ARC8 Extra 29er Enduro – Fahreindrücke von den Eurobike Media Days’19: von Oli

Das Extra ist das brandneue 29er Enduro der jungen Schweizer Marke und versucht High-End und vernünftige Preise unter einen Hut zu bekommen.

Wie, ihr kennt die junge Schweizer Bikemarke ARC8 noch nicht? Keine Sorge noch kann man das verzeihen, denn sie wurde erst 2019 gegründet, aber wenn man sieht, was die beiden langjährigen Freunde Jonas Müller und Serafin Pazdera da auf die Biene gestellt haben, wird das wohl nicht lange so bleiben. Jonas Müller ist in der Entwicklerszene für Bikes wahrlich kein Unbekannter, hat er doch bereist für BMC und Santa Cruz Rahmen entwickelt und war auch schon bei DT-SWISS an so manchen sonnenden Entwicklungen beteiligt. Mit seiner aktuellen Position als Entwicklungsleiter eines Carbon-Rahmenherstellers in Taiwan und dem Wohnsitz dort hat er außerdem optimale Voraussetzungen was die Produktion angeht. Serafin Pazdera ist Designer und für deren Auftritt, das Design und auch das Marketing von der Schweiz aus zuständig. Und wie so oft, wenn sich ein Techniker und ein Designer zusammentun, dann kommt dabei etwas Spannendes heraus. Obwohl erst dieses Jahr gestartet, ist ARC8 bereits jetzt mit zwei unverschämt leichten Rennrädern, einem echt schicken 29er Hardtail (950 g und mit spannenden Detaillösungen) und zwei Fullies auf dem Markt. Einen Überblick über das Portfolio gibt die übersichtliche Homepage von ARC8.Beide waren auf den Eurobike Media Days anwesend um ihre Bikes zu präsentieren und wir hatten die Gelegenheit den ersten Prototypen ihres Enduro 29ers zu fahren.

Das neue Long-Travel 29er von ARC8 hört auf den NamenExtra. Es unterscheidet sich von seinem kleineren Bruder, dem „Essential“ mit 130 mm Federweg vor allem durch seine aggressivere Geo und natürlich etwas mehr Federweg viele andere Features sind lediglich auf den aggressiveren Einsatzbereich angepasst worden. Der Rahmen ist bei allen ARC8 Bikes aus Carbon gefertigt und man kann sich bereits denken, wo (wenn man weiß, wo Jonas seinen Wohnsitz hat). Das ARC8 Extra sieht mit seinem schlicht schwarzen Rahmen und den gelungenen Formen nicht danach aus, aber es hat einen stattlichen Federweg von 160 hinten. Vorne bietet es die Möglichkeit Gabeln von 160 bis 180 mm zu verbauen. Das Rahmenset gibt es derzeit in drei Rahmengrößen (S, M und L, aktuell noch nicht in XL) und dabei soll der Rahmen gerade mal 2300 g wiegen.

Aktuell ist L die größte verfügbare Rahmengröße des ARC8 Extra, aber auch das fällt im vergleich zu anderen Marken vergleichsmäßig groß aus.Wie man sieht, ist bietet der rahmen viel Bewegungsfreiheit.

Kleine Marke, edle und ausgesprochen leichte Carbonrahmen … wer jetzt an exklusive VKs jenseits der 300.- Euro-Grenze denkt, liegt weit daneben. Der Rahmen-Kit kostet erstaunlich erschwingliche 2067,- Euro (und zwarinklusive Fox Float DPX2 Performance Elite Dämpfer, hauseigener Steckachse & Sattelklemme, sowie dem findigen Evolve-Steuersatz). Derzeit bietet ARC8 das Extra zur Vorbestellung nur als Frame-Kit an, aber auch Komplettbikes sind geplant. Und genau hier sieht ARC8 seine ganz persönliche Mission als junge und kleine Marke: Für all diejenigen Biker, die kein 0815-Bike wollen, die bestmögliche Rahmenplattform zu einen sehr attraktiven Preis anzubieten – „bezahlbares High-End, ohne Firlfanz“ also.Derzeit sind die Rahmen (und später auch die Komplettbikes) noch nicht erhältlich, aber man kann sie bereits zu einem leicht vergünstigten Preis vorbestellen und sich auf eine geplante Auslieferung noch diesen Herbst freuen. Und der Winter ist ja bekanntlich die Schrauberzeit um sich das neue Custom-Bike für die Saison 2020 zusammenzubauen.

