SCOTT Ransom 900 tuned – Testfazit: von c_g
(hierzu erschienene Artikel: Offizielle Vorstellung des SCOTT RansomTestintro des SCOTT Ransom 900 tuned, SCOTT Ransom 900 Tuned – Zwischenstand)

Das SCOTT Ransom hat sich bisher im Test bestens bewährt – hier kommt noch was es uns in der zweiten Testphase gelehrt hat.

Wer das Intro oder den Zwischenstand zu dem brandneuen High-End Enduro-Fully Ransom von SCOTT gelesen hat, weiß dass man es hier mit einem richtig guten, sehr durchdachten und extrem fähigen 29er zu tun hat, der so ziemlich alle Wünsche erfüllt.

   

Meine bisher einzigen Kritikpunkte bezogen sich auf Details, wie der nicht optimalen Ergonomie zur Bedienung des Dropper Remotesdurch die Integration des eigenen TwinLoc-Hebels mit dem Dropper-Remote auf der linken Seite (oben links) oder den mit 150 mm für meine Geschmack etwas zu mager ausfallenden Hub der FOX Transfer Dropper Stütze (oben rechts). Wie gesagt – Details.

 

In den wirklich wichtigen Punkten wie dem sehr leichten und zugleich steifen Rahmen, der modernen und doch nicht zu progressiven Geometrie und der sehr gelungenen Abstimmung des exklusiven NUDE TR Federelements hat sich das Ransom dagegen ausschließlich Lob verdient. Der per TwinLoc-Remote in seiner Dämpfung straffbare Dämpfer arbeitet so sensibel, dass man schon zweimal hinschauen muss um hier nicht eine Stahlfeder zu vermuten und bietet doch genau den notwendigen Gegendruck, dass die Straffung eher hilfreiches Beiwerk als echte Notwendigkeit ist … und das bei immerhin 170 mm Federweg.

Eine der nicht wirklich erwarteten Qualitäten des SCOT Ransom ist, dass es wirklich erstklassig klettert und das weniger wegen des geringen Gewichts, sondern dank der Geometrie und seiner Federung.

Überhaupt sind es die hervorragenden Uphill-Qualitäten des Ransom, die mich am meisten überrascht haben. Angesichts des großzügigen Federwegs waren die hervorragenden Trail- und Abfahrtseigenschaften ja schon fast zu erwarten, aber dass das Bike auch so gelassen klettert, hinten kaum einsinkt und sich stets seht effizient fährt, hätte ich so nie erwartet. Bei all seinen unbestrittenen Downhill-Fähigkeiten, ist das SCOTT Ransom eines der Bikes, mit denen ich auch in den allersteilsten Uphill-Trailpassagen noch sehr gelassen treten kann und das nur eine minimale Gewichtsverlagerung braucht – ein Attribut, das es vor allem seiner langen und ausgewogenen Geometrie und der Dämpfurabstimmung verdankt. Wirklich beachtlich für so viel Federweg. Denjenigen, die an der Stelle sagen, dass die angesichts des besonders edlen und leichten Top-Modells ja auch nicht anders zu erwarten war, möchte ich entgegnen, dass das geringe Gesamtgewicht sicherlich dazu beigetragen hat, dass mine Testbike so gut beschleunigt und klettert, aber seine Uphill-Lorbeeren hat sich das Ransom in meinen Augen nur zu einem sehr geringen Teil durch das Gewicht verdient. Viel wichtiger ist die optimale Gewichtsverteilung auf dem Bike, die Art, wie die Federung unter dem veränderten Schwerpunkt im Uphill agiert und wie sich die Geometrie im allgemeinen hier verhält – und diese Punkt erfüllen alle Ransom Modelle vom hier getesteten Ransom 900 tuned Überbike für 7599.- Euro bis hin zum sehr erschwinglichen Basismodell Ransom 930 für gerade mal 2999.- Euro.

Auf normalen Trails gibt das SCOTT ein ebenso gute Figur ab – da macht Biken auch im Sauwetter noch Spaß.

