INTEND COMPONENTS Edge 29er Federgabel – Zwischenstand: von c_g

 

Wer von euch hatte schon mal die Idee „einfach so“ ein derart komplexes Bauteil, wie eine Federgabel, zu konstruieren und hat sich daraus ein eigene Existenz aufgebaut? Geträumt haben wir diesen Traum wahrscheinlich alle schon mal, aber wirklich in die Tat umgesetzt … wer kann das schon von sich sagen? Cornelius Kapfinger kann das und wir haben eine seiner Kreationen, die INTEND Edge 29er Federgabel seit ziemlich genau zwei Wochen im Test. Eine Upside-Down Federgabel mit 170 mm Federweg, alles in Eigenregie konstruiert, mit Hilfe von befreundeten Zulieferern in D und A gefertigt und von Cornelius persönlich von Hand zusammengebaut? Das ist doch was, oder? Aber kann sowas wirklich funktionieren? Sich gar gegen die scheinbar übermächtige Konkurrenz von ROCKSHOX oder FOX behaupten? Und wie steht’s mit der Steifigkeit?

Seit gut 2 Wochen habe ich die INTEND Edge Federgabel am POLE und darf sie über meine Hometrails jagen — bisher mit einem sehr positiven Gesamteindruck.

Nun, fange wir doch mal am Anfang an – der Montage. Mit einem klassisch konischen Gabelschaft (tatsächlich ist bei der Edge der eigene Stiffmaster Gabelschaft mit höheren Wandstärken verbaut) und dem vormontierten Smarty Klemmkonus gibt es hier nicht wirklich viel anzumerken. Einzig dass man zum Vorpannen einen 20er Torx-Schlüssel braucht, den nicht jeder Schrauber immer parat hat.

Dann gilt es noch die spezielle Leitungsverlegung der INTEND Edge anzusprechen. Weil sich die unteren Gabelbeine und der starre Oberbau ja ständig gegeneinander verschieben, ist die Hydraulikleitung nur einmal unten an einer Art Ausleger fixiert und wird sonst nur durch zwei mit Kabelbindern fixierten Führungen gehalten. Technisch eine absolut sinnvolle Lösung, aber optisch wirkt diese Art der Zugführung einfach nicht so edel, dass sie dem der Rest der Gabel und ihrer feinsten Fräskunst gerecht werden würde. Im Dialog mit Cornelius wird allerdings schnell klar, dass er sich dieses rein ästhetischen Defizits sehr wohl bewusst ist, aber einfach keine Lösung gefunden hat, die nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbinden wäre.

Die Laufrad-Montage und -Demontage gestalten sich aufgrund der geschraubten und gesicherten Steckachse ein wenig aufwendiger als gewohnt.

Der Ein- und Ausbau des Vorderrades erfordert ebenfalls ein klein wenig mehr Aufwand – einfach, weil sich beide Gabelholme unabhängig voneinander bewegen lassen und weil man zum Festziehen und Fixieren der Steckachse drei 5-mm Inbus-Schrauben anziehen muss … aber über diesen konstruktionsbedingten Kompromiss, weiß man ohnehin, wenn man sich eine Upside-Down Gabel zulegt. Ich jedenfalls empfinde die Minute mehr an Zeit, die mich der spezielle Ein- oder Ausbau kostet, nicht als relevant.

Auch beim Setup gibt es wenig Auffälligkeiten. INTEND, oder genauer gesagt Cornelius, macht es einem recht einfach mit der Faustformel „Gewicht (in Kg) mal 0,9 bis 1,0 – ergibt den Luftdruck in PSI“. Weil die Positiv- und die Negativkammer parallel befüllt werden, muss man nur einmal die Pumpe anlegen. Mit den vorgegebenen Formel bin ich auf Anhieb auf 30% SAG gekommen und auch die erste Prüfung de Federungsverhaltens hat dies bestätigt. Vor dem Abnehmen der Pumpe rät INTEND dazu noch kurz die Gabel auseinanderziehen, um sicherzustellen, dass man auch wirklich den gesamten Federweg zur Verfügung hat und fertig ist das Thema Luftdruck. Die Dämpfungs-Einstellung geht ebenfalls schnell von der Hand. Man muss nur die (Low-Speed) Zugstufe einstellen, die sich aufgrund der Upside-Down Konstruktion oben befindet und die unten befindliche Low-Speed-Druckstufe, je nach Belieben. INTEND gibt in den Anleitungen an, dass aggressive Fahrer meiner Gewichtsklasse bei beiden Kreisläufen durchaus ans Maximum der Dämpfung kommen könnten, aber mit meiner Vorliebe für eher aktive Federelemente, finde bereits im Mittelbereich mein persönliches Optimum. So weit, so gut … und auf dem Trail?

Das erste, was auffällt, ist wie sensibel die Gabel reagiert, ja man möchte fast sagen „agiert“. Selbst kleinste Unebenheiten werden so sauber abgefedert, dass man es kaum glauben mag. Ein Genuss, wie man damit über kleinere Unebenheiten „schwebt“. Ich könnte nicht sagen, dass der Unterschied der deutlich längeren Negativ-Feder zu anderen aktuellen Top-Gabeln gigantisch wäre, aber er ist spürbar. Sobald die Schläge etwas größer werden, arbeitet die INTEND Edge auf hohem Niveau und gibt trotz ihres erstklassigen Komforts stets ein klares Feedback an den Fahrer. In den bisher 2 Wochen des Tests gab es bisher noch keine Fahrsituation, in der sich die Edge je eine Blöße gegeben hätte. Schnelle Wurzelteppiche? Kein Thema! Fiese Drops und Sprünge? Hey, warum nicht? Schnelle Anlieger? Liebend gerne! Wechselnde Trails? Je mehr, desto besser!