Manche behaupten ja, dass sich die Carbonfullies immer ähnlicher werden und auch das ARC8 hat eine auf den ersten Blick nicht so auffällige Silhouette, aber sobald man sich den Rahmen näher anschaut fallen einem die vielen spannenden Details auf, mit denen das ARC8 Extra unverkennbar wird: Optisch, wie auch technisch ist die Integration des Umlenkhebels ins Oberrohr. Statt sich außen abzustützen und damit die klaren Linien zu  stören, setzt er innen an … auf den ersten schnellen Blick wirkte es für mich optisch fast so, dass der Dämpfer am Sitzrohr abgestützt ist.

Das gleiche Prinzip nutzt ARC8 auch am vorderen Sitzstrebenansatz, der ebenfalls innen und nicht wie üblich außen liegt. Durch die großen Querschnitte in den Bereich soll es auch hier nach Jonas Aussage ohne Einbußen in der Steifigkeit oder Haltbarkeit gehen. Aussehen tut es auf alle Fälle schon mal sehr schön.

Das zweite spannende Detail des Rahmens ist die spezielle Art der Zugverlegung. Die Züge sind nämlich nicht nur innen verlegt, sie werden direkt durch die Steuersatzabdeckkappe des speziellen Evolve Steuersatzes in den Rahmen geführt. Eine für mich bislang ungewöhnliche Zugführung, die nicht nur optisch sehr gelungen wirkt. Sie erspart bei der  Entwicklung und Fertigung auch die aufwendigen Leitungseinlässe im Steuerrohrbereich. Allerdings ist diese Art des Rahmendesigns auch nur mit einem speziellen Steuersatz machbar. Auch das superleichte XC-Hardtail Evolve hat eine besondere Zugverlegung, die sogar schon im Vorbau in den Rahmen geht. Der kleinere Bruder des Bikes, das Trail-Fully Essential ist das einzige im Bunde mit einer  klassischen, internen Zugverlegung mit Einlässen kurz hinter dem Steuerrohr. Übrigens, mit einer Reifenfreiheit für 29×2.6“ bietet der Hinterbau auch genug Platz für richtig breite Schlappen, wie sie aktuell immer beliebter werden. Dass der Hinterbau trotzdem so kompakt bleiben kann, liegt unter anderem auch daran, dass ARC8 ihn um 4 mm asymmetrisch konzipiert hat – also mit dem Boost-Nabenmaß aber einer Super-Boost-Kettenlinie.

Zu guter Letzt kann man in dem Rahmen trotzt des mittigen Dämpfers auch eine kleine Wasserflasche fahren. Solange man einen Flaschenhalter mit seitlichem Eingriff (oder eine FIDLOCK) nutzt, soll eine Flasche bis 0,5 problemlos passen. Dem frühen Prototypen-Stadium geschuldet war der Rahmen unseres Testbikes auch komplett nackt, also ohne Schutzfolie oder Steinschlagschutz-Gummierung am Unterrohr und der rechten Kettenstrebe – diese folgen dann aber beim Serienrahmen.


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ARC8 Extra – Geometrie 

Als junge Marke mit dem Fahrer im Fokus fällt die Geometrie des 29er Enduros natürlich auch sehr zeitgemäß aus, setzt aber auch ganz eigenen Akzente.

Mein Testbike in der derzeit größten Rahmengröße L hatte einen eine Oberrohrlänge von 645 mm und einen Lenkwinkel von 64 Grad denen ein kompaktes Heck mit 430 mm Hinterbaulänge(in allen Größen) gegenübersteht. Die Tretlagerabsenkung fällt mit 30 mm moderat aus. Wie manche andere Rahmenhersteller bleibt auch beim Extra  die effektive Überstandshöhe  über alle Rahmengrößen nahezu gleich (zwischen 687 und 689 mm), was bedeutete, dass man bedenkenlos und ganz nach den persönlichen Vorlieben zwischen den Rahmengrößen auswählen kann. Um dem Bike gleichzeitig gute Uphill-Manieren einzuhauchen fällt der Sitzwinkel mit 76 Grad ordentlich steil aus und mit dem genannten Rahmengewicht von nur2,3 kg bleibt das Komplettbike mit der edlen Ausstattung unseres Testbikes knapp unter 13 kg. Alle Achtung!

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Wie macht sich das ARC8 Extra nun im Trail?

Der Herrensteig von Kronplatz runter fast nach Bruneck ist ein extrem vielseitiger Trail mit allem, was man zum effektiven Testen braucht.

