Unsere Ansprache zur Lage der 29er – Gute Aussichten … : von Grannygear

Ich kann mich kaum als Autorität bei dem Thema bezeichnen, aber es war schon spannend im vergangenen Jahr zu beobachten wie sich die Trends im MTB-Bereich im Allgemeinen und bei den 29er im Besonderen entwickelt haben. Selbst nach meinen Exkursionen ins Lager der Fatbikes und auch der Plus-Bikes bin ich noch immer überzeugt, dass die 29er für sehr viele Biker auch weiterhin das ideale Format sind. Und auch wenn es in den letzten beiden Jahren etwas anders ausgesehen hat, so mehren sich derzeit die Anzeichen, dass 2016 und 2017 wieder Jahrgänge sein werden, die zunehmend auch für uns 29er-Liebhaber viel Optimismus und Vorfreude aufkommen lassen.

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Es war wirklich aufregend, damals, als all die 29er aufkamen und noch in ihren Kinderschuhen gesteckt sind. Wie ein Kleinkind, das sich zuerst am Sofa hochzieht und die ersten wankenden Schritte tut, dann irgendwann frei läuft, schon bald einfach über das verflixte Sofa springt … so ähnlich ist es mit den 29er in alle ihrer heutigen Vielfalt gewesen. In diesen Anfangsjahren wurden sie für fast jeden und fast jeden Einsatzbereich vermarktet, was in meinen Augen ein Fehler war. Aber wer kann es der Fahrradbranche übel nehmen, wenn sie, die heißeste Innovation, welches die MTB-Welt je gesehen hat ein wenig zu überschwänglich anpreisen? Also machte man 29er für die ganz kleinen Fahrer genauso, wie für die ganz Großen, wollte damit das Revival der Starrbikes einläuten und gleichzeitig 29er Fullies als die Wunderwaffe verkaufen … und nach ersten Problemchen und Patzern hat man die Bikes so langsam verfeinert und als Ganzes in den Griff bekommen.

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Das SANTA CRUZ Tallboy war eine 29er Erfolgsstory.

So war meines Wissens nach das Tall Boy als Plattform erfolgreicher als alle anderen Bikes der Marke zusammengenommen. Ziemlich Cool für ein 29er! Aber zu der Zeit waren bei weitem nicht alle 29er wirklich gute Bikes aber trotzdem, oder gerade deswegen war es spannend diese Bikes zu testen. Jeder neue Reifen, jede Gabel und jedes Laufrad war damals spannend und wir warben alle lautstark für mehr als nur die zuerst üblichen XC-Versionen von Reifen und Bikes – man kann sagen wir setzen uns für ein Art Gleichberechtigung mit den etablierten 26“-Bikes ein. Als das geschah und die ersten 2,35″ Trail-Reifen vorgestellt wurden, waren die Internet-Foren fast aus dem Häuschen. Als die Fox 34 in einer 29er Version angekündigt wurde, gerieten manche 29er Fans in die Hypoxie.

Doch dann geschahen zwei Dinge. Anfangs waren 29er einfach nur nicht mehr „Das Neue“. Im Gespräch mit Guitar Ted, unserem verehrten Gründer stellte ich immer öfter die Frage: „Wann 29er geworden nur noch „ein Fahrrad“ sein würden?“ und „Würden wir den Zeitpunkt überhaupt erkennen?“ Schließlich bleibt nichts auf Dauer einzigartig und aufregend. Nur wann würde dieses Gefühl von „29er sind neu und innovativ“ nachlassen?
Ich erinnere mich an das erste Mal als ich ein 29er Carbonhardtail zu sehen bekam … WOW!. Dann kam die Zeit, der großen 29er Flut, bei dem zahlreiche Microfirmen mit chinesischen Open-Source-Rahmen ihr Glück versuchten! Die meisten davon gibt’s heute nicht mehr …
Dann geschah das unerwartete. Der zweite Reiter der Apokalypse ritt auf einem Pferd mit kurzen 27,5“ Beinen daher. Das von der Industrie viel gepriesene Zwischenformat, welches das Beste aus beiden Welten (26 „und 29″), der perfekte Kompromiss sein sollte… ahem, ich bin mir sicher, es gibt noch mehr und eloquentere Marketing-Sprüche … aber im Grunde das „27,5er-Übel“ um uns XX% der Qualitäten eines 29er bei XX% eines 26“-Rades. In kürzester Zeit wurde das 27,5“-Format zum finalen Sargangel der 26“-Mountainbikes, aber die Bike-Industrie war offenbar schon wieder bereit für die nächste große Revolution … ich frage mich auch heute noch, ob der Kunde es ebenfalls schon war ….
Einige Unternehmen wurden unvorbereitet von dieser neuen Radgröße getroffen. Ich hörte von einem Mitarbeiter eines wirklich GROSSEN Bikeunternehmens, dass sie zu dem Zeitpunkt 27,5er noch nicht einmal getestet hatten … und wir wissen alles, dass es auch heute noch seine Zeit braucht um ein neues Bike zu entwickeln – ganz besonders eines in Carbon, sprechen wir hier von Zeiträumen die leicht bis 1 Jahr oder mehr dauern können. GIANT zum Beispiel hat die 29er komplett aus dem Sortiment gestrichen uns setzt ganz aufs 27,5″ Format – entweder eine erstaunlich weitsichtige oder dumme Entscheidung, aber auf jeden Fall ein Zug mit hoher Signalwirkung.