Von wegen mangelnde Torsionsteifigkeit! In der Fahrpraxis bietet die Intend Edge ein ähnliche Präzision und ein vergleichbares Handling, wie andere Enduro-Gabeln. Selbst in schnellen Anlieger konnte ich bisher nie etwas Auffälliges beobachten.

Die einer derart konstruierten Federgabel oft nachgesagte niedrige Torsionssteifigkeit kann man zwar jederzeit durch Verdrehen des Lenkers mit zwischen die Beine geklemmtem Vorderrad demonstrieren, auf dem Trail hat sie sich bisher aber nie als auffällig oder gar störend erwiesen. Selbst bei einen schweren Fahrer wie mir, waren für mich praxisrelevante Defizite diesbezüglich bisher nie zu spüren. Weder unsaubere Landungen, noch langsam gefahrene Spitzkehren oder schnelle Anliegerkurven fahren sich mit der Edge wirklich anders, als mit anderen Enduro-Federgabeln … von mangelnder Lenkpräzision kann meiner Meinung nach wirklich keine Rede sein. Die hätte ich bisher, bei alldem, was ich mit der Gabel schon gemacht habe, sehr wohl gespürt.

Dort wo es richtig steil wird, macht sich die höhere Bremssteifigkeit der Upside-Down Gabel am meisten bemerkbar. Auch in solchen Situationen arbeitete die Gabel weiterhin sehr sensibel und unauffällig.

Die konstruktionsbedingte und postulierte höhere Bremssteifigkeit der Upside-Down Gabel ist nicht nur im Fahrbetrieb deutlich sichtbar (schon mal die eigene Gabel beobachtete, wie viel die in der Praxis vor- und zurück schwingt?), sie macht sich vor allem in Extermsituationen, wie sehr steilen Abfahrten oder harten Bremsungen vor einer Kehre bemerkbar, wo die Edge auch dann noch sensibel und aktiv bleibt, wenn andere Gabeln schon anfangen mit Reibung zu kämpfen haben.

Egal, wie man sie fährt, bitte die INTEND Edge stets einen hervorragende Performance – sowohl ihre Federung, wie auch ihre Dämpfung arbeiten auf einem hervorragenden Niveau.

Was die Federwegs-Performance und Dämpfung angeht, spielt die INTEND Edge für mich auf dem gleichen hohen Niveau der aktuellen Top-Gabeln. Das Teil von Cornelius ist wirklich gut. Ich bin mit der Gabel jetzt wirklich alles gefahren, was meine heimischen Testtrails hergeben und konnte in keinem Bereich ein echte Performance-Schwäche feststellen. Die einzige Auffälligkeit der Edge ist, dass ich bei meinem aktuellen Setup selbst bei den größten Sprüngen nie den gesamten zur Verfügung stehenden Federweg genutzt habe. Mehr als 155 mm konnte ich der Gabel auch dort nie entlocken, wo ich normalerweise meine gut abgestimmten Federelemente zum Durchschlagen bringe.

Bei solchen Sprüngen teste ich gerne die Progression und Reserven einer Gabel und auch hier gab es bisher nichts zu beanstanden.

Ob die verbleibenden 15 mm wirklich reine Notfallreserven sind, oder einer potentiell zu straffen High-Speed-Druckstufe geschuldet sind, werde ich im zweiten Teil des Tests herausfinden, aber selbst mit nur 92 % des angegebenen Federwegs ist die INTEND Edge eine Wucht und echte Konkurrenz zur etablierten Spitze. Dass die Gabel technisch die angegebenen 170 mm zur Verfügung stellt, kann man einfach durch aufschrauben der Dämpferpumpe testen, weil so die Positiv- und Negativkammer verbundne sind und sich die Gabel auch unter Druck komplett zusammenschieben lässt (übrigens recht praktisch, für den Transport des Bikes).

Mine bisheriger Praxiseindruck der exklusiven Upside-Down Gabel INTEND Edge ist rundum positiv – eine Gabel, die mit den besten mithalten kann.

Zwischenstand: Cornelius Kapfinger, der Mann hinter INTEND, hat für mich wirklich Beachtliches geleistet. Seine einzigartige Upside-Down Federgabel INTEND Edge, mit bis zu 180 mm Federweg und vielen findigen Detaillösungen ist auf dem Trail richtig, richtig gut. Die exotische Gabel hat zwar mit ein paar kleinen  Schönheitsfehlern zu kämpfen (erschwerte Handhabung beim Laufrad-Ein und Ausbau und bei der Leitungsführung),  steht aber nach meinen Erfahrungen, was ihre Praxis-Performance angeht, absolut auf Augenhöhe mit den besten Federgabeln der viel, viel größeren Konkurrenz. Nimmt man dann noch ihre Einzigartigkeit und die heimischen Kleinstserienfertigung in die Überlegung hiein, erscheint der VK von knapp 1950.- Euro für die Federgabel fast schon wieder vernünftig. Im zweiten Teil des Tests hoffe ich der Ursache für die unvollständige Federwegsausnutzung auf den Zahn zu fühlen und hoffe auf den einen oder anderen Trip jenseits meiner Hometrails – mal sehen, was der Frühling so alles hergibt.

RIDE ON,
c_g