Eurobike Media Days #2 –BH LYNX 5 29“: von MiMü
(Anmerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich lediglich um Fahreindrücke auf uns teils unbekannten Trails mit zeitlich eng begrenzter Fahrzeit – mehr nicht, aber auch nicht weniger. Echte TNI-Tests folgen wenn sich die Gelegenheit ergibt.) 

Die baskische Bikeschmiede BH BIKES konnte auf den Eurobike Media Days’17 bereits mit einem seriennahen Prototypen des neuen Trailbikes LYNX 5 aufwarten.

Das Lynx 5 ist der jüngste Wurf der baskischen Marke in Sachen 29er Trailbike. Wir durften es schon fahren.

Die Zahl „5“ steht dabei für den Federweg in Zoll, oder anders gesagt: Beim Lynx 5 stehen 130 mm Federweg an Front wie Heck zur Verfügung, was gegenüber dem Vorgänger LYNX 4.8 ein Plus von einem Zentimeter bedeutet.

Im Vergleich zum „alten“ LYNX 4.8 hat man aber auch die Geometrie deutlich modernisiert: So Strecke BH den Hauptrahmen, der Reach stieg um 22mm und das Oberrohr misst bei Größe M nun bereits 597 mm. Zudem flachte man gleichzeitig den Lenkwinkel für mehr Laufruhe und bessere Downhillperformance auf 66° ab. Für ordentlich Vortrieb und eine zentrale Fahrposition dürfte der mit 75,5° wirklich steile Sitzwinkel sorgen. Das hintere Rahmendreieck konstruierte man bewußt kompakt, um die Wendigkeit und Agilität des Trailbikes nicht zu beschneiden. Immerhin weisen die Kettenstreben eine Länge von lediglich 435 mm auf.

Bei der Hinterbaukinematik vertraute man erneut auf Dave Weagle’s langjährige Erfahrung und entwickelte wiederum einen antriebs- wie bremsneutralen und gleichzeitig schluckfreudigen, aktiven Split Pivot Hinterbau. Wie auch schon vielen der anderen BH Fullies basiert die Kinematik auf einem schwimmend gelagerten Dämpfer, der zwischen dem nach vorne über den Hauptdrehpunkt verlängeten Kettenstreben und der ausdruckstark geformten Umlenkwippe eingespannt ist. Da wirlt der kleine geschmiedete Aufsatz auf dem Tretlager mit dem Hauptdrehpunkt (Bild unten links) fast ein wenig wie ein Hommagge an das geteilte Sitzrohr des Lynx 4.8 Carbon. Auffällig ist auch noch die Formgebung des stark gebogenen Oberrohrs. Es vollzieht bereits kurz hinter dem Steuerrohr einen deutlichen Knick und verläuft ab da steil nach unten. Dadurch erreicht das Bike eine sehr niedrige Überstandshöhe. Perfekt für ein modernes Trailbike, ds auch wilde Trails zähemen will.

 

Das LYNX 5 verfügt dabei über alle aktuellen Standards wie innenverlegte Züge, Stealth-Anlenkung, ISCG-Aufnahme und ist dank 148mm Boost-Hinterbau auch 27,5“+ tauglich (derzeit haben wir noch keine Angaben bis zu welcher Reifenbreite). Während unser Prototypen-Testbike noch mit einem geschraubten BSA Tretlager kam, wird das Lynx 5 in Serie mit einem Pressfit-Tretlager an den Start gehen. Zur Montage optinalen Montage eines High Direct Mount Umwerfers besitzt das Lynx einen festen High-Direct Mount Sockel der bei den Serienbikes, die alle mit 1-fach Kettenblatt und 11- bzw. 12-fach Schaltung kommen, etwas unschön aus dem Sitzrohr hervorragt.

Unser Testbike war das Topmodell der insgesamt 4 verschiedenen Versionen mit Alurahmen. Alternativ dazu wird es noch drei Varianten mit einem bis dato noch nicht gezeigten Carbonrahmen geben. Dementsprechend funktionell und hochwertig fiel auch die Ausstattung aus. Spannedn fand ich dabei den interessanten Mix aus gängigen Mainstream-Komponenten, gewürzt mit eher selten an Serienbikes verbauten Teilen und natürlich auch ein paar der hauseigene Parts Produktlinie.

Die Federung stellt dabei FOX mit einer Float Factory 34 Gabel und einem Float DPS Dämpfer. Beides mit neuer EVOL Luftkammer für noch besseres Ansprechverhalten, die golden schimmernde Kashima-Beschichtung sorgt zudem für unwillkürliche Will-Haben-Reflexe.

