SCOTT News & Praxiseindrücke der 2016er Bikes: von Grannygear
Wir haben euch bereits von den SCOTT Neuheiten der 27,5+ Bikes berichtet – jetzt hatte unser US-Tester Grannygear die Gelegenheit ein paar der 2016er Bikes einem SCOTT Press Camp im Deer Valley bei Park City, Utah selber zu fahren. Bevor wir jedoch dazu kommen hier noch ein paar Ergänzungen, welche die gesamte 2016er Linie betreffen:
FEDERUNG: Alle 2016er Fullies bekommen FOX Federelemente – darunter auch eine auf NUDE modifizierte Variante des neuen DPS („Dual Piston System“) Dämpfers.
“Der neue NUDE DPS, mit seinem Dual Piston Dämpfungssystem ist der bisher beste Trail-Dämpfer von FOX. Er hat eine überragende Kontrolle und erweiterte Einstellbarkeit. Genauso wie der FIT4 Dämpfer in der Gabel, ist auch hier der Open Mode einstellbar. Was den NUDE DPS noch besser macht als den Float DPS? Die Antwort liegt in unserem einzigartigen Traction Modus mit reduziertem Federweg womit sich sofort und ganz einfach der Federweg und auch die Geometrie verstellen lassen.
Als zusätzliche Option bieten wir den NUDE DPS Dämpfer auch mit der EVOL Luftkammer an, welche mit ihrer größeren Negativ-Feder vor allem das Losbrechmoment reduziert und damit die Sensibilität erhöht. Zusätzlich ist die Luftfeder stärker linear und biete somit mehr Unterstützung im mittleren Federwegsbereich. Die EVOL Luftkammer kommt bei allen Genius, Genius LT, Genius PLUS and Genius LT PLUS Modellen zum Einsatz.”
Wie bisher auch bei SCOTT wird der NUDE Dämpfer über einen 3-stufigen Lenkerhebel angesteuert, der für 2016 bei den 1×11 Modellen noch ergonomischer unter dem Lenker links liegt. Der „Descend Modus“ ist ganz offen, der „Traction Control Modus“ ist dem Pro Pedal sehr ähnlich, reduziert aber mittels eines speziellen Ventils den nutzbaren Federweg auf nur 80% was bergauf eben auch weniger Sag bedeutet. Als dritte Stufe gibt es noch einen harten Lockout für Sprints und Asphaltanstiege.
An der Front der 2016er Bikes arbeiten selbstverständlich auch die neuen FOX Federgabeln mit FIT4 Dämpfern und neuer Luftfeder, entweder die F34 oder die F32, je nach Modell auch in der Boost Version.
Die 2016er Genius 29er Modelle wurden nur in Details überarbeitet. Es bleibt hinten bei 130 mm maximalem Federweg, vorne kommt aber eine 140 mm Gabel dazu. Dazu durch die Bank etwas breitere Lenker und kürzere Vorbauten. Wie ihr später lesen werdet, finde ich, dass sch die neuen Bikes damit durchaus anders als ihre aktuellen Vorgänger fahren.
Bei den bereits vorgestellten 27,5+ Bikes hat SCOTT intensiv mit SCHWALBE zusammengearbeitet und sich nach diversen Versuchen und Prototypen nicht für die scheinbar üblicheren 3,0“, sondern die schmäleren 2,8“ Reifen entschieden – je nach Modell mit dem Profil des Nobby Nic oder des Rocket Ron. Nur zur Info, wer möchte kann die Genius Plus Modelle sehr wohl auch mit 3.0ern fahren. Andersherum passen natürlich auch 29er Laufräder … nur müsse die Naben halt im Boost Standard kommen.
Auf den 40 mm Felgen von SYNCROS (hergestellt von DT-SWISS) fährt man die 2.8er Reifen zwischen 0,9 und 1,1 bar.
