FOX LiveValve – Testfazit: von c_g & Oli
Das intelligente, elektronische Fahrwerk LiveValve vom US- Federungshersteller FOX ist mit Sicherheit eine der spannendsten und zugleich am meisten zukunftsweisenden Neuheiten des Jahres. Allein schon die harten Fakten mit über 3 Jahren Entwicklungszeit, Messungen im Tausendstelsekundentakt, mit drei Sensoren die Lage und Beschleunigung auswerten und den blitzschnell agierenden Ventilen in Federgabel und Dämpfer sind mehr als beeindruckend.
Umso überraschender für mich war es dann, wie unglaublich normal sich mein derart aufgerüstetes SCOTT Genius Testbike hat fahren lassen. Ohne die kleine Leuchtdiode am Akku, die einem sagt, dass etwas passiert und das kaum hörbare Klacken der Solenoid-Ventile, wurde man im nu vergessen, was für ein High-Tech-Bike man da gerade fährt.
Was die Wertung im Bereich natürliches Fahrgefühl und Unauffälligkeit angeht, erntete das System von uns schon mal die volle Punktzahl. LiveValve funktioniert und tut das so zuverlässig, unauffällig und unaufgeregt, wie es nur sein könnte. Wenn es um den wirklichen Effekt oder Nutzen des Systems geht, durfte ich in dem Test lernen, dass es stark auf den Fahrer, das Gelände und den Fahrstil ankommt, wie sehr man LiveValve als echte Verbesserung empfindet.
Ich selbst hatte mit meinem beinahe kontinuierlich ruppigen Hometrails und meiner Fahrweise (offensichtlich ein sehr runder Tritt, hohe Trittfrequenzen und Uphills überwiegend sitzend fahrend) offenbar eine Szenario, in dem LiveValve zwar tadellos funktioniert, aber für mich nur eine geringe Verbesserung darstellt. Diese Feststellung auf meinen Hometrails wurde aber bereits auf einem Kurztrip zum Lago wieder in Frage gestellt, wo die langen mal glatten und mal holprigen Auffahrten durch die gewonnene Effizienz doch spürbar erleichtert wurden.
Auch die späteren Ausfahrten, in denen ich bewusst mehr im Wiegetritt gefahren bin und auch mal dickere Gänge gedrückt habe, haben mir gezeigt, wie prägnant der Fahrstil und das Gelände mitbestimmen, wie effektiv und nutzbringend LiveValve wirklich ist. Auch wenn ich weiterhin eher der Sitzend-Kletterer bin, hat LiveValve mich doch ein Stück befreit doch wieder mal öfter im Wiegetritt den Berg hochzufahren oder mal etwas höhere Gänge zu treten.
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OLIs Fahreindrücke
(Um den Aspekt des Fahrer-/Fahrstileinflusses noch weiter zu durchleuchten, habe ich mir mit dem Fazit noch ein wenig mehr Zeit gelassen und das Bike auch noch an unserem Tester Oli weitergegeben. Hier sein ganz individueller Testeindruck.)
