GASVENTINOVE Rovagrossa B+ Bikes – Ein Aufbaubericht: von Tomt
(Untertitel: „Insalata Caprese mit Beigeschmack“)
(Vorwort: Hierbei handelt es sich um einen Beitrag eines unserer Leser, der es gewagt hat mit seinem Custombike in 27,5+ in „unbekannte Gewässer“ vorzudringen. Danke dafür.
Wenn ihr ähnliche Geschichten habt, die ihr hier gerne teilen wollt … gerne, wir würden uns freuen.)
Bikes mit großen Rädern sind für mich persönlich die besseren Bikes. Fatbikes finde ich, ohne bisher auf einem Gerät dieser Gattung gefahren zu sein, interessant aber ziemlich nischig. Stahl ist ein tolles Material.
aus diesen Grundüberlegungen formte sich langsam die Idee zu einem „Winterprojekt“, welches obige Gedanken zusammenführt. Ich selber fahre schon recht lange, aber nie wettkampforientiert Rad. Eher zum Abschalten nach einem stressigen Arbeitstag und am Wochenenden, solange es die Familie zulässt.
Infiziert wurde ich durch ein damals ladenfrisches GT Zaskar in schickem Eloxblau mit einer dickbeinigen Rock Shox Judy, quietschgelben Magura HS33 und (ganz wichtig!!!) pinkem Ringlé-Flaschenhalter. Ja, stilsicher ist anders aber was fand ich das damals fesch! Derzeit fahre ich, neben gelegentlichen Ausfahrten auf dem Rennrad, ein 29er Fully und ein starres Stahlrad als 29er Singlespeeder (welches nebenbei auch als Zugmaschine für den Kinderanhänger dienen muß). Da irgendwo dazwischen sollte also das neue Bike passen. Bewegt werden soll es vorrangig in meiner näheren Umgebung: Viel brandenburgischer Sand, kleinere aber oft fiese Hügel, weitläufige Wälder, ab und an in den Harz und Co.
Dies soll einen groben Anhaltspunkt geben, womit ich das Neue vergleichen kann, wo meine Erfahrungen und der voraussichtliche Einsatzbereich liegen.
Das Projekt war von Anfang an als ein Experiment gedacht. Eine Art Selbstversuch im Radaufbau und den obigen Gedanken folgend mit dem noch exotischen Format 650bPlus (oder „B+). Das Ganze auch noch mit einem ganz neuen Rahmen einer kleinen, eigentlich mit gutem Ruf ausgestatteten, italienischen Schmiede. Und, um die Unwägbarkeiten doch noch etwas zu vermehren, sollte der Rahmen aus einer Crowd-Funding-Aktion entstehen, welche die ersten Rahmen quasi vorfinanzieren soll.
GASVENTINOVE nennt sich die Schmiede, ihr stählerner oder titaniger 29er Stambek-Rahmen in mehreren Varianten ist schick anzusehen, scheint gut verarbeitet und wird von einigen Leuten in diversen Foren sehr gelobt (TNI hatte sowohl den Stahl Stambek, wie auch schon einen Titan-Prototypen im Test – beide auf der US-Schwesterseite veröffentlicht.)
Das aktuelle B+ Projekt heißt Rovagrossa, wieder Stahl (Columbus Zona) diesmal jedoch ein Rahmen, der sowohl herkömmliche 29er Laufräder als auch semidicke 27,5er fassen können soll.
Genaue Geometriedaten waren nicht verfügbar, einige Details konnten noch per Mail geklärt werden, warfen aber auch wieder neue Fragen auf … die von Seiten GAS29 nicht immer beantwortet werden konnten. Mit einer kleinen Portion Abenteuerlust habe ich mich für ein Rahmenset (incl. Steuersatz) in Größe. L mit Steckachse entschieden und es im Juni 2014 „gebacked“ … und gewartet. Laut Projektseite wurde als zeitliches „Worst Case Scenario“ der September’14 angegeben. Tatsächlich stand der Rahmen (ohne Steuersatz) dann am vorletzten Tag des Jahres endlich bei mir. Der Steuersatz ist bis heute nicht angekommen und auf meine Mails wird nicht mehr reagiert (anfangs klappte dies gut).
Die Vorfreude auf das Aufbauprojekt war dadurch schon getrübt und ging durch das beim Schweißen oben verzogene Steuerrohr (wenigstens war’s windschnittig!) und die lieblos und leicht schief angebrachten Rahmendecals (die lösen sich teilweise eh gerade ab, weil der Rahmen offensichtlich vorm Aufkleben nicht gereinigt wurde) dann vollkommen flöten. Das unrunde Steuerrohr erklärte aber zumindest die Abwesenheit des Steuersatzes schlüssig. Die augenscheinlich eher mittelmäßige Qualität der Schweißnähte hakte ich als „Prototypencharme“ ab.