Wer sich zu den jeweiligen Bikes und Modellvarianten genauer informieren will, kann das auf der SCOTT Homepage tun, aber jetzt zum wichtigeren, meinem persönlichen Fahreindrücken zu den 2016er Bikes:
Ich bin in der Zeit dort drei Bikes intensiver gefahren – jedes auf diversen Ausfahrten und unterschiedlichen Trails um mir ein echtes Bild zu machen. Zuerst war das Genius 900 Tuned dran, quasi als Status Quo eines ‘normalen’ 29ers. Danach zwei PLUS-Bikes dem Genius 720 Plus und dem Scale 710 Plus.
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XX1, Kashima beschichtete FOX Federelemente, Carbon Laufräder and andere Carbonbauteile von SNYCROS … dieses Bike ist eine rollende Tuningkiste. Mit 140mm Federweg vorne in der deutlich leichteren for 2016er FOX 34 Gabel, dazu das breite und kurze Cockpit fühlt sihc das Genius 900 fast eher wie das letztjährige Genius LT an.
Ich habe mit dem Bike ein paar Trails in Deer Valley unter die Stollen genommen und sehr schnell festgestellt, dass die neue F34 Gabel wirklich eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem Vorgängermodell ist. Scheinbar steifer, sensibler und konstanter im Federweg war die Fox 34 wirklich ein Gedicht. Insgesamt hat sich das Genius 29er damit viel satter und komfortabler angefühlt und mir damit viel mehr das Gefühl eines Trailbikes als eines langhubigen XC-Bikes gegeben. Ich hätte geschworen, dass auch der Lenkwinkel flacher geworden ist, aber laut Geo-Daten ist der gleich geblieben.
Mit der SRAM XX1 und den Carbon Laufrädern war das Bike natürlich auch sehr leicht und damit schnell bergauf. Mit dem neuen und sehr ergonomischen Twin Loc Hebel im Traction Modus kann man so locker auch lange Ansteige meistern. Obwohl ich mich auf dem 2015er Modell des Genius wohler gefühlt habe, das ich ja sehr lange als Testplattform gefahren habe, passt das neue Genius definitv besser in die Trailbike-Kategorie in der es mitspielen will. Damit rückt es wieder in direkte Konkurrenz gegenüber dem 2016er SPECIALIZED Stumpjumper FSR 29, das ich ja ebenfalls kürzlich gefahren bin.
Bie allen zweifelsohne vorhandenen Trailqualitäten habe ich es in der kurzen Zeit nicht geschafft, mich je wirklich auf dem Bike wohl zu fühlen. Ich kann nicht sagen woran es lag – evtl. ein zu kurzer Vorbau oder ein nicht optimales Set-Up, aber irgendwie hat es nicht so richtig gefunkt zwischen dem Genius 900 Tuned und mir.
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Zum direkten Vergleich in Form eines 17,5+ Fullies, konnte ich mir nur ein 729 Plus ergattern – ein viel weniger exklusives Bike. Aber mir ging es nicht um Bling, sondern um Erfahrungen mit den breiten Reifen, von denen GG und c_g schon so viel vorgeschwärmt hatten. Mit dem identischen Federweg 140mm vorne und 130mm hinten stand damit einem echten Vergleich nichts mehr im Wege. Kurz noch den Reifendruck auf 1,1 bar setzen und ab in den Sessellift nach oben.
Selbstverständlich war das Genius 720 Plus mit seinem Alurahmen und den Mittelklassekomponenten deutlich schwerer Gewicht aber wenn man den SCOTT Leuten Glauben schenkt, lag das Gewicht der 27,5+ Laufräder und Reifen gerade mal 250, bis 300 g über dem der 29er Gegenstücke. Dennoch musst ich das bei meiner Bewertung berücksichtigen. Außerdem kann mit Leichtbau so manche kleineren Defizite schön kaschieren, was bei den Preisbrechermodellen weit weniger einfach geht.