Aber ist ein Bike, das vom Gewicht her keine Limits setzt und im Uphill Bestnoten holt, damit automatisch auch ein erstklassiges Trailbike? Dieser Frage bin ich in dieser abschließenden Testphase noch nachgegangen und habe dafür das Ransom noch ein wenig weiter gepimpt … und zwar mit den ebenfalls derzeit im Test befindlichen PI ROPE RL ONE A.30 Laufrädern und indem ich den Flip-Chip auf die HIGH Position gesetzt habe (eine Maßnahme, die SCOTT eigentlich eher für 27,5“ Laufräder vorsieht, aber auch so genutzt werden kann).

Auf langen Touren wirkt das Ransom zwar unterfordert, macht aber gerade mit der High Position des Flip-Chip eine doch noch recht gute Figur. (Hier wie in den meisten Bildern des Artikels mit den noch leichteren PI ROPE Laufrädern.)

Mit damit etwas steileren Winkeln (65° Lenkwinkel und 75,5° effektiver Sitzwinkel, ist das RANSOM zwar noch ein sehr progressives Trailbike, aber während es für manchen schon zu laufruhig sein mag, würde ich mich nicht scheuen, so auf einen traillastigen (oder Lift-unterstützten ;-)) Alpencross zu gehen. Auf langen Forststrassenetappen und nur sanften Trails ist für mich aber dann doch die Grenze erreicht, wo ich das Ransom zwar als „noch tauglich“ ansehe, es aber insgesamt doch ziemlich unterfordert wirkt. Die progressive Geometrie ist einfach für steile und technische Trails gemacht und wirkt auf einfacheren Strecken und beim „einfach nur Kilometer-Machen“ doch nicht ganz „zuhause“. Egal wie effizient eine Bike ist, wie leicht es ist, am Ende ist es doch auch hier wieder die Geometrie, welche (zum Großteil) den Charakter eines Bikes definiert … und dementsprechend ist das Ransom einfach doch mehr ein Enduro.

  

Ein letztes kleines, aber aus meiner Sicht geniales Detail am Ransom möchte ich abschließend aber unbedingt noch ansprechen. Es sitzt ganz unscheinbar am untern Ende des Dämpfers und wird schnell übersehen. Diese kleine, aber feine Detail ist der Ramp Adjust Hebel am FOX Dämpfer und ist aktuell nur hier am Ransom und auch nur mied en bieten Topmodellen 900 tuned und 910 zu finden. Über den Hebel kann man das zur Federungsarbeit zur Verfügung stehende Luftvolumen über ein Ventil verändern – genau wie durch Einsetzen oder Wegnehmen eines Volumensparers in der Luftkammer (was übrigens auch weiterhin geht, wenn man noch stärker in die Federungscharakteristik eingreifen will) – nur, dass das hier eben in Sekundenbruchteilen und nur durch Umlegen eines Hebels geht.

Durch seine Verstellmöglichkeiten per Flip-Chip (Geometrie) und Ramp Adjust (Progression des Dämpfers) kann man den Charakter des Bikes noch weiter anpassen.

Mit großem Volumen ist das Fahrwerk ziemlich linear und maximal traktionsstark, mit reduziertem Volumen hat es gerade bei Sprüngen etwas mehr „Pop“, steht minimal höher im Federweg und hat mehr Durchschlagreserven. Die Volumensänderung oder genauer die resultierende Progression ist dabei so gewählt, dass man sehr wohl einen Unterschied wahrnimmt, aber doch nicht so prägnant, dass man eine versehentlich „falsche“ Stellung sofort als mangelhaft oder gar „unfassbar“ bemängeln möchte. Als eine Mensch der gerne sehr unterschiedliche Trails fährt und bei jedem Wetter unterwegs ist mach Ramp Adjust grundsätzlich Sinn, an einem Bike wie dem Ransom ist es doppelt sinnvoll platziert, denn man kann wirklich im Handumdrehen die Federungscharakteristik optimieren. Während ich persönlich am Ransom gerne auf die Remote-Verstellung der Federgabel und den Lockout verzichten kann, wäre das Bike für mich allein mit dem Traction Mode, also die zweite Stufe des TwinLoc Hebels, und dem Ramp Adjust Feature, die sich beide als praxisnahe externe Einstellungen erwiesen haben, bereits vollständig.

