SQ-LAB 311 FL-X Carbon 16° Lenker – Praxiserfahrungen: von c_g

Die Münchener Ergonomieexperten von SQ-LAB haben wieder mal etwas neues im Köcher: Einen Lenker, der nicht nur ergonomisch optimal geformt ist, sondern den Biker auch noch aktiv entlastet, indem er Vibrationen und Schläge besser dämpft als es die Konkurrenz tut – der SQ-LAB 311 FL-X. Eine um bis zu 30 % bessere Dämpfung gegenüber ihren diesbezüglich bereits sehr guten 30X Carbonlenker verspricht SQ-LAB … und das ist Grund genug für uns, sich den Lenker mal etwas näher anzuschaun.

Der 311 FL-X ist neu im Sortiment von SQ-LAB und soll sich neben er perfekten Ergonomie vor allem auch durch seine herausragenden Dämpfungseigenschaften auszeichnen.

Jeder der sich auch nur eine wenig mit der Materie beschäftigt, weiß, dass Vibrationen die Muskeln zusätzlich ermüden und die Gelenke teilweise mehr beanspruchen als die Aktivität selber. In der Arbeitswelt sind Vibrationen oder genauer gesagt deren Dämpfung ein großes gesundheitliches Thema und es ist nur sinnvoll, dass man auch im Sport vermehrt darauf achtet. Entgegen dem früher geltenden Ethos „Steifer ist besser“ beginnt man zu verstehen, dass ein gewisses Maß an Flex und Dämpfung gut ist und den Fahrspaß beim Biken nochmal verbessern kann.

Ich bin den neuen Premium-Lenker gut zwei Monate imm Test gefahren – darunter auch bei diesem Ausflug ins Morteratsch Gebiet.

Beim Lenker ist die Sache allerdings nicht so einfach, denn der muss ja auch noch die Lenkimpulse präzise und direkt übertragen. Daher dürfen der Flex und die Dämpfung nicht zu deutlich sein. Ich selber interessiere mich für dieses Thema schon lange und habe schon so manche (zum Teil auch abenteuerliche) Lenkerkonstruktion gefahren. Während viele von ihnen einen unter Last spürbaren Flex besessen haben, zeigte der Gesamteindruck in der Praxis bisher doch immer, dass es weniger um den Flex selbst, sondern um die optimale Kombination aus Flex, Präzision und Dämpfung geht. Ein Lenker, der zwar einen Schlag durch Flex abfedert, aber weitgehend ungedämpft zurückfedert ist genauso wenig tauglich, wie einer, der sich bei jedem größeren Drop oder manchmal sogar schon im Wiegetritt spürbar verwindet. Und dann treten beim Biken ja ganz unterschiedliche Frequenzen auf … ein lange Strecke über eine holprige Schottenpiste stellt ganz andere Anforderungen als ein nur mäßig schneller Ritt durch eine verblockte Felspassage. Ihr seht, beim Lenker ist das Ganze ein ziemlich komplexes Thema …

SQ-Lab hat sich das Ganze deswegen einmal genauer angesehen indem sie die Dämpfungseigenschaften des Lenkers auch messtechnisch genauer unter die Lupe genommen haben (sieh Bild oben). Über den Vergleich von zwei Beschleunigungsmessern (einer am Lenkerende und einer direkt am Vorbau) mit einer Messfrequenz von 400 Hz (also deutlich höher als sie beim Biken auftreten) wurde auf einer definierten Testrunde mit allerlei Trailfeatures genau vermessen, welchen Einfluss der Lenker überhaupt hat. Dabei hat SQ-LAB nicht nur einige Konkurrenzprodukte durchgemessen, sondern eben auch die eigenen und dann Schritt für Schritt das Layup des 311 FL-X dahingehend optimiert, dass er sich einerseits unauffällig und präzise fährt und doch die Vibrationen und Schläge nachweisbar besser dämpft. Unter diesem Link findet ihr detaillierte Informationen zur Studie, die SQ-Lab hierzu angestellt hat.

In der Perspektive von vorne erkennt man gut, dass der Rise in der Mitte eher dezent ausfällt. Bis auf das kleine orangefarbene FL-X ist der Lenker im montierten Zustand farblich sehr dezent gehalten.

In der Perspektive von oben ist der mit 16° große Backsweep des FL-X gut zu erkennen.Für manch Biker ist das vielleicht ungewohnt, fühlt sich aber auf dem Bike schnell ganz normal an.

