ROCK SHOX Lyrik RCT3 (170 mm) 29er Gabel – Zwischenstand: von c_g
Wer sich derzeit auf dem Markt nach einer langhubigen Federgabel für sein 29er umsieht, findet einiges an Auswahl, mehr denn je zuvor. Die allermeisten 29er Federgabeln hören jedoch bei 150 oder 160 mm Federweg auf. So kenn ich derzeit nur zwei allgemein erhältliche Produkte, die darüber hinaus gehen – die vor kurzem hier getestete FOX Float 36, die es ab sofort auch in 170 mm gibt und die hier getestete ROCK SHOX Lyrik, welche mit bis zu 180 mm die aktuelle Speerspitze bildet. (Die echten 29er DH-Gabeln sind derzeit noch Prototypen und noch nicht erhältlich, deswegen hört es für 29er Fahrer derzeit noch bei 180 mm auf)
Wie im Intro der Gabel ja bereits geschrieben, haben wir uns eine Lyrik RCT3 mit 170 mm kommen lassen – das längste, was unser BOLD Linkin Trail LT Testrahmen noch verkraftet und damit auch die bisher längste Federgabel, die wir bisher je hier bei TNI im Test hatten. Mal sehen ob sich das bemerkbar macht.
Das Erst-Setup der ROCK SHOX Gabeln ist bekanntlich sehr einfach und auch die Lyrik macht hier keine Ausnahme. Man muss nur den Luftdruck nach der auf der Rückseite der Gabel aufgeklebten Tabelle einstellen, den resultierenden SAG mit der auf die Standrohroberfläche gelaserten Skala nachkontrollieren und den Rebound einstellen. Zur Einstellung des Rebounds (auch: Zugstufendämpfung) gibt es zwar keine Empfehlungen, aber mit den bekannten und einfachen Prozedere (Gabel komprimieren und frei zurückfedern lassen, dabei die Zugstufe soweit zudrehen, dass das VR gerade nicht mehr vom Boden abhebt) ist das auch nicht wirklich schwierig. Alles in allem kaum mehr als 5 Minuten Einstellungsarbeit und schon ist man bereit damit auf den Trail zu gehen.
Schon im Stand fällt auf wie unglaublich sensibel die Gabel mit ihrer vergrößerten DebonAir Negativluftfeder arbeitet. Auch hier ist sofort zu spüren, dass sich gegenüber der letzten Generation ordentlich was geändert hat. Nun aber ab auf die Trails. Auf meinen heimischen Wurzeltrails war ich ebenfalls überrascht mit wie viel Feinfühligkeit die Lyrik den Boden abtastet. Bei langsamer Fahrt verschwinden die kleineren und mittleren Hindernisse fast unter dem fahrer. Erhöht man aber entweder die Geschwindigkeit oder die Rauheit des Untergrunds kommt eine andere Eigenschaft zum Tragen. Ganz anders als die FOX, die mich anfangs ja fast zu sehr vom Untergrund isoliert hat, gibt die Lyrik ein ungleich direkteres Feedback.
Dabei ist die Lyrik weit davon entfernt je unkomfortabel zu werden, aber sie vermittelt dem Fahrer viel stärker, was gerade am Vorderrad vor sich geht. Je nach Tagesform und Trails war das mal etwas ermüdend, weil man einfach mehr gefordert wird und mal sehr willkommen, weil man einfach super aktiv ans Limit gehen konnte. Bisher bin ich mir noch nicht sicher, ob ich die Dämpfung für „gerade noch richtig“ halte oder nicht doch schon für ein wenig „zu straff“. Ganz ehrlich auf längeren Ausfahrten im Tourentempo hätte ich mir hin und wieder etwas mehr Komfort gewünscht. Aber auf aggressiven Trailrunden mit aktiver Fahrweise und Sprüngen war die Lyrik immer voll in ihrem Element und einfach super zu fahren. Überhaupt scheint es mit der Lyrik so zu sein, dass sie mit höherer Geschwindigkeit und gröberem Gelände immer besser wird. Für Touren und eine gemäßigte Fahrweise wirkt die Dämpfung nach meinen ersten Erfahrungen ein wenig zu straff. Nachdem ich die Gabel aber bisher nur im Werks-Setup gefahren bin, ist das ja erst ein Zwischenstand.
