KENDA Nevegal Pro DTC 2.2 – Ein-Artikel-Test: von MiMü

Was kann man von einem Reifen erwarten, wenn DER John Tomac seinen guten Namen dafür hergibt? Das wollte ich herausfinden, und habe eine Saison lang den KENDA Nevegal PRO DTC 2.20 John Tomac Signature Series auf Herz und Nieren getestet.

KENDA Nevegal 1

KENDA Nevegal Pro DTC 29×2.2 – Im Test

Es sei noch erwähnt, dass ich bei Reifen eher auf „Exoten“ stehe. Ich lese zwar die Tests in den einschlägigen Magazinen, entscheide mich dann aber eher für den Reifen, dessen Profil mir optisch schon mal ins Auge sticht und der nicht der (oft erwartete) Testsieger ist. Es fahren ja auch nicht alle Menschen VW Golf (nichts gegen Golf-Fahrer J)!
Mangels deutscher Bezugsquelle zu Beginn des letzten Jahres hab ich mir die Reifen bei einem namhaften britischen Online-Shop bestellt, mittlerweile bieten ihn aber auch zahlreiche deutsche Shops an – Google-Suche genügt. Preislich bewegt sich der Reifen um rund 45.- Euro.
Neben der getesteten Version des Nevegal mit 2.20 Zoll Breite, Zweifach-Gummimischung (DTC= Dual Thread Compound) und 60 TPI Karkasse bietet Kenda auch noch eine weitere Variante mit 120 TPI, verstärkter Seitenwand und DTC an. Weiters gibt es noch den Nevegal Pro X mit etwas weniger offenen Profil und nur in 2.20 Zoll Breite und 120TPI, aber ebenfalls mit der zweifach Gummimischung DTC. Tubeless-Ready sind sämtliche Versionen leider nicht.

KENDA Nevegal 4

Auf der Waage schlagen meine beiden Reifen mit 869g und 835g zu Buche, bewegen sich damit im Rahmen der Gewichtsangabe 833+/-42g laut Kenda-Homepage. Die Montage auf meinen Spank Oozy 26 Felgen funktionierte ohne Probleme, nicht einmal Reifenheber waren notwendig. Zwei halbwegs kräftige Daumen genügten.
Bei einer Felgeninnenbreite von 21mm baut die Karkasse des Nevegal 52mm breit, die Stollenbreite beträgt 57mm – kein Volumenswunder aber akzeptabel. Ein vergleichsweise montierter Conti Mountain King in 2.4 Zoll Breite hat zwar eine deutlich breitere Karkasse (56mm), die Stollenbreite ist aber identisch mit dem Reifen aus taiwanesischer Herstellung.

Das Profil des Kenda unterteilt sich in drei Reihen: das doppelreihige 5mm tiefe Mittelprofil mit Querrillen und in Fahrtrichtung abgeflachtem Profilblock – wohl um das Überrollverhalten auf hartem Untergrund zu verbessern, dann eine Art zweites Mittelprofil, das abwechselnd über Quer- bzw. Schrägrillen verfügt – beide ebenfalls 5mm tief, und dann noch die eigentlichen Seitenstollen, die über eine sagenhafte Tiefe von 8mm verfügen und durchgehend Längsrillen aufweisen.
Kenda empfiehlt den Nevegal für Trail/All-Mountain, er soll laut Homepage für sämtliche Arten von Untergründen bestens geeignet sein. Wie die meisten anderen Hersteller auch, verwendet Kenda wie bereits weiter oben erwähnt zwei verschiedene Gummimischungen – eine härtere in der Mitte des Reifens und eine weichere an den Seiten. Damit soll zum einen der Rollwiderstand auf hartem Untergrund verringert und zum anderen der Kurvengrip verbessert werden.

KENDA Nevegal 6

Der Nevegal ist ein Allrounder, der vor allem auf waldigen, aber auf steinigen Trails echte Größe zeigt.

Die Anfahrt zu meinem Hometrail erfolgt zum Teil auf auf Asphalt und hier zeigt sich leider, dass die mittig verwendete, härtere Gummimischung ihre Aufgabe nur zum Teil erfüllt. Bis ca. 20km/h ist noch alles in Ordnung, aber mit zunehmendem Tempo macht sich der Reifen durch immer lauter werdendes Brummen und eben leider auch mit deutlich spürbarem Rollwiderstand bemerkbar. Insbesondere im Uphill kommt man sich vor, als würde jemand das Bike festhalten. Möglicherweise hat Kenda dieses Rollverhalten bewußt in Kauf genommen und das Mittelprofil deshalb vorsorglich einseitig abgeflacht.