Wenn ich meinen Fahrstil und meine Vorlieben beim Biken beschreiben sollte, würde ich mich als tourenlastige Fahrer bezeichnen , der es nicht unbedingt krachen lassen muss, aber auch nicht davor zurückschreckt, mal 1000 hm am Stück den Berg hoch zu treten, um danach einen schönen Trail wieder bergab zu surfen. Ich hasse es persönlich, wenn das Fully im Uphill hinten einsinkt … das Bergauftreten selbst ist ja schon anstrengend genug und da ich in der Regel ja eher leichte Wege bergauf fahre, ist für mich Effizient im Uphill wichtiger als Traktion und Komfort. Außerdem bin auch einer, der auch lange Anstiege gerne in großen Gängen tritt. Alles in allem fahre ich privat lieber Hardtails als Fullies und so war ich schon sehr neugierig auf LiveValve und wie es funktioniert. Schließlich versprach es mir die Effizienz eines Hardtails bergauf, kombiniert mit der Traktion und dem Komfort eines Fullies auf dem Trail und bergab. Als einer der Effizienz vor Komfort setzt, war es für mich auch ungewohnt, dass wenn man LiveValve komplett ausschaltet, die Dämpfung offen ist. Ich hätte es mir genau andersherum gewünscht. Sobald man aber den On-Button drückt und das System aktiviert beginnt die Magie. Es ist wirklich beeindruckend wie die Dämpfung auf glattem Untergrund bergauf schön straff und effizient ist. Das SCOTT Genius mit immerhin 150 mm Federweg fährt sich damit auch wenn es steil bergauf geht fast so effizient wie ein Hardtail. Absolut Spitze! Gerade als eher niederfrequenter „Krafttreter“ beim Bergauffahren (ich weiß, man sieht es mir nicht unbedingt an J) ist für mich das Wippen des Fahrwerks bei Bikes jenseits der 120 mm Klasse immer ein großes Thema gewesen … mit LiveValve war wie auf einen Schlag ausradiert.
Die elektronische Dämpfungssteuerung holt aus den 150 mm des Genius wirklich das beste in Sachen Effizienz heraus: Vollkommen unabhängig von der Trittfrequenz oder wie aktiv ich das Bike im Wiegetritt belaste, hält LiveValve das Bike immer optimal ruhig und ohne das von mir so verhasste Schaukelgefühl und zugleich doch mit einer tollen Traktion. Hervorragend! Wird der Uphill rauer – egal ob in Form einzelner Querrillen oder Stufen, oder einfach nur gröberer Schotter, bzw. Wurzeln – so öffnet das System selbstständig, lässt den Fahrer ohne Traktionsverlust und butterweich über das/die Hindernisse rollen.
Wenn keine weiteren Schläge von unten folgen, schaltete es danach schnell und vollkommen unauffällig wieder in den Plattform-Modus und weiter geht es mit optimaler Effizienz. Bei anhaltenden Hindernissen und grobem Untergrund bleibt die Federung offen und bietet eine tolle Traktion ohne, dass man ständig durch Schläge von unten aus dem Tritt kommt. Ein großer Vorteil für mich liegt darin, dass es LiveValve scheinbar egal ist, was für Tretgewohnheiten man hat oder wie viel Federweg das Bike hat – seine einzigen Parameter sind die Geländeneigung und die Impulsstärke (Beschleunigung) vom Untergrund her. Während meiner Zeit mit dem LiveValve-Genius habe immer wieder Zwischensprints eingelegt oder bin in den aktiven Wiegetritt gegangen, aber das System hat konsequent nur immer dann aufgemacht, wenn ein Schlag von unten kam.
Ein für mich sehr nützliches Feature war auch die Option die Arbeitsschwelle von LiveValve selber festzulegen: In der softesten Einstellung (angezeigt durch nur eine Diode am Akku) öffnet die Dämpfung auch bergauf schon bei recht kleinen Impulsen von unten für maximalen Komfort und viel Traktion, aber weniger effizient – in der maximal straffen Position (alle fünf Dioden leuchten) braucht es schon einen deutlich größere Beschleunigung ehe die Dämpfung sich öffnet. Damit kann man die ohnehin schon hervorragenden Funktionsweise des Systems noch weiter auf seine persönlichen Vorlieben, die Tagesform oder das Gelände anpassen. Im Uphill auf ebenem Untergrund war zwischen den Einstellungen kein Unterschied zu spüren, noch nicht einmal im Wiegetritt, weil die Sensoren ja nur die Impulse von unten aufzeichnen. So kann man selber bestimmen, wie viel „Hardtail-„ oder „Fully-Feeling“ man aufkommen lassen will ohne, dass auf langen Forststrassenuphills in dem einen oder anderen Kraft verloren geht.
