DEANEASY Tube+ – Erste Eindrücke (Dauertest): von MiMü
Im Intro und Montage habe ich euch das italienische Doppelkammersystem DEANEASY Tube+ ja bereits ausführlich vorgestellt, über viele weitere interessante Details des Systems hatte euch c_g bereits nach dem letztjährigen Bikefestival in Riva sowie seinen Fahreindrücken kurz darauf berichtet. Nun ist es an mir als Neuling in Sachen Doppelkammersystemen, das Tube+ im Dauertest zu fahrennund euch hiermit meine ersten Eindrücke auf heimischen Trails hier zu beschreiben.
Als Reifen für die erste heiße Testphase habe ich eine Kombination meiner beiden absoluten Favoriten ausgesucht: den MAXXIS Highroller II 2,3 vorne und den Ardent 2,4 hinten. Der Highroller gefällt mir durch seinen super Kurvengrip, prima Traktion sowie akzeptables Rollverhalten, der Ardent kann mit geringem Rollwiderstand und dennoch ausreichend Grip in (beinahe) allen Lebenslagen überzeugen.
Als Neuling in Sachen Doppelkammersysteme wollte ich ganz bewußt mit einem Paar Reifen beginnen, die ich sehr genau kenne – so hoffte ich mich voll und ganz auf die Eigenschaften des Doppelkammersystems konzentrieren zu können und so auch kleinere Unterschiede besser hausspüre zu können. Wie sich herausgestellt hat eine weise Idee, Im normalen tubeless-Betrieb fahre ich besagte Reifenkombination zwischen 1,5 und 1,7 bar – je nach Gelände bzw. Bodenbeschaffenheit. Ich war gespannt, inwieweit der bei DEANEASYniedrigere Luftdruck die Performance der beiden MAXXIS’s‘ verändern würde – positiv wie negativ.
Die Anfahrt zum meinen Hometrails erfolgt großteils auf Asphalt, deswegen habe ich den Luftdruck mit 1,4 bar anfangs konservativ hoch und nahe an meinem gewohnten gewählt. DEANEASY selbst empfiehlt für „trockene bis felsige Trails“ einen Luftdruck zwischen 1,1 und 1,6 bar. Den Innenreifen hatte ich gemäß der Anleitung zuvor mit 8 bar befüllt wobei DEANEASY Drücke von 8, bis maximal 10 bar zugläßt). Selbst mit „nur“ 8 bar sollte der versprochene Pannenschutz schon sehr hoch sein, zusätzlich erhoffte ich mir einen fließenderen Übergang vom Dämpfungsverhalten der Reifen zur „Enddämpfung“ des Tubulars.
Die ersten Meter auf Asphalt passiert erwartungsgemäß nichts wirklich Spannendes – für diesen Einsatzzweck wurde DEANEASY ja auch nicht entwickelt! Innerstädtische Straßen sind aber nur auf den ersten Blick langweilig – auf den zweiten Blick bieten sie jede Menge Bordsteinkanten um die Snakebite-Performance von Reifen oder eben DEANEASY ausgiebig zu überprüfen. Anfangs hatte ich noch richtig Skrupel die Kanten im 90°-Winkel bei ordentlich Tempo anzusteuern – aber DEANEASY absolvierte diesen ersten Härtetest mit Bravour! Die Reifen verformten sich zwar deutlich, wurden ordentlich Richtung Felgenhörner gedrückt, blieben aber auch mit eher mutilligen Fahrmanövern dicht. Der Tubular dämpfte den Aufprall spürbar ab, und fixierte gleichzeitig den Reifenwulst am Felgenhorn. Dem subjektiven Popometer-Gefühl nach war es in etwa so als würde man auf einen Squashball treten – am Anfang sehr weich und dann deutlich härter, aber weiterhin sehr gut gedämpft.
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Normaler Niedrigdruck: Zu Beginn der eigentlichen Trails hieß es noch einmal stehen bleiben um den Luftdruck ans Gelände anzupassen. Die folgenden Trailkilometer stellten eine schöne Mischung aus Waldböden, Schotter, Wurzelpassagen, einer kurzen Felssektion und zum Schluss einer Holzstiegenkonstruktion dar – eben ein guter Querschnitt dessen, was man als Biker so antrifft. Gemäß der Anweisungen für „natürlichen“ Untergrund entschied ich mich für 1,1 bar, also genau in der Mitte des für derartiges Gelände empfohlenen Luftdrucks von 0,9 bis 1,2 bar.
Die Wirkung war natürlich sofort spürbar. Mit derart niedrigen Drücken hatte ich auf Anhieb eine grandiose Traktion aber anders als erwartetet auch weiterhin einen sehr guten Kompromiss was den Kurvenhalt und Rollwiderstand betrifft. Besonders angetan war ich vom Überrollverhalten des Systems: Wurzeln, größere Steine oder allerart von Geländekanten überrollt der Reifen noch einfacher als gewohnt und ohne dass ich dabei viel an Geschwindigkeit verlor. Ich habe es zwar schon zig-fach glesesen, wie sich das Fahrverhalten mit einem Doppelkammersystem und derart niedrigen Drücken im Hauptreifen verändert, aber es ist schon beeindruckend es zum ersten Mal selber zu erleben.
