VITTORIA Gato 29×2,3 TNT – Testzusammenfassung: von MiMü

VITTORIA gibt in letzter Zeit richtig Gas. Neben einigen sehr interessanten Neuerungen im Reifensegment (den Fatbike-/Plus-Reifen Bombolini und die CC-Waffe Barzo haben wir bereits getestet) bieten die Italiener neuerdings eigene Laufradsätze für den Cross Country- und All-Mountain-Bereich an – der AM-Laufradsatz Deamion dreht ja aktuell seine Runden in unseren Testfuhrpark.

0 VITTORIA Gato Neben all den neuen Produkten haben wir nun das Vergnügen einen echten Klassiker nochmal einem Verlgeich zu unterziehen: der Gato. Einer der ersten 29“-Trailreifen überhaupt, der bereits 2011 vorgestellt wurde. Damals noch unter dem Namen Geax, haben wir die 2,3er Version mit der TNT Karkasse auf unserer amerikanischen Schwesterseite ausgiebig testen dürfen, 2012 folgte dann der Test der schmäleren 2,1 Version in der Standardversion. Nun ist es an mir zu sehen ob das mittlerweile schon vier Jahre alte Profil noch mit den aktuellen Modellen mithalten kann oder ob er doch schon etwas Staub angesetzt hat. Unser Test wird’s zeigen.

Out of the box

1 VITTORIA Gato

Laut Produktlabel ist der Gato für den Allmountain-Bereich vorgesehen. Seine Vorzüge sollen insbesondere im Einsatz auf harten-steinigen Böden und im Nassen liegen. Auf weichen Wald- und Erdböden gibt VITTORIA dagegen nur eine mittlere Performancequalität (drei von fünf „Kästchen“) an. Zu den All-Mountain-Einsatzbereichen passen die angegebene Breite von 2,3“, sein doch recht ausgeprägtes Profil und die verstärkte TNT-Karkasse. TNT steht im übrigen für „Tube-No-Tube“, was bei VITTORIA gleichbedeutend mit „tubeless-ready“ ist. Optisch ist die TNT-Variante ganz leicht an der grauen Seitenwand zu erkennen. Technisch steht TNT für eine zusätzliche Nylon-Schutzschicht und einem Apex (verstärkende Gummischicht oberhalb der Wulst, die Snakebites reduziren und den Reifen stabilisieren soll), sowei einen verstärkten Wulstfuß.

1a VITTORIA GatoAuf den ersten Blick fällt das wirklich eigenständige Profildesign des Gato auf. Die einzelnen Profilblöcke erinneren ein wenig an das alte Nintendo-Videospiel „Tetris“ mit seinen verschiedenartig geformten Blöcken. Als Seitenstollen findet man je eine Reihe boomerang-artiger die für optimalen Seitenhalt sorgen sollen und mit ihrem abgewinkelten Fortsatz zusätzliche Kanten für Bremstraktion bieten. In der Lauffläche wechseln sich zwei vielkantige Stollendesigns ab einmal geschlosse Stollen und einmal mit Lamellen für zusätzliche Flexibilität der Stollen und aktive Kanten. Sieht so aus, als hätten die Entwickler alle möglichen Beschleunigungs-, Brems- und Querkräfte bedacht.

2 VITTORIA GatoAuffallend ist auch der relativ große Stollenabstand im Mittelteil des Profils, der die Selbstreinigung und den Grip auf matschigen Untergründen verbessern soll. Im montierten Zustand fallt dann noch ein großer Abstand zwischen Mittel- und Seitenstollen auf, der ebenfalls zu einer günstigeren Selbstreinigung beitragen soll. In gewissen Schräglagen könnte dieser Spalt jedoch zum kurzzeitigen Rutschen des Reifens führen. Ob sich das Profil auch in der Praxis genauso bewährt, hat unser Test auf spätherbstlich-nassen Trails gezeigt.

5 VITTORIA Gato Gewicht

Gewichtstechnisch sind unsere beiden Testmuster mit 916 und 936 g sehr gut in der All-Mountain-Klasse aufgehoben – wenn sie auch keineswegs als Leichtgewichte durchgehen.