  

Bei der Schaltung stammen Shifter, Schaltwerk, Kassette und Kette aus der aktuellen XT 8000er Gruppe, lediglich die Kurbel steuert die amerikanische Schmiede PRAXIS WORKS mit dem Alu-Modell Girder bei. Meiner Meinung nach nicht nur optisch eine lohnenswerte Alternative zur XT-Kurbel. Die Kombination aus 32er Direct Mount Kettenblatt und 11-46 Kassette dürfte für die meisten Einsatzzwecke ausreichend sein, für richtig lange Alpenanstiege würde ich aber ein 30er Kettenblatt bevorzugen. Für standesgemäße Verzögerung soll FORMULA’s Cura mit 180 mm Rotoren vorne wie hinten sorgen. Warum die italienische Bremse so selten verbaut wird ist mir eigentlich unerklärlich, denn genauso wie in anderen Tests konnte sie auch hier durch durch satte Bremspower, leichte Dosierbarkeit und hohe Standfestigkeit überzeugen. Lediglich das Quietschen bie nassen Belägen würde ich gerne noch ausgebessert haben, aber als FORMULA Fan, stößt man sihc ohnehin nicht an sowas.

  

Weitere Kompontenten aus fremder Fertigung sind eine KINDSHOCK Lev Integra Variostütze (mit 125 mm Absenkun)g und hochwertige MICHELIN -GumX-Bereifung mit dem stärker profiliertem Wild AM 2,35“ vorne und dem leichter laufendem Force AM 2,35“ im Heck. Die restlichen Anbauteile, wie Lenker/Vorbau/Griffe, Sattel und Laufradsatz stammen von BH selbst. Am von uns getesteten Prototypen betrug die Felgenbreite noch 25 mm, in Serie wird BH dann einen stabileren Satz mit 30 mm Maulweite verbauen.
Die Ausstattung entsprach bereits weitgehend der Serienspezifikation, weshalb auch das  ordentliche Gesamtgewicht von  13,4 kg in Rahmengröße M nah am Serienwert liegen dürfte. Ein absolut akzeptabler Wert, wie ich meine.

Der erste Teil des Tests war auf eher gemäßigten Trails mit schnellen Wechseln aus Up- und Downhills – klassisches XC-Terrain.

Auf der welligen Trailrunde der Eurobike Media Days gefiel mir das LYNX 5 gleich von Beginn weg durch eine dynamische und leicht gestreckte Sitzposition, die dem Piloten aber dennoch eine gute Übersicht über den Trail bietet. Der Tritt erfolgt dank des steilen Sitzwinkels schön von oben, kräftiges Pedalieren wird sehr direkt in Beschleunigungsenergie umgewandelt. Dabei genügte selbst im Wiegetritt die mittlere Stufe der Druckstufenverstellung am DPS Dämpfer um den Split-Pivot Hinterbau wippfrei zu halten. Im Uphill bügelte das Heck damit die meisten Unebenheiten glatt, sorgte dadurch auch über nasse Wurzelteppiche und gröbere Steine für tadellose Traktion. Die harte FIRM-Stufe des Dämpfers habe ich im Gelände nur kurz benutzt. Mir wurde das Heck damit zu bockig und tendierte damit zum Hardtail-ähnlichen Springen.
Dass das Vorderrad des LYNX 5 selbst in steilen Stichen nicht zum Aufbäumen tendiert, führe ich auf das verlängerte vordere Rahmendreieck zurück. Durch gezielte Gewichtsverlagerung Richtung Front blieb das Vorderrad stets satt am Boden kleben, das Bike lies sich dadurch punktgenau steuern.

Hier konnte das BH Lynx 5 mit einer hohen Effizienz, tollem Kletterverhalten und ordentlich Komfort aufwarten.

Selbst steilere Anstiege konnte ich dank antriebsneutralem Heck auch mit voll geöffneten FOX-Federbein hinauf eilen, Nur allzu ungestüme Wiegetrittattacken quittiert der Hinterbau mit leichtem Wippen, ansonsten ist die Kinematik sehr tourenfreundlich effizient. Den Griff zum Einstellhebel kann man sich in den allermeisten Fällen getrost sparen! Die Steifigkeit im Tretlagerbereich sollte ebenfalls im grünen, sprich steifen Bereich liegen, seitliches Ausweichen des Rahmens war auch im Wiegetritt nicht merklich erkennbar.

