POLE BICYCLES – die etwas anderen 29er Bikes aus Finnland: von c_g
Seit einiger Zeit sind Rahmengeometrien das heiße Topic der Bikeenthusiasten. Jeder diskutiert über die neuen Ansätze mit noch flacheren Lenkwinkeln, steileren Sitzwinkeln, längeren Oberrohren und kürzeren Vorbauten. Das GEOMETRON Projekt von Chris Porter und NICOLAI ist sicher eine der wegweisenden und wohl bekanntesten Beispiele dafür, bei weitem aber nicht das einzige … denn auch anderswo wird mit Nachdruck an sogenannten „progressiven Geometrien“ gearbeitet. Fast durch Zufall sind wir auf die im Aufbau begriffene finnische Bike-Marke POLE BICYCLES gestoßen.
Die Grundidee hinter POLE ist es Bikes zu konstruieren, die in ihren Downhillfähigkeiten weit über dem angegebenen Federweg liegen und sich dennoch möglichst effizient bergauf fahren lassen. Sie wollen das durch zwei grundlegende Konzeote erreichen – einmal durch ihre einzigartige Geometrie und dann noch durch das eigene EVOLINK Federungssystem.
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GEOMETRIE
Als Ergebnis konstruiert POLE Bikes, die in ihrer Geometrie deutlich länger und flacher sind als bisher üblich: Lenkwinkel von 66° für ein 29er XC-Bike (EVOLINK 110) mit gerade mal 110 mm Federweg und eine effektive Oberrohrlänge von 615 mm in der Größe M, oder die Kettenstrebenlänge von stattlichen 455 mm sprechen da eine überdeutliche Sprache, dass man sich nicht scheut „anders“ zu sein.
Der sehr steilen Sitzwinkel von effektiv ca. 77,5° (bedingt durch den Versatz des Sitzrohrs am Tretlager) bei beiden genannten Modellen soll dagegen für eine optimal Gewichtsverteilung bergauf sorgen.
Wer es noch offensichtlicher mag – das All-Mountain 29er EVOLINK 140 (mit 140 mm Federweg) kommt mit einem 64,5° Lenkwinkel daher – einer der flachste Lenkwinkel bei einem 29er Serienrahmen! (Anmerkung: Nur noch das LAST Fast Forward schafft es unseres Wissens vorne noch flacher zu gehen.)
Hier noch ein Link zu einem recht langen Video (7 min!) von POLE Designer Leo Kokkonen über Bikegeometrien spricht – am Beispiel ihres 29er Hardtails Taival.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass Loe Kokkonen ein Teil der Philosophie aus seiner Liebe zum Downhillsport ableitet – wo die Fahrstabilität und Sicherheit bei hohem Speed noch vor der vieldiskutierten Agilität und Wendigkeit liegen. Wobei Leo darauf schwört, dass man damit mit angepasstem Fahrstil mindesten genauso flink um enge Kurven kommt, wie mit den klassischen Geometrien, nur eben viel sicherer und mit mehr Reserven. Ihre Entwicklungen verifiziert POLE übrigens allein über die Zeitmessung auf den jeweiligen Testrunden – egal ob für XC oder Enduro. „Die Stoppuhr lügt nie.“ ist einer seiner Leitsprüche.
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FEDERUNGSDESIGN /KINEMATIK
Während POLE sich in den Geometrien ihrer Bikes sehr wohl seine Inspirationen aus dem Gravity-Bereich holt, gehen sie bei der Kinematik und Federung ganz eigene Wege. Nach allerersten Versuchen und Prototypen mit einfache Eingelenker-Designs, kam man schnell zu dem Schluss, dass nur ein angepasstes VPP-Federungssystem die gewünschten Eigenschaften erbringen könnte. EVOLINK nennt POLE ihr eigenständiges Design bei dem der untere, massiv gestaltete Umlenkhebel sich konzentrisch in extrem großen Lagern im Tretlagergehäuse dreht. Tatsächlich wird das BSA Tretlager sogar in den Umlenkhebel eingeschraubt!
Mit der eigenen Kinematik will POLE eine maximal sensible, wie auch antriebsneutrale Kinematik entwickelt haben, die optimal mit den modernen Luftdämpfern harmoniert.
Das Schemavideo zur Kinematikzeigt, wie sich der virtuelle Drehpunkt immer nahe an der Kurbel befindet und dadurch nur eine geringe Kettenstrebenlängung über dne gesamten Federweg hin besitzt. Wer sich zu den speziellen Eigenschaften des EVOLINK genauer informieren will und gut englisch spricht – LEO bemüht sich in seinem Tech Blog sehr darum das Thema „Bikefederung“ zu erklären (auch wenn es ihm wie vielen Ingenieuren nicht immer gelingt J)
Und noch eine Besonderheit bietet das Federungssystem – es kann mit nur einem 5 mm Inbus am oberen Umlenk-Drehpunkt so ausgehängt werden, dass sich der Hinterbau in den Hauptrahmen einklappen lässt. Mit ausgebauten Vorderrad soll das resultierende Packmaß sogar als Standardgepäck auf Flugreisen durchgehen.
In seinen Details sehr gut durchdacht, wirken die POLE Evolink Bikes sehr eigenständig, mit ihren geraden Formen und klarer Linineführung fast schon simpel.
Die POLE EVOLINK Bikes werden derzeit nur direkt aus Finnland und per Vororder verkauft – geplante Auslieferung im Mai. Mit einem VK von 2350.- Euro für das EVOLINK 110 und das EVOLINK 140 sind die aus hydrogeformten 7005 er Alurohren gefertigten Rahmen genauso exotisch wie teuer. Neben den Rahmenkits gibt es auch hochwertige Komplettbikes zwischen 4000.- und 6000.- Euro.
Neben den beiden 29er Fullies bietet POLE auch noch ein schickes 29er Stahl-Hardtail unter dem Namen Taiwal – dieses mit nicht ganz so extravaganter Geometrie, aber einem sehr interessanten Preis von 490.- Euro an. Für wachsenden Sektor der Plus-Formate gibt es das EVOLINK 130 27,5+ auf Basis des 140 mm 29ers nur mit einem Boost-Hinterbau und etwas kürzerem Dämpfer. Überhaupt hat es in der aktuellen Zeit des Umbruchs der Käufer die Wahl zwischen 142/12 und 148/12 Hinterbauten und es wird auch Nachrüsthinterbauten geben. Den Gravity-Sektor bedient man mit einem 27,5“ DH-Bike (176 mm Federweg hinten) einem 27,5“ Endurobike (150 mm).
Nach Aussage von Leo wäre die erste Produktionscharge von insgesamt 100 Bikes (über alle Modelle und Größen verteilt) aber schon fast ausverkauft. (Anmerkung: Ein Online Custom-Konfigurator ist bereits in Vorbereitung und man arbeitete daran ein europäisches Händlernetzwerk aufzubauen.)
Ob der Ansatz von POLE auf auch unseren heimischen Trails wirklich Gültigkeit hat und nicht nur Mini-Downhill-Bikes für die weiten finnischen Trails hervorbringt, muss erst einmal ein echter Test zeigen. Wir hoffen dass ein solcher für 2016 klappt.
RIDE ON,
c_g
Auf Englisch, bitte! 🙂