Der neue SQ-LAB FL-X Carbon 16° Carbonlenker ist trotz seines exzellenten Gewichts von 200 g aber keineswegs fragil. Er hat den rigorosen Zedler-Advanced Test anstandslos überstanden, ist bis zum Einsatzbereich Kategorie 4 freigegeben und kommt ohne Fahrer-Gewichtslimit. Um aber zu verdeutlichen, dass der angepeilte Einsatzbereich des FL-X von Marathon bis Trail reicht – es sich dabei also nicht um einen Gravity-Lenker handelt (dafür gibt es ja schon den 30X) – gibt es ihn aktuell nur mit einer Breite von 740 mm und auch nur mit dem aus Sicht von SQ-LAB ergonomischeren Backsweep von 16°. (Wichtig bei dem großen Backsweep ist es, zu berücksichtigen, dass der Lenker damit die effektive Vorbaulänge reduziert – gegenüber einem sonst üblichen 8-9° Lenker mit gleicher Breite wird die Sitzposition bei gleicher Vorbaulänge dadurch etwas  kompakter.) Der Kunde kann zwischen zwei Lenkerhöhen auswählen –Low mit 15 mm und Mid mit 30 mm Rise. Ach ja, die Vorbauklemmung sind die traditionellen 31,8 mm.

Schon auf den ersten Blick offenbart sich der SQ-LAB FL-X Lenker als sehr hochwertig und durchdacht. Dezent im matten UD-Carbonfinish mit schwarzen Logos (lediglich das kleine FL-X Logo ist farbig), dazu alle möglichen technischen Infos zur Geometrie und den zulässigen Anzugsmomenten direkt auf dem Lenker, eine Mittenmarkierung und nicht zuletzt die fest aufgebrachte reibungserhöhende Oberfläche im Bereich der Griff- und der Vorbauklemmung. – alles, was man sich von einem echten Premium-Lenker erwarten würde. Wer, wie ich gerne mit den SQ-LAB Innerbarends fährt … auch dafür ist der leichte Carbonlenker bereits vorbereitet.

Natürlich haben all diese vielen Faktoren, maximale Stabilität und Sicherheit, ausgeklügelte Ergonomie, geringes Gewicht, die vielen hochwertigen Details und dann noch die speziell hineinkonstruierte Dämpfung ihren Preis – der SQ-LAB 311 Carbon 16° FL-X kommt mit einem VK von 249,90 Euro, liegt damit selbst für High-End-Carbonlenker im absoluten Premium-Segment.

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Praxiseindrücke

Die Optik des FL_X mit seinen vielen Biegungen und den Innerbarends- mag ungewöhnlich sein, aber auf langen Touren kennen ich keine Kombi, die mir besser liegt.

SQ-LAB hat mit der Studie messtechnisch bewiesen, dass der 311 Carbon FL-X funktioniert und die auf den Biker wirkenden Kräfte reduziert, aber messtechnische Erkenntnisse müssen nicht unbedingt auch in die Praxis für den Biker spür- und wahrnehmbar sein. Isoliert betrachtet, kann die Wirkung prozentual gesehen sehr wohl signifikant sein, aber an einem komplexen System wie dem Mountainbike, an dem noch sehr viel mehr Komponenten zur Dämpfung beitragen  –  allen voran die Reifen und die Federung – kann die messtechnisch nachweisbare Wirkung sehr schnell an Relevanz verlieren. Daher habe ich es selber ausprobiert: Ist die stärkere Dämpfung des Lenkers in der Praxis wirklich spürbar und damit relevant?

OK, vor einer solchen Kulisse, würde jeder Lenker gut aussehen … aber der SQ-LAB 311 FL-X Carbon 16° fährt sich darüber hinaus auch extrem gut.

Um das zu überprüfen, bin ich den SQ-LAB FL-X ausgiebig an zwei meiner Bikes gefahren – dem CUBE Stereo 150 TM Fully und auch dem ALUTECH Cheaptrick Hardtail, das ich neben Trail-Ausfahrten auch für meinen ca. 20 km langen Weg in die Arbeit als Pendlerbike nutze, was der Anwendung im Marathon schon recht nahe kommt. Nachdem ich selber sehr viel einen SQ-LAB Lenker mit 16° Backsweep fahre, brauchte ich schon mal keine Umgewöhnung mit dem identisch geformten SQ-LAB 311 FL-X. Mit seiner geringfügig kleineren Breite von 740 mm fällt er gegenüber meinem sonst gefahrenen 30X mit 780 mm lediglich ein wenig kürzer und damit die Sitzposition minimal kompakter aus … aber selbst diesen Unterschied habe ich schon innerhalb der ersten Minuten auf dem Bike komplett vergessen.

Wie immer, wenn es so subtile Dinge wie die Dämpfung feiner Vibrationen geht, ist die Antwort auf die oben gestellte Frage nicht ganz so schwarz-weiß. Für Biker, für die „ein Lenker einfach nur ein Lenker“ ist, die auch zwischen verschiedenen Lenkern keine Unterschiede spüren, wird auch der FL-X vermutlich „nur ein weiterer Edellenker“ sein. Für Fahrer, die hier mehr Sensibilität an den Tag legen, ist die Wirkung aber sehr wohl wahrnehmbar. Gerade bei kleineren Schlägen und fürs Bike hochfrequenten Vibrationen, etwa über schnellere Wurzelteppiche, über Rüttelpisten, holprige Forstrassen und auf grobem Schotter war es für mich sehr schnell klar, dass der FL-X eine funktionale Wirkung hat. Bei derartigen Frequenzen kann selbst die beste Federung nicht richtig funktionieren und da ist der positive Einfluss des Lenkers für mich sehr wohl spürbar gewesen. Das war für mich sowohl auf dem Hardtail, wie auch auf dem Fully ziemlich deutlich.