Bitte nicht falsch verstehen, mir war von Anfang an bewusst, dass es Unwägbarkeiten bei Crowd-Fundings gibt und ich ziehe vor jedem den Hut, der ein solches Projekt startet und allen Widrigkeiten zum Trotz durchzieht. Das Risiko bin ich bewusst eingegangen und ich lege an eine kleine Schmiede, deren Inhaber den Radbau neben ihren regulären Jobs bewerkstelligen, andere Maßstäbe an als an die Big Player in der Branche – aber oben genannte Sachen sind unnötig, vermeidbar und trüben den Gesamteindruck doch sehr. Den Gedanken, den Rahmen aus Frust direkt wieder zu verkaufen, schob ich, auch nach gutem Zureden im mtb-news.de-Forum (Danke!), beiseite und machte mich dann doch an den Aufbau.
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Grundgedanken bei der Teilewahl waren: „Gewicht ist zweitrangig, ein gesunder Mix aus Funktion und Optik, im Zweifel für die Funktion.“ Es sollten auch einige vorhandene Teile aus meiner Restekiste verbaut werden.
Auch ein Farbkonzept gab es grob: Der Rahmen in feschem „Büffelmozzarellaweiß“, dazu etwas tomatenrot, etwas basilikumgrün als Akzente. Caprese eben. Wesentliche Teile, sofern möglich in silber, Rest zwangsweise schwarz.
Die Wichtigsten sind neben dem Antrieb die Laufräder, hier habe ich auf eine Kombination aus VELOCITY Blunt 35, mit knapp 30 mm Maulweite (die ich glücklicherweise noch online ergattern konnte) und HOPE Naben gesetzt. Laufradbauen kann ich nicht, Sören Speer (speerlaufräder.de) schon. Warum die Blunts? Alu, nicht zu breit, um die Reifenfreiheit der Gabel nicht zu überreizen und , nicht zu schmal, um den Reifen einfach noch genug Abstützung zu bieten. Alternativen sind bisher noch ziemlich rar. Chinacarbon in 35 oder 40mm hätte es noch gegeben aber letztlich sollte es wegen des günstigeren Preises und trotz Mehrgewicht dann doch Alu werden.
Die Räder wurden mit VEETIRE CO. Traxx Fatties in 27,5 x 3,25 bestückt, angespornt durch den guten Eindruck den sie bei TNI im Kurztest hinterlassen haben. Die Pneus zogen sich quasi von allein auf die Felgen, Reifenheber und kaputte Daumen braucht man nicht.
Auch wichtig, der Antrieb, Hilfe!
Doch von vorn: Auch wenn der Rahmen normalmaßige Naben fasst – also vorne was die Gabel vorgibt und hinten eine 142×12 Steckachse – hat sich GAS29 doch für ein 83mm Tretlager entschieden. Hier musste ich lernen, dass die Sache mit der Kettenlinie doch nicht zu vernachlässigen ist, dazu später mehr. Es ist nicht leicht, in dem Tretlagermaß, welches eher bei Downhill-Bikes üblich ist, etwas zu finden, was auch noch die passende Kurbellänge (175mm) mitbringt. Deswegen wurde es eine RACE FACE Atlas Kurbel (eine Freeride-Kurbel an einem filigranen Stahlrad?! Skandal!) Gebraucht aber ohne Gebrauchsspuren gab’s die preiswert dazu farblich passend. Um es etwas einfacher zu gestalten, sollte vorn nur ein Blatt dran. Hier ein 30er Narrow-Wide Blatt von RACE FACE, welches vorher an einem anderen Rad seinen Dienst tat.
Hinten kommt eine 10-fach Kassette mit schenkelschonendem General Lee Ritzelblock zu Einsatz, ein SRAM X0 Schaltwerk übernimmt das Kettenwerfen. Soweit zu den eher unproblematischen Bauteilen.
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Die Geschichte der Kettenlinie ist eine Geschichte voller Missverständnisse:
Es war ordentlich Bastelarbeit, oder konkreter, Spacer-Geschiebe an Lager, Kurbel und Spider notwendig, um in die Nähe einer 50mm Kettenlinie zu kommen. „Unproblematisch“ ist anders. Mit einem 2xAufbau vorn wird es wohl noch deutlich kniffeliger, 3x funktioniert wahrscheinlich überhaupt nicht, ist aber für mich und mein Gelände auch nicht nötig. Über die Alpen würde ich damit nicht wirklich kommen, ist aber auch nicht beabsichtigt.