KENDA Nevegal 10

Im Gelände aber – und da gehört ein Mountainbike-Reifen schließlich hin – zeigt sich ein ganz anderes Bild. Waldboden, loser Schotter, felsiges Terrain, Wurzeln im trockenen oder nassen Zustand – dem Nevegal scheint hier der Untergrund egal zu sein. Die Gummimischung ist hierfür definitiv gut gewählt. Selbst im Wiegetritt auf übelster ausgewaschener Furt bleibt er gelassen, und wenn er doch einmal den Halt verliert, dann findet er ihn genauso schnell wieder. Stollenanordnung und -härte hat Kenda mit sehr viel Bedacht gewählt, der Fahrer weiß immer, was der Reifen gerade macht. Die Seitenstollen sind derart massiv ausgeführt, man könnte glauben einen Downhillreifen á la Maxxis Minion aufgezogen zu haben. Das Profil gibt jederzeit das Feedback, das gerade benötigt wird – die über die Karkasse ragenden Seitenstollen etwa verbeißen sich spürbar in schottrigen, erdigen oder anders gearteten weichen Boden, reinigen sich dank ausreichend großem Stollenabstand aber schnell genug für die nächste Mutprobe. Selbst nasse Wurzeln, oftmals ein großes Problem für viele Reifen, lassen den Nevegal wegen seiner versetzten Profilblöcke fast kalt. Es ist einfach immer etwas da, das Grip generiert – fast wie mit einem Kettenfahrzeug. Die Bremstraktion ist, der großen quergestellten Mittelstollen sei Dank, auf weichen Böden und Schotter mehr als ausreichend, nur auf Felsplatten oder größeren Steinen neigt der Kenda doch mitunter zum Blockieren, möglicherweise ist die mittige Gummimischung hierfür eine Spur zu hart.
Der Grenzbereich des Kenda kommt spät und keineswegs abrupt. Bei schnell gefahrenen Kurven auf felsigem Untergrund fängt er spät an über die Seitenstollen zu schieben, lässt sich durch Drosselung der Geschwindigkeit und Vergrößern des Kurvenradius aber leicht einfangen. Bei matschigem Kurvenslalom ist mir nur einige wenigen Male das Hinterrad leicht weggerutscht. Aber auch hier war der Reifen ohne gröbere Probleme wieder eingefangen, leichtes Gegenlenken genügte.

KENDA Nevegal 3

Auf meinen Trails hat sich der KENDA Nevegal Pro ausgezeichnet bewährt.

Während der gesamten Testphase hatte ich keinen einzigen Plattfuß, Durchschläge durfte ich auch keine verzeichnen. Ich fuhr den Reifen die meiste Zeit mit 1,8 Bar bei 80kg Lebendgewicht, nur zu Beginn des Tests experimentiere ich mit zwei bis 2,2 Bar, wollte so die schlechten Rolleigenschaften auf Asphalt verbessern. Hat aber nicht funktioniert.
Einen Tag in Saalbach-Hinterglemm hat der Nevegal völlig schadlos überstanden, wer die Trails und Freeridestrecken vor Ort kennt, der weiß, dass hier Schwerstarbeit von Mensch und Maschine inkl. Reifen abverlangt wird.

Auch der Verschleiß zählt zu den Stärken des Kenda. Nach gut 1400 km und dementsprechend vielen Bremsmanövern, Kurvenorgien und sonstigen materialmordenden Aktionen hat das Profil rundum nur einen einzigen lächerlichen Millimeter verloren. Alle Stollen sind intakt, Läuffläche und Seitenwände weißen keinerlei Schnitte oder dergleichen auf – Respekt!

KENDA Nevegal 2

Sieht aggressiv aus und ist es auch – ein Reifen mit schlafwandlerischer Sicherheit auf diversen Untergründen.

Summa summarum führt der Kenda Nevegal zu Unrecht ein Schattendasein im Bereich der All-Mountain-Reifen. Ich hatte vorher Schwalbes Nobby Nic und auch Hans Dampf in Verwendung, und sehe den Nevegal irgendwo dazwischen angesiedelt. Der Nobby Nic läuft zwar auf Asphalt besser, kann aber insbesondere beim Nassgrip und bei der Haltbarkeit nicht mithalten, der Hans Dampf geht für mich noch mehr in Richtung Enduro als der Nevegal, ist von den Fahreigenschaften her aber ähnlich – Stichwort Grip. Für den Asiaten sprechen seine superben Fähigkeiten auf Wald-/Wiesenboden, Schotter, Wurzeln und im Matsch, die stets gute Beherrschbarkeit und der geringe Verschleiß. Den spürbaren Rollwiderstand auf Asphalt muss man dafür in Kauf nehmen, finde ich aber für einen All-Mountain-Reifen auch verschmerzbar.
Mit einem Satz: Der KENDA Nevegal Pro DTC 2.2 ist nahe an der Eier legenden Wollmilchsau, kommt für mich dem Optimum eines All-Mountain-Reifens schon sehr, sehr nahe. John Tomac muss sich also keine Sorgen um seinen guten Namen machen.

MiMü