Bergab dagegen hat LiveValve fauch ür mich keinen spürbaren Nutzen… aber eben auch keinen Nachteil. Selbst wenn es auf schnellen Abfahrten hin und wieder straff schaltet, ist es so schnell, das man den ersten Schlag, der es zum Öffnen bewegt nicht wirklich anders wahrnimmt, als wäre es die gesamte Zeit über offen. Auf einer klassischen Trailabfahrt mit normalerweise schnellen Schlagfolgen ist die Dämpfung ohnehin eher „daueroffen“.
Eigentlich könnte man LiveValve bergab aus meiner Sicht auch gleich komplett ausschalten und offen fahren … wären da nicht diese manchmal fiesen Gegenanstiege. Hier zeigt sich sofort wieder, wie intelligent LiveValve ist, denn es stellt Dämpfer und Gabel fast unmerklich auf den effizienten Plattformmodus. Gerade für schnell wechselndes Gelände ist LiveValve in meinen Augen ein Segen – kein Nachdenken in welchem Modus man die Federung gerade fährt, kein potentielles Vergessen es vor der Abfahrt auf Offen zu schalten … sondern einfach nur fahren und ein stets optimales Fahrwerk genießen.
Insgesamt lautete mein persönliches Fazit zu LiveValve von FOX: Ein echt hervorragendes System, das super funktioniert und mir beinahe in allen Situationen das Gefühl gibt, auf dem jeweils „richtigen“ Bike zu sitzen – bergauf fast schon das Gefühl vermittelt ein Hardtail zu haben und wann immer erforderlich doch ein Fully zu fahren. Aktuell ist es mit einem Mehrpreis von 1800 bis 200 Euro beim Komplettbike (bzw. > 4000-. Euro zum Nachrüsten) für mich noch zu teuer um es wirklich zu empfehlen, aber sobald die Preise sinken, könnte ich doch schnell in Versuchung geraten. Gerade weil sich das SCOTT Genius LiveValve Testbike bergauf so effizient hat fahren lassen und doch das volle Trailpotential von 150 mm bietet, könnte man ja durchaus argumentieren, dass man sich so das Geld für ein Hardtail sparen kann …
Testzusammenfassung: FOX hat mit LiveValve etwas wirklich Einzigartiges im Programm – ein wirklich intelligentes Fahrwerk, das extrem gut und unauffällig funktioniert und wirklich das Optimum an Effizienz aus dem Fahrwerk herauskitzelt. Neben dem extravaganten Preis der aktuell damit verfügbaren Bikes, hat unser Test aber noch etwas anderes gezeigt: Nicht jeder Fahrer profitiert in gleichem Maße von LiveValve. Mehr als von uns erwartet, spielen auch der Fahrer, sein Fahrstil und das Terrain eine gewichtige Rolle dabei. Nicht für jedermann hat LiveValve den gleichen Effekt.
Was seine Zuverlässigkeit, den Energieverbrauch und die Handhabung angeht, gab es keinerlei Auffälligkeiten oder Schwächen. Alles ist so ausgelegt, dass man als Nutzer eigentlich wirklich nichts falsch machen kann. In dem gesamten Test musste ich den Akku insgesamt nur einmal laden. Während der Test auf dem bereits sehr guten 150 mm SCOTT Genius stattgefundne hat, ist es mit LiveValve auch denkbar deutlich mehr Federweg effizient im Uphill zu bewegen … oder vielleicht in Zukunft sogar Fahrwerke zu entwickeln, die allein auf Traktion und Komfort ausgelegt sind und ihre Effizienz nur aus dem smarten LiveValve herausholen … mit der Elektronik stehen einem ganz neue Möglichkeiten offen und ich bin mir sicher, dass dies gerade erst der Anfang ist.
Ich bin wirklich sehr gespannt, wie LiveValve in der nächsten Entwicklungsstufe aussehen wird, wie sich seine Konfigurationsmöglichkeiten verändern werden, wie es noch besser ins Bike integriert sein wird. Was sich erst, ist dass mit Systemen wie LiveValve die elektronische Zukunft des Bikes wieder ein großes Stück näher gerückt ist …
RIDE ON,
c_g