Hier stellt sich die Frage, ob das Format B+ wirklich auf 83mm Tretlager angewiesen ist oder nicht. Ich vermute laienhaft, dass es nicht sein muss und die Existenz des NINER ROS9+ mit dem BSA73 belegt es eindrucksvoll, auch wenn das als 29+ nochmal mit anderen konstruktiven Herausforderungen zu kämpfen hat. Aktuell habe ich mit der jedenfalls bei halbwegs passender Kettenlinie auf dem größten Ritzel noch ausreichend Platz zwischen Reifen und Kette – anders als beim NINER wo es den Fotos im Fahrbericht nach doch recht eng wird.
Der Rest der Parts ist ähnlich unspektakulär aber funktionell, THOMSON steuert Vorbau und Stütze bei, die tollen XTR Trail Bremsen, ein SRAM X.9 Trigger schaltet, der stabile aber schwere Lenker stammt von KCNC, als Sattel ist derzeit ein WTB Volt verbaut. Bei den Pedalen werde ich immer wieder zwischen Plattform- und Klickpedalen wechseln.
Den hier undankbaren Job des Steuersatzes übernimmt ein CANE CREEK. Komplett rund habe ich das Steuerrohr oben übrigens nicht mehr hinbekommen, dementsprechend abenteuerlich gestaltete sich das Einpressen, das obere Lager läuft durch den erhöhten Druck etwas stramm ;-).
Die Frage der Gabel war anfangs heikel, da Erfahrungswerte, welche Reifen auf welchen Felgen in welche Forke passen würden, rar waren. Mehrfach – unter anderem auch hier auf TNI selber getestet – wurde die neue OPM von DT-SWISS erwähnt, welche gute Reserven in Breite und Höhe bieten, nebenbei ordentlich funktionieren und einen fairen Preis haben soll. Der Wunsch nach 120-130mm vorne habe ich nach dem subjektivem Eindruck der vermessenden Geometrie des Rahmens wieder verworfen. Es blieb also die 100mm-Variante, bei mir als OPM O.L. (TNI hatte die O.D.L Version im Test).
Die Gabel bietet tatsächlich reichlich Platz für die Kombi aus Trax Fatty und Blunt, etwas breitere Felgen würden sicher auch noch funktionieren. Ob es für 3.25er Reifen auf ZTR Hugo oder WTB Scraper reicht (was zukünftig sicher auch reizvolle Kombinationen wären) vermag ich nicht zu beurteilen.
So aufgebaut liegt das Gesamtgewicht bei glatt 12,6 kg, der Rahmen allein wiegt nackt ziemlich genau 2200 Gramm kein schlechter Wert für einen solchen Rahmen.
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Abschließend noch ein paar kleine Anhaltspunkte zur Geometrie meines Rahmens (L), selbst vermessen und ohne Gewähr, daß ich mich um ein paar Millimeter verguckt habe oder eventuell folgende Serienrahmen auch wirklich gleich gebaut werden:
- Steuerrohr: 44 x 105 mm
- Oberrohr bis Mitte Sattelrohr (direkt): 590 mm
- Sitzrohr bis Mitte OR (direkt): 490 mm
- Kettenstrebe (horizontal): 430 mm
- Radstand mit DT Swiss OPM (100mm): 1095 mm
- Lenkwinkel mit obiger Gabel: etwas über 69 Grad
- Sattelrohr: 27,2 mm
Der Rahmen hat klassische externe Zuganschläge. Führungen für eine Dropperpost und Ösen für Träger oder Fender sind nicht vorhanden, was mich angesichts des geplanten Anwendungsspektrums (siehe oben) aber auch nicht weiter stört.
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Soweit zum Intro und Aufbau. Jetzt heißt es das nun komplette Bike mit auf meine Lieblingstrails zu nehmen und herausfinden was es mit B+ im Allgemeinen und dem GASVENTINOVE Rovagrossa in meinem Customaufbau im Besondern so auf sich hat. Ich melde mich demnächst mit ein paar Praxiseindrücken und Erfahrungen.
Tomt
Hallo Tomt,
schöner Aufbaubericht! Und echt gelungen. Mir gefällt es richtig gut. Bin auf den Fahrbericht gespannt. Viel Spaß!
Ich hatte mir den Rahmen, nachdem du auf das Projekt bei TNI schon aufmerksam gemacht hast, angesehen. 90mm Platz in den Ausfallenden – wow. Aber die beschriebene Qualitätsanmutung ist abschreckend. Bin gespannt, wie´s weitergeht.
Bis bald,
Max
Danke dir! Ich bin auch gespannt, krankheitsbedingt waren bisher nur kleinere Runden drin. Die haben aber schon einige Erkenntnisse gebracht.