Bemerkenswert fand ich, dass ich mit dem empfohlenen Luftdruck bereits regelmäßig den gesamten Federweg ausgenutzt habe … und zwar nicht nur bei größeren Sprüngen und Drops, sondern auch schon bei mittleren Kompressionen. Andererseits kam es selbst bei wilden Passagen auch nie zu harten Durchschlägen.
In langsam gefahrenen, technischen Stücken bot die Lyrik immer ein gutes Maß an Gegenhalt – kein übermäßiges Wegsacken in langsam gefahrenen Drops oder Stufen oder ähnliche Eigenheiten, die man angesichts der hohen Sensibilität vielleicht erwarten könnte. Beim Blick auf den Abstreifring hat mich die Lyrik auch hier immer wieder überrascht, wie viel Federweg sie in solchen Situationen freigegeben hat, aber vom rein subjektiven Fahrgefühl her, hatte ich nie irgendwelche Beanstandungen.
Ich selber bin ein Fahrer, der seine Gabel am Bike meistens offen fährt, daher habe ich nur wenig Zeit in den beiden anderen Positionen der RCT3 Druckstufendämpfung verbracht. Doch selbst in der wenigen Zeit war schnell klar, dass beide besser nutzbar geworden sind: Vor allem die mittlere Position ist nicht mehr ganz so straff und damit auch auf Trails gut nutzbar. Mir selber war die Gabel aber selbst offen noch mehr als ausreichend wippneutral und so bin ich die Lyrik selbst im Wiegetritt bergauf noch offen gefahren. Aber mit 170 mm Federweg ist die Auffahrt ohnehin nur das Vorspiel zum Abfahrtsvergnügen.
Was gibt es sonst noch zur 2018er Lyrik RCT3 zu sagen? nicht mehr viel, denn bisher gab sie sich einfach sehr souverän in allen Fahrsituationen. Was die Steifigkeit und Lenkpräzision angeht brauche ich zur Lyrik nicht viele Worte verlieren. Sie gehört zusammen mit der FOX 36 zu den derzeit präzisesten Gabeln ihrer Federwegsklasse und gab sich bisher genau so wie man es von einer derartig potenten Gabel erwarten würde. Als zusätzlichen Joker hat die Lyrik, wie ja alle aktuellen ROCK SHOX Gabeln noch die Torque Cap Ausfallenden um den Kraftschluss bei dementsprechenden Naben noch zu verbessern. Nachdem ich die Gabel mit dem gleichen AMERICAN CLASSIC 3834 Laufradsatz fahren, wie vorher die FOX, muss ich auf diesen Bonus allerdings verzichten. An mangelnder Steifigkeit leidet die Lyrik aber trotzdem nicht.
In der zweiten Testphase werde ich versuchen der Gabel noch ein wenig tunen und versuchen ihr durch anpassen der Federkennlinie ein wenig mehr Komfort zu entlocken und dann stehen natürlich noch ein paar Einsätze auf felsigen Trails aus.
****************************************************************
Zwischenstand:
Im Werks-Setup hinterlässt die ROCK SHOX Lyrik der jüngsten Generation einen sehr guten Eindruck. Die Fahrperformance ist vorbildlich und deutlich besser als das Vorjahresmodell. Sie glänzt mit einer außergewöhnlich hohen Sensibilität, bietet aber gleichzeitig ein sehr direktes Feedback. Damit ist die Federgabel nach meinem Empfinden prädestiniert für schnelle und aktive Fahrer – je schneller und aggressiver desto besser. Mal sehen, was der zweite Testteil noch an Erkenntnissen bringt.
RIDE ON,
c_g