VPACE TTRail – Testfazit: von OLI
Wir bei TNI glauben daran, dass es Zeit braucht um ein Bike wirklich kennenzulernen. Man muss sich darauf einlassen … mal mehr und mal weniger. Das TTrail von VPACE war für mich eines der Bikes das mich etwas mehr herausgefordert hat, um es richtig zu verstehen. Wie ja schon im Intro erwähnt, ist es für mich optisch schon mal ein echtes Schmankerl. Mit seinem Look des matten Titanrahmens, den cleanen Formen als Hardtail ist es ästhetisch ein absoluter Leckerbissen und wunderbar zeitlos. Ich kann mich glücklich schätzen, das Rad etwas länger gefahren zu sein und die Gelegenheit gehabt zu haben es kennenzulernen. Und das war auch nötig, denn irgendwas war anders, oder besser: unerwartet.
Eine der auffälligsten Eigenschaften des TTrail ist, dass es sich anfühlt wie ein Bike, das trotz allen Trailpotentials auch sehr stark auf Langstrecke ausgelegt ist. In einfachem Gelände schreit es danach, schnell und lange gefahren zu werden. An unserem Testbike in Größe XL merkt man sehr deutlich die Handschrift von VPACE Gründer Sören, der alles andere als ein langsamer Biker ist. Dieses Bike geht nach vorne! Und auch wenn das Bike nicht als XC-Bike ausgelegt ist, bin ich immer wieder damit in einen echten Speedrausch verfallen. Gerade deswegen konnte ich mir nicht verkneifen, mir immer wieder vorzustellen, wie gut das VPACE TTrail auch als Bikepacking-Bike zu fahren wäre. Das Rad ist in seinem Handling geradezu prädestiniert dazu. Es bringt die nötige Laufruhe mit und weil man wegen der Oberrohrlänge relativ flach auf dem Bike sitzt, fährt es sich gefühlt sehr effizient und giert förmlich nach Speed auf der Strecke. Zudem ist das Rahmendreieck enorm groß für eine der größeren Rahmentaschen auf dem Markt. Das einzige, was dafür fehlt sind die Befestigungsmöglichkeiten zum Bikepacking um die Flaschen oder Kocher- bzw. Zeltutensilien zu befestigen.
Diesen Drang nach vorne zeigt das TTRail auch im Uphill. Das Bike klettert unglaublich gut und zeigt auch mit seinem sehr kurzen Hinterbau keinerlei Tendenzen zum Steigen. Meinem Verständnis nach hängt das vor allem auch mit der Länge des Hauptrahms zusammen: Durch das außergewöhnlich lange Oberrohr wird das Fahrergewicht ganz automatisch weiter nach vorne verlagert. Dieser nach vorne verlagerte Schwerpunkt sorgt dafür, dass man auch steilere Berge sehr entspannt hochkommt, ohne dass das Vorderrad zu leicht wird oder an Traktion verliert. Die gute Traktion des 2.6er Nobby Nics hinten, den man wegen der 30er Felgen auch mit wenig Druck fahren kann, trägt noch ihren Part dazu bei, das Hinterrad dreht wirklich nur sehr selten durch. Das hatte ich schon bei der ersten Tour bei Benediktbeuren bemerkt, der Eindruck hat sich aber dann auch auf unserer Uphill-Trainingsstrecke zur „Hohen Kiste“ (bei Eschenlohe) und auf diversen Ausfahrten auf meinen Münchener Hometrails bestätigt. Grundsätzlich bin ich ein Fahrer, die den Uphill eher als Mittel sehen um sich die Abfahrt zu verdienen, aber mit dem TTRail hat jeder Uphill – egal wie Steil aber fast schon für sich Spaß gemacht. Das geringe Gesamtgewicht des Bikes mit seiner edlen Ausstattung hat diesen Eindruck natürlich noch weiter befeuert, obwohl ich ganz klar mehr die vortriebsstarke Geo dafür verantwortlich mache. Ein leichtes Bike ist gut, nicht so entscheidend für die Effizienz am Berg wie eine gelungene Geometrie. Bis zu diesem Punkt – wenn es um den Vortrieb und seine Uphill-Maniern geht – war das VPACE TTrail für mich leicht zu verstehen. Etwas anders verhielt es allerdings bergab und auf technischen Trails. Hier habe ich das Testbike durchaus als „anders “ erlebt und empfunden als erwartet. Aufgrund seiner schieren Länge, der 130er Gabel und dem flachen Lenkwinkel war ich innerlich darauf vorbereitet gewesen ein Bike zu erleben, das vor Laufruhe strotzt, das sehr satt auf dem Trail liegt und das wegen der Länge lieber aktiv um die Kurve geführt werden muss. Das interessante ist, diese Seiten hat das Bike auch, aber eben nicht immer.
Eines schon mal vorab. Eine gewisse Laufruhe und viel Komfort ergeben sich alleine schon aus dem gewählten Rohrmaterial. In Kombination mit dem langen Hauptrahmen ergibt sich ein leichter, aber nie zu starker Flex, der einiges an härteren Schlägen kompensiert. In der Komfortwertung punktete das Hardtail also auch ohne Heckfederung.