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Tubeless-Montage

Montiert habe ich unser Testpärchen auf dem VITTORIA Deamion Laufradsatz, den ich seit Ende November parallel testen darf – laut VITTORIA eine Idealkombination. Nachdem VITTORIA den Laufradsatz bereits ab Werk mit einem tubeless-ready Felgenband ausgerüstet hat, musste ich mir nur ein paar tubeless-Ventile und Dichtmilch besorgen. Ihr merkt es vielleicht schon an den letzten Zeilen – bis zur Montage der Gatos war ich eine „tubeless-Jungfrau“.

3 VITTORIA Gato

Die Montage der Reifen ging dann vollkommen problemlos über die Bühne. Die erste Reifenflanke lies sich ganz ohne Zuhilfenahme eines Reifenhebers in das Felgenbett heben. Danach das Ventil fixiert, 60ml Dichtmilch in den großteils aufgezogenen Reifen gefüllt, die zweite Reifenflanke mit der Hilfe von zwei Reifenhebern über das Felgenhorn gehoben und das ganze mangels eines Kompressors mit einer CO²-Kartusche auf gut 4 Bar aufgepumpt.

Mit einem saftigem „Plopp“ rutschte der Reifen überall gleichmäßig auf den Felgenrand. Nach dem obligatorischen Drehen und Schütteln war er komplett dicht und musste nicht einmal nachgepumpt werden. Im Anschluss habe ich die beiden Reifen bei 2 Bar für 24h rasten lassen, um dann eine Karkassenbreite von 57mm und eine Stollenbreite von 58mm auf der 22,3mm (Innenmaß) breiten Deamion-Felgen zu messen. Die ETRTO-Angabe von 58-622 wird demnach sehr genau eingehalten. Mit einem Anfangsluftdruck von 1,8 Bar – was meinem bisherigen Start-Luftdruck mit Schlauch entspricht – ging es dann auf die Trails.

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On Tour

6 VITTORIA Gato

Positiv überrascht war ich gleich einmal vom geringen Rollwiderstand des Gato. Für einen Reifen dieses Kalibers und Einsatzbereichs lässt er sich wirklich leicht beschleunigen und hält das gewollte Tempo dann auch. Natürlich rollt er nicht wie ein CC- oder Marathonpneu, ein störendes „Bremsen“ oder „Festkleben“ bleibt dennoch aus. Zum geringen Rollwiderstand und dem guten Beschleunigungsvermögen trägt bestimmt auch die tubeless-Montage bei, immerhin habe ich mir dadurch pro Laufrad 160 g rotierende Masse gespart.
Der anfangs erwähnte große Abstand zwischen Mittel- und Seitenstollen führte auf harten Untergründen aber auch zu einem dem „Self Steering“ ähnlichen Lenkverhalten auf Asphalt. Sobald dieser Spalt durch die Schräglage erreicht wurde, glitt der Reifen wie auf Schienen durch die Kurven, lies sich jedoch nur durch aktives Lenken aus der eingeschlagenen Richtung bringen. Anfangs war dieser Effekt etwas gewöhnungsbedürftig, ist mit aber schon bald nicht mehr wirklich aufgefallen.

7 VITTORIA Gato

On Trail verringerte ich den Luftdruck gleich einmal auf 1,5 Bar. Für mich als tubeless-Novizen ein wahnwitzig niedriger Luftdruck, der dem Gato aber helfen könnte sein volles Potential auszuspielen. Während der Rollwiderstand weiterhin im akzeptablen Rahmen blieb, überzeugte der Reifen im Gelände jetzt mit einer sehr guten Traktion auf losem, weichem Untergrund wie auch über Felsen oder auf harten Waldböden. Insgesamt gab sich das Laufflächenprofil gleichermaßen potent beim Geradeauslauf wie auch sicher bei Antritts- und Bremskräften. Selbst über Wurzeln oder gröbere Steinblöcke konnten den Gato nicht aus der Ruhe bringen. Überhaupt glänze der Reifen und auch die verstärkte Krkasse damit, dass es sich dem Untergrund sehr gute anpassen kann. Sobald der Untergrund aber nass und rutschig wird, spürt man, dass die Gummimischung nicht übermäßig weich gewählt ist – weniger gut für den Nassgrip, aber ein Indiz für eine hohe Laufleistung und hohe Langlebigkeit.