Nochmal deutlicher wurde für mich die Wirkung des SQ-LAB FL-X, als eine ziemlich unangenehme Epiconcylitis (also eine Entzündung der Ellenbogensehnen, auch „Tennis-Ellenbogen“ genannt) mir im Herbst zu schaffen und mir ein Biken ohne Schmerzen fast unmöglich gemacht hat. Klar, ein gesundheitlich beeinträchtigter Körper ist nochmal sensibler gegenüber derartigen Belastungen. Es wäre gelogen, zu sagen dass ich, wenn ich mit dem mit dem FL-X unterwegs war, keine Schmerzen beim Biken mehr gehabt hätte, aber die sich unweigerlich einstellenden Schmerzen kamen auf längeren Ausfahrten spürbar später und erreichten auch nur selten die Intensität, wie mit anderen Lenkern. Faherer, die unter derartigen Problemen leiden, sollten sich unbedingt überlegen sich mit einem derart dämpfenden Lenker Linderung zu holen.

In richtig harten Gelände, bei Sprüngen und Drops und auch in technischem Gelände überlagert sich die Wirkung des Lenkers mit der einer gut funktionierenden Federung und ist deswegen weniger deutlich spürbar. Hier würde ich sagen, dass ich keinen echten Unterschied zwischen dem FL-X und anderen, gut dämpfenden Lenkern gespürt habe. Andererseits sind das aber auch genau die Situationen, in den man als Biker mehr Wert auf Präzision legt und ein übermäßiger Flex schnell als negativ wahrgenommen werden könnte. Auch nach vielen Testkilometern, mal gröber und mal mehr über einfachere Trails und Forstrassen, würde ich sagen, dass der FL-X dann seine Wirkung am deutlichsten entfaltet, wenn kleinere Vibrationen den Körper auf Dauer ermüden – also auf gemäßigten Trails, auf Touren und im Marathon, dass er aber dann, wenn in Extremsituationen Kontrolle und Präzision gefordert sind, vollkommen unauffällig bleibt.

Ein Test mit einem Starrbike würde hier vermutlich zusätzliche Erkenntnisse liefern, aber leider befindet sich aktuell nichts derartiges in unserem Fundus … und zudem war gerade die Zeit mit dem schmerzenden Ellenbogen schon ein sehr deutlicher Hinweis auf die Wirkungsweise.

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Testzusammenfassung

Aus meiner Sicht und nach gut 2 Monaten mit dem SQ-Lab FL-X Carbon-Lenker würde ich bejahen, dass der Lenker eine wahrnehmbar bessere Dämpfung besitzt, muss aber auch offen gestehen, dass diese nicht für jeden und immer wahrnehmbar ist. Genauso, wie manche Biker schon 0,1 bar mehr oder weniger Druck in den Reifen zu schätzen wissen und andere selbst zwischen 1,5 und 2,0 bar keinen Unterschied spüren. Für alle, die diese Sensibilität haben und/oder viel Zeit auf dem Bike verbringen, oder aus gesundheitlichen Gründen ihren Körper beim Biken noch mehr schonen wollen, ist der SQ-LAB FL-X ein sinnvolles Upgrade. Für Biker, die eh nur in heftigem Gelände unterwegs sind und solche, die hier eher geringere Ansprüche haben, ist der Premium-Lenker dagegen weniger relevant.

Genauso wichtig, wie die hier ausführlich betrachtete Dämpfung ist aber auch die mittlerweile Ergonomie des SQ-LAB  Lenkers mit seinem Backsweep von 16°.Ich selbst bin seit  Jahren bevorzugt mit Lenkern zwischen 12 und 16° Backsweep unterwegs und finde es genial, dass SQ-Lab auch beim FL-X daran festhält. Wie klug es ist, ausgerechnet beim Vorzeigeprodukt FL-X nicht auch eine Version mit 12 ° anzubieten, muss der Markt zeigen, aber aus eigener Erfahrung kann ich nur jeden ermutigen, einfach mal 16° Backsweep auszuprobieren. Ich möchte wetten, dass so mancher von euch die dadurch leicht veränderte Handgelenksposition nach ein paar Stunden auf dem Bike zu schätzen lernen wird. Genauso, wie beim zuerst ungewohnten SQ-LAB Ergowave-Sattel, möchte ich selber mittlerweile nichts mehr anderes fahren.

RIDE ON,
c_g