Auf alle Fälle wurden hier im US-Office von twentynineinches.com. die Anrufe der Hersteller immer weniger . weil einfach ein Großteil des Entwicklungs- und Marketing-Budgets in die 27,5“ Bikes floss. Die hier in den USA üblichen Demo-Trucks der Hersteller waren zunehmend gefüllt mit dem Mittelformat und die 29er waren kaum noch dabei. Diese Zeiten waren für TNI.com nicht leicht. Obwohl wir öfter darüber gesprochen haben, wollten wir uns auf keinen Fall in twentysevenfiveinches.com umbenennen. Das aber nicht, weil wir die 27,5er Bikes hassen würden. Ganz im Gegenteil … na ja, für 27,5er XC Hardtails hab eich wirklich wenig übrig. Wer außer Nino und Hardcore XC-Fahrer will wirklich solche Dinger fahren? Wahrscheinlich nicht zu viele, möchte ich wetten. Für kleinere Personen machen 27,5er dagegen sehr wohl Sinn, ebenso für Fullies jenseits von 150 mm …
Aber für mich, bei 1,88 m Körpergröße wäre ein 27,5er kaum mehr als ein „besserer 26-Zöller.“ Und an dem „Vorteil“ bin ich gar nicht so interessiert, weil er einfach nicht zu dem passt, was und wie ich mit dem Bike im Gelände unterwegs bin.

Aber die Bikebranche lebt von dem Neuen und eine Menge Leute haben die Marketingsprüche von wegen „27,5er sind das beste aus beiden Welten“ tatsächlich abgekauft. Für viele Fahrer wäre ein 29er aufgrund der Körpergröße, des Fahrstils und des Terrains eine mindestens ebenso sinnvolle Option gewesen. Und weißt du was? Sie haben herausgefunden, dass ihre 27,5er Bikes richtig gut gefunden … sie waren eben keine 29er J.
Im Gespräch mit einigen Industrieinsidern vor etwa einem Jahr, viele von ihnen kleinere oder mittelgroße Hersteller, wurde mehrfach angedeutet, dass man sich aktuell zwar unmittelbar auf die 27,5er Bikes konzentriert hatte, die 29er aber schon bald ihr erstes großes Comeback feiern würden. Comeback, aber mit einem neuen Fokus, Und dieses Comeback mit neuem Schwerpunkt scheint sich nun anzukündigen … womit wir schon in der Gegenwart angekommen sind.

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Werfen wir doch mal einen Blick auf die Fahrräder des sogenannten Comebacks. Von links nach rechts, von oben nach unten: Das PIVOT 429 Trail (links oben) das IBIS Ripley LS (rechts oben), EVIL Following (links unten) oder das brandneue POLE Evolink 115 oder 140 (unten rechts) bezeichnet die jüngsten Interpretationen dieses Trends.
Andere Beispiele, die es schon etwas länger gibt, sind das SALSA Horsethief der 2.Generation (derzeit im Test bei uns), das NICOLAI Helius TB oder das BANSHEE Phantom um nur ein paar Beispiele dessen zu nennen was derzeit auf dem Markt ist oder bald kommen wird … daneben gibt es noch viele andere genauso spannende.
Die meisten der „jungen Wilden 29er“ haben mit 120 bis 130 mm ’sehr moderate‘ Federwege … nichts Neues für 29er … aber mit ihren flachen Lenkwinkeln läuten sei eine neue Generation von 29ern ein, die es bisher so nur sehr selten gab. Ob es dafür wirklich notwendig und sinnvoll ist, das Heck so weit zu kürzen, dass am Ende nur noch 1-fach Antriebe gefahren werden können, … nun, da sind wir uns auch innerhalb der TNI-Tester noch uneins. Sicher dagegen ist, dass diese 29er Räder immer noch das tun, was sie immer am besten getan haben … sie erreichen weniger mit mehr. So gut dass selbst, moderate Federwege verdammt viel Spaß machen. Ich persönlich finde ein maximal kompaktes Heck eine Offenbarung, denn so bleibt das Bike genauso flink und wendig, wie auch laufruhig und stabil bei höheren Geschwindigkeiten. Und wegen des kürzeren Federwegs bleibt das Bike dennoch effizient zu treten. Aus meiner Sicht eine Bike ohne viele Kompromisse – vielleicht sogar ein Bike ganz ohne Kompromisse.
Aus meiner Sicht könnte diese neue Generation von 29ern, die wohl beste für eine sehr große Schnittmenge von Fahrern und Fahrbedingungen sein. Und obwohl ich glaube, dass wir bereits jetzt ein paar ziemlich steifen 29er Laufräder haben, hat der neue Boost Standard mit 148 mm hinten und 110 mm vorne genau das Potenzial noch weitere Verbesserungen anzukurbeln. So in etwa wird die Zukunft der 29er aussehen … glaube ich zumindest.

Aktuell sieht es so aus, als würde ein gewichtiger Schwerpunkt auf 27,5Plus gelegt werden, aber im Grunde ist das auch nicht viel anderes als ein minimal abgeänderter 29er, nur eben mit breiteren 2,8 bis 3,0“ Reifen. Nicht umsonst ist der Wechsel zwischen 29er und Plus Laufrädern so einfach möglich – die nötige Reifenfreiheit vorausgesetzt.
Aber auch ohne den Rückenwind von Plus, glaube ich dass die neue Generation von progressiven 29er Fullies mit mittleren Federwegen und aggressiven Geometrien die 29er wieder ganz kräftig aufleben lassen wird. Bald wird der 29er wieder aus der XC-/Marathon-Nische heraustreten und die Klasse der All-Mountain oder Trailbikes ganz neu definieren … wetten? Mal sehen wie viele Fahrer, die auf das 27,5er Schiff aufgesprungen sind, auch den Schritt zurück zum 29er machen werden … und dabei auch wieder richtig viel Spaß haben werden.
… und deswegen können Abraham im Bild oben und auch ich als 29er Fan schon jetzt wieder lächeln.

Grannygear