Immer wieder schaute ich kurz nach unten, um den Reifen bei der Arbeit zuzusehen. Ich war wirklich überrascht wie stark sich ein Reifen bei 1,1 bar im Gelände verformt und sich so dem Gelände optimal anpassen kann. Insbesondere die kurze Felspassage und die Holzleitern konnte ich dadurch mit deutlich mehr Speed, höherer Fahrstabilität und damit verbunden einem spürbaren Plus an Sicherheit meistern.
Ein-, vielleicht zweimal schlug der Hinterreifen bis auf den Tubular durch, was aber nie irgendwelche Folgen mit sihc brachte, weil die 8 bar im Schlauchreifen ihren Dienst des Pannenschutzes sehr zuverlässig tun. Komplimment an DEANEASY, dass sie so praxisnahe Luftdruckangaben machen.
Selbst in schnell gefahrenen Kurven stand die Highroller- /Ardent-Kombination noch fest auf den 24 mm breiten Felgen, auffällige Walkbewegungen, Wegknicken bzw. Unter- oder Übersteuern konnte ich im bisherigen Testverlauf bei 1,1 bar noch nicht feststellen. Meine anfängliche Skepsis, ob die weichen Seitenstollen des Highroller besonders auf hartem Untergrund einfach wegknicken könnten, bestätigte sich bis jetzt nicht … aber das ist ja erst der Anfang eines Tests der sich jetzt schon als kleine Liebesgeschichte abzeichnet.
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Niedrigdruck Grenzwerte: Um auch Erfahrungen mit den empfohlenen Minimal- und Maximaldruckwerten sammeln zu können, fuhr ich die gleiche Testrunde noch zweimal mit den jeweiligen Grenzwerten was den Luftdruck angeht.
Mit gerade mal 0,9 bar in den Hauptreifen war gerade auf weichen, losen Untergrund spürbar mehr Rollwiderstand zu spüren. Die klassischen Forstrassenuphills wurden damit doch spürbar kräfteraubender. Es kam mir vor, als würden sich die Reifen in den Untergrund hineinarbeiten, anstatt sich oberflächlich darin zu verkrallen. Zudem wurde das Kurvenverhalten merklich schwammiger und indirekter. Beide Reifen, der Highroller II und der Ardent neigten jetzt deutlich zum Ausbrechen. Auch die Innenreifen-Kontakte nahmen erwartungsgemäß dramtisch zu; bereits kleinere Drops brachten das anfangs erwähnten „Squashball“-Gefühl, obwohl der Innenreifen auch bei diesem Grenzwertig niedrigen Druck noch effektiv jeden Defekt verhinderte. Verblüffend!
Die letzte Runde in diesen Ersten eindrücken bewältigte ich dann mit dem angegebenen Maximaldruck von 1,6 bar ein Druck. Auf hartem, festgefahrenen Schotter und Fels rollten die Pneus zwar schneller, boten aber viel weniger Bremsgrip und Komfort. Im Wiegetritt neigte der Ardent auffällig sehr früh zum Durchdrehen. Speziell auf weichem Waldboden war an einen runden Wiegetritt nicht zu denken. Der hohe Luftdruck senkte den Fahrkomfort so weit ab, dass beide Reifen beim kleinsten Hindernis zu hüpfen begannen und etwa die Holzleiterkonstruktion zur ungemütlichen Holperpartie wurde. Wohlgemerkt, wie oben angesprochen entspricht dieser Druck recht genau dem wie ich die Reifen normalerweise schlauchlos fahre … Während der Schritt von diesen Normaldrücken hin zu dem mit DEANEASY und Co. Möglichen Niederdruckfahren toll und beeindruckend ist, führt der hier simulierte „Schritt zurück“ geradezu auf erschreckende Weise vor Augen wie viel Traktions- und Komfortpotential der Reifen man bei Normaldrücken doch verschenkt! Unglaublich!!!
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Zwischenfazit: Ihr habt es anhand meiner Ausführungen schon gesehen: Wer das volle Potential von Dooppelakmmersystemen wie DEANEASY’s Tube+ oder SCHWALBE’s Procore auskosten möchte, muss bereit sein sich mit der Materie Luftdruck und seinem Einfluss auf das Fahrverhalten zumindest ein wenig auseinanderzusetzen. Für technikaffine Biker wie mich sind Doppelkammersysteme eine unglaublich spannende Möglichkeit, das wirkliche Optimum aus einen Reifen herauszuholen. Es erfordert ein wenig Zeit und Mut mit den verschiedenen, sehr niedeigen Luftdrücken zu experimentieren, aber im Gegenzug bekommt man auf dem Trail ein Plus an Traktion, Pannensicherheit, Überrollverhalten und Komfort, das einen regelrecht sprachlos macht. Für Trails absolut unschlagbar, aber wer auch viel auf Asphalt oder Forststrassen unterwegs ist, sollte bereit sein den Reifendruck auch unterwegs je nach Untergrund hin und wieder mal anzupassen, denn für schnelles Kiometersammeln auf der Strasse ist das System definitiv nicht förderlich … vom Mehrgewicht ganz zu schweigen.
Ich bin schon gespannt wie sich das System aus Tubular und Tubelessreifen beim schroffen, scharfkantigen Lago-Gestein schlagen wird – denn dorthin werde ich es schon bald entführen! Zurück in der Heimat folgt dann ein Update mit Eindrücken aus Bella Italia,.
So, stay tuned,
MiMü