Die boomerang-artigen Seitenstollen liefern in Zusammenarbeit mit den Mittelstollen in Kurven eine sichere Führung und ordentlich Grip auf den unterschiedlichsten Böden. Sie verkrallen sich förmlich in jeden weichen Untergrund. Auf harten Böden sorgen die auf der schmalen Felge sehr schräg gestellten Seitenblöcke ebenfalls für sehr gute Traktionsweiterleitung.

 9a VITTORIA Gato  9 VITTORIA Gato

Der große Raum zwischen den Seitenstollen und dem Mittelprofil sorgt im Gelände aber für die eine oder andere Überraschung. Erreicht man durch die Kurvenlage eben diesen Zwischenbereich, neigt der Reifen zum Rutschen und das Kurvenverhalten wurde leicht schwammig. Gerade auf weichen, matschigen Böden sorgte diese Reaktion für das eine oder andere „Oha“-Erlebnis. Erst wenn man das Rad und damit die Seitenstollen aktiv in die Kurve drückt, spürt man wie die Seitenstollen ihre Arbeit optimal erledigen. Eine Veränderung des Luftdrucks brachte im Übrigen keine wesentliche Änderung dieses Phänomens – deir Gato und seine TNT Karkase bleiben diesbezüglich recht gleichgültig. Möglicherweise könnte eine deutlich breitere Felge dem Gato zu einem runderen Querschnitt verhelfen und den Effekt damit mindern.
Noch eine kleine Anekdote aus dem Testalltag: Auf nassem Asphalt und Steinböden lässt sich der Reifen in Kurven super leicht zum Driften bringen – ein kleiner Zug am Bremshebel genügt und Manöver wie ein „Scandinavian Flick“ gelangen mir damit spielerisch leicht. Damit hat der Gato mir viele Male ein breites Grinsen ins Gesicht gezeichnet.

10 VITTORIA Gato

Die Selbstreinigung auf matschig-lehmigen Böden geht absolut in Ordnung – aber nicht so, wie mich das Profil hat erwarten lassen. Denn, anstatt seinen Schmutz bereitwillig abzuwerfen, erlaubt der Gato dem Modder seitlich auszuweichen, mit dem Effekt, dass der Gato selbst bei scheinbar völlig zugesetztem Profil noch ausreichend Traktion und Kurvenhalt bietet. Der große Stollenabstand erfüllt hier scheinbar seinen Zweck.
Zur TNT-Karkasse sei gesagt, dass sie selbst bei dem gewählten 1,4 Bar Luftdruck überhaupt nicht zu walken begann und ich in der 4-wöchigen Testphase weder Snake-Bites noch Plattfüße zu beklagne hatte. Die zusätzliche Nylon-Lage und der stabilisierende Apex unserer TNT-Version verrichten ihre Arbeit offensichtlich wie versprochen.

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8 VITTORIA Gato

Fazit: Der VITTORIA Gato mag mit über 4 Jahren auf den Stolllen nicht mehr das progressivste Profildesign sein– er braucht sich vor neueren Reifen absolut nicht zu fürchten. Sein Profil sorgt für ausgewogene Fahreigenschaften auf den unterschiedlichsten Böden. Antritte und Bremskräfte werden sehr gut auf den Untergrund übertragen. In aktive gefahrenen Kurven bietet er satten Grip, aber gerade in gemäßigten Kurvenlagen hat der gato ein wenig ein Eigenleben, das ich auf den großen Abstand zwischen Mittel- und Seitenprofil schiebe. Der Rollwiderstand geht dabei absolut in Ordnung, die Karkasse kann durch geringes Walkverhalten, Durchstich- und Snake-Bite-Sicherheit voll überzeugen.
Positiv zu erwähnen sind auch die erstklassigen Tubeless-Eigenschaften, die leichte Montage und die absolute Dichtigkeit von Anfang an. Der VITTORIA Gato hat mir wirklich geholfen meine Ängste als tubeless-Neuling zu beruhigen.

MiMü