Aus dem Sessellift bin ich zuerst eine Schotterstrasse entlang gerollt um zum Trail-Einstieg zu kommen. Auf dem losen Untergrund hatte der 29er vorher seine liebe Mühe ordentliche Führung zu bewahren und es war nicht immer ganz einfach das Bike aus dem tiefen Schotter fern zu halten. Mit dem 27,6+ Bike dagegen war das überhaupt kein Thema. Es steuerte fast schon fatbike-ähnlich stoisch und gelassen über den Schotter. Cool. Auch auf dem Trail war sofort ein Unterschied zu merken. Innerhalb weniger Meter wusste ich einfach, dass das eine tolle Abfahrt werden würde.
Die Trails dort sind recht zerhackt, mit vielen losen Schiefersteinen auf festem Untergrund, dazu viele Wurzeln und auch größere Felsen dazwischen. Ich konnte es nicht messen, aber dem Gefühl nach bin ich mindestens genauso schnell mit dem 720 Plus unterwegs gewesen wie vorher mit dem 900 Tuned, nur dieses Mal noch viel sicherer. Um ehrlich zu sein, hatte ich nie den Eindruck je die Limits der 2,8er Nobby Nic in Kurven auch nur ansatzweise zu erreichen. Komischerweise fühlte sich das Plus-Bike für mich nach weniger Federweg an, als das 29er. Keine Ahnung warum.
Mir kam es außerdem so vor, als wäre das 27,5+ agiler und leichter zu steuern, obwohl die Physik eigentlich etwas anderes fordern würde. Ganz besonders bemerkenswert fand ich die Tatsache, dass ich keinerlei Untersteuern oder andere Auffälligkeiten in der Lenkung gespürt habe – etwas, das ich von meinem Fatbike nur zu gut kenne und das auch bei 29+ mitunter spürbar auftritt. Ob das am 2,8er Reifenmaß oder einfach nur dem smarten Design der SCHWALBE Nobby Nic liegt, vermag ich aber nicht zu sagen. Der Nobby Nic Reifen ist ein echter Trailreifen, kein aufgeblasener XC-Reifen, sondern mit echten großen Stollen, die in einem ordentlichen Abstand zueinander stehen. Der Kurvengrip war einfach phänomenal und die Lenkung absolut intuitiv. Sehr gut!
Hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass das Bike sich ein wenig aufschaukelte, ein Punkt, der aber auch am Se-Up der Federelemente gelegen haben kann. Außerdem war es wirklich nur am Rande spürbar. Dabei habe ich mich auch gefragt ob die Plus-Bikes nicht evtl. doch einen leicht modifizierten Dämpfungstune brauchen, oder ob der derzeit verwendete Standardtune wirklich ausreicht. Ich denke, die Frage wird sich im Laufe der kommenden Saison von selber beantworten. Noch stecken die Plus-Formate ja in den Kinderschuhen.
Als ich am Ende von zwei langen Abfahrten wieder unten angekommen bin, war ich restlos davon überzeugt, dass den Plus-Formaten eine blühende Zukunft bei den Trailbikens bevorsteht … zumal sie sich ja auch leicht auf 29er umrüsten lassen und so beide Nutzungsspektren bedienen können. SCOTT hat jedenfalls mit dem Genius schon mal eine ordentliche Vorlage gesetzt. Ich hatte jedenfalls richtig viel Spaß mit dem Genius 720+.
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SCOTT Scale 710 Plus
Das Genius 720 Plus war definitiv. Dass ich vorher mit dem superleichten Genius 900 tuned unterwegs gewesen war hat den Eindruck natürlich noch mal verstärkt. Deswegen wollte ich einmal herausfinden wie sich die Plus-Laufräder auf einem leichteren Bike verhalten würden – einem Hardtail zum Beispiel. Am letzen tag habe ich mir deswegen ein Scale 710 Plus Alu-Hardtail geschnappt und bin damit einen halben Tag auf dem Mid Mountain Trail bei verregnetem Wetter unterwegs gewesen. Ohne einer Heckfederung, die gewisse Effekte einfach überdeckt, wollte ich mal herausfinden wie sich die Plus-Formate im Uphill, auch über Felsen und Wurzeln fahren würden.