Kommt man zum Thema Lenkverhalten und Handling bergab und in technischen Passagen hat das TTrail meinem Empfinden nach zwei Gesichter. Solange ich es wie gewohnt von hinten heraus gefahren bin, hat das Testbike auf mich zuerst außergewöhnlich direkt und agil gewirkt. Und zwar mehr und mehr je steiler es wurde. So etwas hatte schon länger nicht mehr erlebt, denn es hat für mich nicht so richtig zu den Trail-Intentionen des Bikes gepasst. Erst als ich meine Gewichtsverteilung auf dem Bike aktiv – und in meinem Fall entgegen meiner Intuition – nach vorne verlagert habe, den Lenker aktiv belastete habe, sind die Puzzlesteine ineinander gefallen. Auf einen Schlag war die erwartete Laufruhe und Gelassenheit auf dem Trail da und das VPACE TTrail war das Trailbike, das ich eigentlich erwartet hatte. Sobald ich wieder in meine alte, eher hecklastige Fahrweise zurückgefallen bin, war das Bike für mich gefühlt wieder mehr Langstrecken- als Trailbike.
Aber wie kann es sein, dass ein derart langer Reach (immerhin 505 mm) und ein Lenkwinkel von flachen 67° ein so agiles Trailbike hervorbringen? Ich habe lange und viel darüber nachgedacht und mich mit meinen Testerkollegen von TNI darüber unterhalten, und es auch mal kurz c_g zum Fahren gegeben … und unser Schluss (der übrigens keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Komplettheit hat J) ist, dass das ungewöhnliche Handling eine Folge in erster Linie mit der Gewichtsverteilung und Sitzposition auf dem XL-Bike zusammenhängt. Wie im Intro bereits erwähnt haben wir es hier ja mit einem sehr langen Hauptrahmen (effektives Oberrohr mit 690 mm Länge), dafür aber einem sehr kurzen Hinterbau (Kettenstrebenlänge gerade mal 425 mm) zu tun. Zusammen mit dem sehr niedrigen Cockpit (-6° Vorbau mit 15-mm-Rise Lenker) ergibt sich dadurch eine gestreckt niedrige Sitzposition mit viel Druck auf dem Vorderrad – ideal um Strecke zu machen und bergauf das Ges stehen zu lassen. Bergab, sitzt man allerdings so tief, dass man unwillkürlich das Gewicht nach hinten verlagert und so zu wenig Druck auf die Front bringt. Mit der Folge, dass die Lenkung fast schon zu agil wird. Mit angepasster Fahrweise und aktivem Druck auf der Front im Downhill, kann man das aber wieder komplett ausgleichen. Wichtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass diese Eigenschaft wohl auch beim XL Rahmen weit deutlicher auftritt, als bei kleineren Rahmen, denn die Hinterbaulänge ist bei allen Rahmengröße identisch – es wird ja nur der Hauptrahmen kürzer. Nach meine Erfahrungen in dem Test würde ich sagen, dass das VPACE TTrail am Besten unter einem Fahrer funktioniert, der aus der XC-/Marathon-Ecke kommend eine aktive Fahrweise hat und weiß wie man ein Bike führt – dann ist das Trailbike eine extrem gelungene Kombination aus Vortrieb und Trail-Performance. Für manch andere Fahrer (zu denen auch ich mich in dem Fall zähle), kann es dadurch aber auch durchaus etwas Um-/Eingewöhnung erfordern, ehe das TTrail sein Potential offenbart.
Mit den verbauten Komponenten hatte ich während des gesamten Tests keinerlei Probleme. Die FOX 34 Steppast Federgabel hat sich für mein Empfinden genauso souverän gefahren, wie eine klassische Float 34 und die übrigen Komponenten haben sich genau zuverlässig und Funktionell gegeben, wie sie es sollten. Die 29×2,6er Nobby Nic Reifen von SCHWALBE haben mir als Tourenreifen für den moderaten Traileinsatz sehr gut gefallen, ich könnte mir aber vorstellen, dass dem Bike gerade an der Front auch eine noch etwas aggressiverer Reifen genauso gut, wenn nicht sogar noch besser stehen würde.
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Fazit
Das VPACE TTrail ist ein Exot unter den Trailbikes – einmal wegen des edlen Rohstoffs, der ihm eine zeitlos edle Optik und ungewohnt viel Komfort verleiht und andererseits aber auch wegen des „etwas anderen“ Handlings. Genau wie es das Mission Statement von VPACE „Ride Unique“ bereits ankündigt. Bergauf und auf Strecke ist es eine Freude, sich mit ihm Meter für Meter nach vorne, bzw. nach oben zu schrauben. Es ist für mich ein ideales Bike für ausgedehnte Alpentouren und würde sicher auch auf Bikepacking-Touren eine tolle Figur abgeben. Bergab und auf technischen Trails erforderte unser XL-Testbike ein wenig Ein-/Umgewöhnung. Diese aus unserer Sicht leichte Disbalance aus langem Hauptrahmen und kurzem Heck des XL-Rahmens sollte bei den kleineren Rahmengrößen aber weit weniger vorhanden sein oder komplett verschwinden. Doch selbst hier gilt: Hat man sich erst einmal daran gewöhnt und seine Fahrweise darauf angepasst, hat macht das VPACE TTrail als sehr vortriebsstarkes und komfortables Trailbike richtig Spaß. Trotz seiner Länge zirkelt auch um engste Kurven und bietet doch die Sicherheit eines modernen Trailbikes. Der Titanrahmen ist zwar nicht der leichteste, sollte aber viele Jahre überdauern und kommt zudem zu einem wirklich attraktiven Preis.
OLI