leckere Kombination aus Trail-Hardtail und voller Bikepacking-Tauglichkeit. Genau die beiden Dinge, die mir beim Biken am meisten Spaß machen.

Nun würden Puristen sagen, dass die Ösen für Gepäckträger und Schutzbleche das Stahl- Trailhardtail in seiner cleanen Optik ruinieren, aber ich muss zugeben, ich habe mich gleich in das Bike verliebt, auch wegen seiner gestalterischen Elemente, die dem Rad neben der auffallenden Farbe wieder etwas Pep geben. Das Steuerrohr ist ein durchgängiges 44er Rohr, ist also für die Verwendung von tapered Gabeln geeignet. Der Achsstandard ist vorne und hinten Boost, die 148er Steckachse ist inbegriffen. Es gibt das Sardinha in drei Rahmengrößen: M, M/L und L für empfohlene Körpergrößen zwischen 1,68 und 1,93 m.

   

 

NORDEST selber gibt das Gewicht des Rahmens mit 2450 g in der Größe M/L an. Ich selber habe leider komplett vergessen den Rahmen vor dem Aufbau auf die Waage zu legen, daher kann ich das nicht verifizieren, und die angegebenen 2,5 kg erscheinen mir für einen derartigen Rahmen aus 4130er Stahl auch etwas zu optimistisch, aber mir ist der Rahmen beim Aufbau auch nie aus übermäßig schwer aufgefallen – außerdem soll das Teil ja auch keine XC-Rennebestreiten, sondern auf Dauer mit Gepäck und Trails fertig werden. Das hier abgebildete Komplettbike mit der dicken 29×2,6″ Bereifung und keineswegs leichten Komponenten  bringt es jedenfalls auf exakt 14,0 kg (ohne der beiden Flaschen und Pedale).
Für mich klang das NORDEST Sardinha von Anfang an nach einem richtig spannenden Konzept:  Ein Bike, das mich an das letzte Ende der Welt tragen könnte, das Gepäck verträgt und viele Anbaumöglichkeiten hat und mit dem man Abenteuer erleben kann … und trotzdem noch ein echtes, trailtaugliches Mountainbike, das auch für anspruchsvollere Trails sehr wohl geeignet ist. Meine Neugier war geweckt.

Während das auf der Website abgebildete Sardinha noch mit 27,5+ Bereifung und einer Starrgabel daherkommt, wollte ich mein Sardinha doch lieber mit einer Federgabel und breiten 29er Reifen haben. Gut, dass der Rahmen für Federgabeln bis 120 mm ausgelegt ist und dass in den Hinterbau Reifen bis zu 29×2,6er passen. Meine Wahl für die erste Aufbauvariante fiel daher auf eine MANITOU Magnum Pro mit 100 mm Federweg, ein Satz MAXXIS Rekon Reifen mit 2,6“ Breite und dazu HALO Vapour 50 Laufräder mit 45 mm Innenweite.

Ma kann das NORDEST Sardinha sowohl ans nackten Rahmen oder auch als Rahmenkit mit Steuersatz und Starrgabel bestellen.

Das Sardinha lässt sich online über die Webseite von NORDEST entweder als reinen nackten Rahmen  für 549,- Euro (inkl.  Versand innerhalb Europas) oder als Rahmen-/Gabelset (mit CANE CREEK Steuersatz und der Starrgabel für 718,99 Euro erwerben. Wer sich allerdings das Kit mit Steuersatz und Gabel kauft, muss wissen, dass die Gabel mit einem einen durchgehenden 1 1/8 Schaft kommt und  der Steuersatzes dementsprechend ausgelegt ist. Zur späteren Umrüstung auf eine tapered Gabel bräuchte man also zumindest eine neue untere Lagerschale.

*******************************************************
Erste Praxiseindrücke

Nun habe ich das NORDEST Sardinha Bike seit knapp drei Wochen aufgebaut und konnte es bereits auf mehreren Touren, darunter einer sehr langen Tour ums Wetterstein und ein paar Mal auf den Isartrails testen. Da der Rahmen mit seiner effektive Oberrohrlänge von 669 mm bei der Rahmengröße L doch enorm lang ist, habe ich mich sehr bald entschieden, das mit einem für mich bereits kurzen 70 mm  Vorbau ausgestattete Cockpit durch einen SQ-LAB 3OX Lenker mit 16 Grad Backsweep, wie ihn c_g hier schon getestet hat, noch weiter zu verkürzen. Und der erste Eindruck bestätigt bisher genau das, was ich mir von dem Bike erwartet hatte.

Seiner ersten Trailkilometer durften das schmucke NORDEST Sardinha auf meinen bekannten und schon oft gefahrenen Münchner Isartrails absolvieren … und wusste dort zu gefallen.

Auf meinen Hometrails habe ich mich von den ersten Metern an auf dem Sardinha schnell recht wohl gefühlt. Die Kombination aus 2,6“ breiten Reifen, Stahlrahmen und 100 mm Federgabel ist einerseits unglaublich komfortabel und verleiht zudem dermaßen viel Sicherheit auf dem Trail, dass ich neulich meinen Kumpel auf seinem Fully gejagt habe und ihm später davon gezogen bin. Einzig die doch enorme Oberrohrlänge und der lange Radstand sind Dinge, an die ich mich in meiner Fahrweise noch ein wenig gewöhne muss. Trotzdem wirkt das Bike doch erstaunlich wendig, was ich unter anderem auch auf die kurzen Kettenstreben zurückführe. Allerdings neigt das Bike deswegen auch manchmal bei steilen Bergaufpassagen zum Aufbäumen und bedarf einer aktiven Gewichtsverlagerung nach vorne.

Und auch eine lange Tour um das Wettersteinmassiv konnte ich damit schon machen.

Jedenfalls bin ich nach der Wettersteinumrundung mit einem satten Grinsen wieder am Start angekommen. Ich bin gespannt ob das Grinsen in den kommenden Wochen bleibt, habe da aber schon so eine Ahnung.

OLI