Auf den 1300 Teifenmertern des Herrensteigs dagegen waren andere Qualitäten gefragt …

Seine nächste Bewährungsprobe sollte unser Testbike auf dem nahen Herrnsteig am Kronplatz (c_g hatte ihn bereits in seinen Praxiseindrücken zum SCOTT Genius 900 Tuned kurz vorgestellt) erfahren. Ein nicht enden wollender Mix aus Highspeed-Passagen, Flow-Anliegern, Wurzelteppichen und Geröll sollte das LYNX aus der Reserve locken. Also Federelemente auf „OPEN“ gestellt und los gings!

Doch auch hier hat das neue Trailbike mit seiner modernen Geo und dem vielseitigen Fahrwerk mir richtig viel Spaß gemacht.

Der flache Lenkwinkel sorgte in den schnellen Anfangssektionen des insgesamt 1300 Tiefenmeter aufweisenden Trails gleich einmal für ein hohes Sicherheitsgefühl. Die Laufruhe und der Geradeauslauf ähnelten fast schon einem Enduro. Für ein Trailbike mit 130 mm Federweg liegt das LYNX 5 wirklich sehr satt am dem Trail. Schnell ist man dazu verleitet, den persönlichen Wohlfühlbereich zu verlassen, denn das Bike wird’s im Zweifelsfall schon richten. Schnelle Anliegerkurven durcheilte das LYNX dabei zielsicher und der eingeschlagenen Linie sauber folgend, das Heck blieb hoch im Federweg stehen und zeigte keine Tendenzen einzusinken.

Egal ob über Wurzelpassagen oder kleinere Drops (Bild unten), war das BH Lynx 5 allen Anforderungen bestens gewachsen

Dank der ausgeklügelten Split-Pivot-Kinematik blieb der Hinterbau auch bei harten Bremsmanövern aktiv und zeigte keine Tendenz zum Verhärten oder Hüpfen. Hindernisse jeglicher Art filterte es zuverlässig und äußerst sensibel heraus und auch gröbere Wurzeln waren ebenso wenig herausfordernd wie kleinere Drops und Stufen. Dass der Pilot dabei stets weiß was unter ihm geschieht ist ein weiterer Pluspunkt des BH-Bikes: Trotz seiner Sensibilität geht das Feedback nicht verloren, das Federungsverhalten ist direkt und nie schwammig. Trotzdem fühlte sich das Hinterteil des LYNX 5 nach mehr Federweg an als die nominalen 130 mm, so feinfühlig und linear arbeitete das hintere Rahmendreieck. Und auch unsaubere Landungen konnten den Dämpfer nicht zum durchschlagen bringen.

Die beiden Michelin-Reifen möchte ich nicht unerwähnt lassen, konnte mich die Kombination aus gripstarkem Wild AM am Vorderrad und rollfreudigem aber dennoch brems- und traktionsstarkem Force AM am Heck vollkommen überzeugen. Ein extra Lob verdient noch die eingangs vorgestellte FORMULA-Bremsanlage: sie konnte mich durch feine Dosierbarkeit, null Fading und hohe Bremspower überzeugen. Lediglich bei Regen (wovon wir während unserer Testrunden reichlich hatten) neigte sie zum Quietschen, was zwar auf die Ohren ging, die Performance aber nicht verringerte.

Wem das Alu-Modell mit seinen in Serie dann vier unterschiedlichen Ausstattungsvarianten zu bieder ist, dem bietet BH voraussichtlich auch drei Varianten mit Carbonrahmen (mit den gleichen Geometriedaten) an. Zum jetztigen Zeitpunkt können wir euch noch nicht mit Angaben zur Verfügbarkeit und den exakten Preisen dienen – das getestete Bike soll aber etwas über 3000 Euro kosten und bei den Carbonversionen soll es bis über 7500 gehe– aber das hat ja auch einen Vorteil: Es bleibt also noch Zeit um den einen oder anderen Euro zu sparen!

Was die Performance angeht verkörpert das BH Lynx 5 für mich ein nahezu ideales Trailbike. Wie sich da wohl die noch leichteren Versionen mit Carbonrahmen fahren?

Zusammenfassung: So stelle ich mir ein modernes 29er Trailbike mit 130 mm vor. Eine progressive Geometrie mit flachem 66° Lenkwinkel für hohe Laufruhe bei gleichzeitig tollem Kurvenverhalten, dazu ein 75,5° steiler Sitzwinkel für optimale Pedalierbarkeit und ein kompaktes Heck mit 435 m. Dann noch der antriebsneutrale, sensible Split-Pivot-Hinterbau, hochwertige FOX Federelemente als Aushängeschilder einer sehr stimmigen Ausstatttung – und fertig ist ein prima Spaß- und Sportgerät. Für mich trifft das BH Lynx 5 also genau das was ein modernes 29er Trailfully ausmacht.

MiMü