Auch hier die kurze Anmerkung, dass dieses Kurztest lediglich auf einer sehr begrenzten Zeit mit dem Bike im Rahmend er Eurobike Media Days’19 basiert. Hier handelt es sich lediglich um einen ersten Eindruck eines Bikes, das wie oben erwähnt, ja auch nur ein noch recht früher Prototyp war. Das ARC8 war das zweite Bike, das ich an diesem Tag fahren durfte. Nach einer Runde mit dem wirklich langen VPACE TTrail in XL habe ich mich auf der langen Abfahrt den Herrensteig hinunter über die zusätzliche Heckfederung gefreut, war aber auch skeptisch, ob mir das Bike nicht doch etwas zu klein wäre … aber weit gefehlt. Man sich sollte durch die kompakte Optik nicht täuschen lassen – das ARC8 Extra in Large fällt richtig lang aus. Ich  hatte ich von Anfang an den Eindruck, dass das ARC8 satt auf dem Trail liegt und man es damit richtig laufen lassen kann. Dieses wunderbare Gefühl von hoher Laufruhe und hoher Sicherheit ließ mich auch die gesamte Abfahrt nicht mehr los. Meine Co-Tester sprachen mich mehrfach auf das bereite Grinsen auf dem Weg ins Tal an. Der kompakte Hinterbau mit gerade mal 430 mm Kettenstrebenlänge sorgt dabei gleichzeitig für eine positiv Agilität die man sowohl im technischen Gelände, wie auch in den Kurven positiv wahrnimmt. Sie hilft in engen Kurven und erlaubt es, das Bike auch mit wenig Körpereinsatz aufs Hinterrad zu ziehen – z.B. in langsam gefahrenen Drops oder im Manual über schnell folgende Bodenwellen.

Als Enduro fällt das ARC8 Extra sehr vielseitig aus und machte mir in dem Kurztest in jedem Gelände richtig Spaß – ob Flowtrail, wie hier im Bild oder richtig technisch wie in den Bildern weiter unten.

Durch das kompakte Heck bleibt der Radstand auch trotz des flachen Lenkwinkels von 64 Grad noch moderat, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Auch wenn es sich nur um einen Kurztest handelt, stellt das ARC8 Extra für ein Enduro sehr gelungene Mischung aus Abfahrtslastigkeit und Laufruhe und zugleich angenehmer Agilität dar. Selten habe ich ein Bike erlebt, auf dem ich mich ab den ersten Metern schon so wohl gefühlt habe. Die edle Ausstattung des Bikes mit einer SHIMANO XTR Komplettgruppe (außer der Kurbel) und fähiger Bereifung ließ eigentlich keine Wünsche offen. Einzig ein leichtes Knacken beim Fahren fand ich irritierend, konnte aber nicht wirklich feststellen, woher es kam. Sollte es an den Zügen liegen, müsste ARC mit Schaumstoffhülsen nachbessern.

Als einzigen echten Kritikpunkt war für mich die leichte Tendenz mit der Ferse am Hinterbau zu streifen. Ansonsten ein echter Volltreffer.

Ein Punkt, der auch meiner Schuhgröße und gespreizten Fußstellung geschuldet ist, war, dass ich hin und wieder mit der Ferse an den voluminöseren Kettenstreben geschliffen bin. Nicht dramatisch, aber doch so, dass es mir aufgefallen ist. Was die Federungsperformance und Kinematik angeht, war das ARC8 Extra aus meiner Sicht genauso unauffällig wie gelungen. Ich hatte weder den Eindruck je Federweg zu verschenken, noch den einer zu straffen oder zu komfortbetonten Federung. Mit dem verbauten FOX DPX2 Performance Dämpfer war das Bike einfach nur ausgewogen und sauber zu fahren. Weder schnell gefahrene Wurzelteppiche oder Bremswellen, noch größere Drops oder Kompressionen konnten das Bike so richtig aus seiner Komfortzone bewegen und es bräuchte schon eine noch aggressivere Fahrweise, als meine um das Extra wirklich herauszufordern.

Auch c_g, der das ARC8 Extra kurz auf dem Herrensteig gefahren ist, konnte keine echten Auffälligkeiten oder Schwächen feststellen – er empfand die Hinterbaufederung lediglich ein zu wenig progressiv, was sich aber durch ein oder zwei Spacer schnell beheben ließe. Apropos Progression – ARC8 sagt, dass der Hinterbau von sich aus auch für Stahlfderdämpfer geeignet wäre.

Optisch passt das ARC8 mit seinem dezent, schwarze weißen Rahmen genau ins Beuteschema. Weile s sich auch noch so gut fährt und überraschend erschwinglich ist, könnte ich fast schwach werden.

Insgesamt zeigt auch der kurze Eindruck des ARC8 Extra, dass es an dem brandneuen Enduro nur wenig auszusetzen gibt. Für mich ein wirklich gelungenes 29er Enduro, das neben seiner Understatement-Ästhetik, viel Individualismus ausstrahlt, rundum sehr durchdacht wirkt und außerdem zu einem ausgesprochen attraktiven Presi daherkommt. Wir sind gespannt.

Oli