Gegenüber dem „normalen“ eher auf XC ausgerichteten Scale verpasst SCOTT dem Scale Plus schon mal 120mm Federweg und einen flacheren Lenkwinkel um daraus ein weitaus traillastigeres Bike zu machen.
Bergauf blieb da Scale Plus recht neutral. Es war zwar nicht super schnell, sicher nicht so schnell wie ein normales 29er aber auch nicht so behäbig, wie ein Fatbike oder ähnliches. Mit dem Scale Plus bin ich den Trail definitiv etwas gemächlicher angegangen, als das Jahr zuvor mit dem 29er Scale. Dafür war das unglaublich weiche Überrollverhalten über Steine und Wurzeln, sowie die unglaubliche Traktion umso deutlicher. Egal auf welchem untergrund – aus dem Sattel gehen und Sprinteinlagen waren dank der schier übernatürlichen Traktion immer möglich.
Für ein Hardtail hat sich das Scale Plus extrem komfortabel gefahren. Mitunter habe ich ganz vergessen, dass ich kein Fully fahre … zumindest bis ein Hindernis das Heck plötzlich zum Springen gebracht hat. Ach ja … keine Heckfederung J. Das einzige, was mir als zu direkt und steif aufgefallen ist, war die SYNCROS Sattelstütze, ansonsten war es ein fast schon der sprichwörtliche „Ritt auf dem fliegenden Teppich“. Das Scale Plus (und wahrscheinlich alle Plus-Hardtails) wäre eine tolle Option für all diejenigen, welche weiterhin Hardtail fahren wollen, aber sich nicht übermäßig dabei durchschütteln lassen wollen.
Auf dem an diesem Tag nassen Trail, blieben auch die ansonsten nicht wirklich für ihren Nassgrip bekannten Rocket Rons Reifen sehr traktionsstark und bestens kontrollierbar – dem Plus-Format und 1,0 bar Druck sei Dank.
Was ich aus dem SCOTT Scale 710 Plus gelernt habe, ist dass die Plus-Laufräder und Reifen keineswegs schwerfällig oder behäbig sein müssen, und das Mehrgewicht gegenüber der Traktion und dem Komfortgewinn komplett in den Hintergrund tritt. Ich kann es noch nicht beweisen, aber ich wette, dass ich im passenden Gelände mit dem Scale Plus sogar schneller unterwegs wäre, als mit einem 29er .. trotz des höheren Gewichtes und des offensichtlich höheren Rollwiderstandes.
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Abschlussgedanke: 27+ oder B+ ist noch sehr neu und die Hersteller fangen gerade erst damit an die vielen feinen Details zu erkenne, die ein mittelmäßiges von einem sehr guten Plus-Bike unterschieden. Trotz dieser Neuheit scheint es dieses Jahr kaum einen Hersteller zu geben, der nicht mindestens ein paar Plus-Bikes im Sortiment hat – mit ganz unterschiedlichen Konzepten und auch Federwegsklassen. Dann gibt es da natürlich noch die Variante der 29+ Bikes wie das TREK Stache 9, das ich je eben erst zum Test bekommen habe.
Was ich schon jetzt sagen kann, ist, dass SCOTT BIKES mit ihren Plus-Bikes schon mal ein spannendes Sortiment auf die Beine gestellt hat, das vom Hardtail, über ein Trailbike (das Genius), bis hin zum Enduro (das leider nicht gefahrene Genius LT) alles bietet.
Offensichtlich stehen uns technisch begeisterten Bikern wieder einmal spannende Zeiten bevor.
Grannygear