Was die übrige Ausstattung des SCOTT Ransom 900 tuned angeht, gibt es nicht viel zu sagen, außer dass alles den ganzen Test hindurch tadellos funktioniert hat. Das Thema mit dem für ein derartiges Bike etwas zu geringen Hub der Dropper-Stütze hatte ich ja schon im Zwischenstand angesprochen – wohl ein Eingeständnis um auch hier eine FOX Komponente  zu verbauen, das sich verschmerzen läst, den sonstigen Eindruck von hoher Detailliebe, ja fast schon Perfektion aber ein wenig trübt. Ob die 2,6“ breiten MAXXIS Reifen mit EXO+ Karkasse zu empfindlich oder nicht sind, hängt sehr stark von dem gefahrenen Gelände ab. Ich hatte damit weder im Bikepark Oberammergau, noch auf meinen oft harten Waldtrail je Probleme gehabt und hatte während des Tests keine einzigen Defekt zu beklagen, aber wer viel in alpinem und felsigem Gelände unterwegs ist, könnte in der Tat über etwas robustere Reifen nachdenken. Die SRAM Code RSC Bremsen und auch der X01 Eagle Antrieb waren wieder einmal absolut sorgenfrei und zuverlässig – das 32er Kettenblatt würde ich gegen ein 30er wechseln, aber sonst war alles super. Auch wenn sie nicht den ganzen Test über im Einsatz waren, haben auch die hauseigenen Laufräder mit DT-SWISS Technik mir nie Anlass zur Kritik gegeben.

Das SCOTT Ransom ist nicht nur eines der potentesten Bikes, die ich kenne, es ist auch eines der vielseitigsten .. und col aussehen tut es noch dazu.

Als Fahrer, der auch komplexe Einstellungsmöglichkeiten an den Federelementen nicht scheut (und wie oben angesprochen, gerne auf die Remote-Verstellung der Gabel verzichten kann)  könnte ich mir eine GRIP2 Gabel als optionales Upgrade am Ransom vorstellen, aber auch die serienmäßige FOX 36 EVOL Factory war mir nie „zu wenig performance-orientiert“. Was den Offset von 44 mm am Ransom angeht, hatte ich im Anschluss zu dem offiziellen Biketest noch etwas Zeit eingeplant, aber die aktuell winterlichen Bedingungen lassen dies derzeit nicht zu.

Die hier verbaute Hixon iC Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon hat ausgezeichnet und ohne Auffälligkeiten funktioniert, ist aber eines der Details die zweifelsohne zum geringen Gesamtgewicht und der hohen Exklusivität beitragen, deren anderweitiger Nutzen aber gering ist. Weil der Gabelschaft ab Werk lang genug für eine effektive Cockpit-Höhenverstellung gelassen wurde, konnte ich meine Idealposition ohne weitere Mühe finden – in meinem Fall mit dem Vorbau ganz oben. Umso nützlicher finde ich dagegen den hauseigenen Front-Fender für die FOX 36er Gabel, der gerade in den oft nassen Testbedingungen hervorragende Dienste geleistet hat. Mit etwas mehr Abdeckung auch vor der Gabel wäre er noch besser, aber auch so war das wackelfrei an der Gabel verschraubte Teil super.

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Testfazit

Ob mit den Serienlaufrädern und Reifen (oder den wie hier versuchsweise verbauten PI ROPE Laufrädern) – das SCOTT Ransom ist ein genial gutes und vielseitiges Bike.

SCOTT hat mit dem Ransom wieder einmal ein richtig geniales 29er im Programm. Das Enduro mit 170/170 mm Federweg baut auf den Tugenden und der Vielseitigkeit des Genius All-Mountains auf und setzt in Sachen Gravity-Performance, Big-Hit-Reserven und Gutmütigkeit noch eine Schippe drauf. Sowohl der hervorragende, werkseitige Dämpfer-Tune wie auch das neue Ramp Adjust-Feature helfen dabei, das exzellente Fahrwerk noch einen Tick praxisgerechter und individueller zu machen. In der getesteten Top-Version Ransom 900 tuned bekommt man für sein Geld ein echtes Traum-Enduro mit einem verführerischen Gewicht und edelsten Komponenten, das von technischen Trailtouren, über Enduro-Rennen bis zum Gravity-Einsatz wirklich keine Wünsche offen lässt. Ob die kleineren Kompromisse, die man für die Systemintegration von TwinLoc &Co. in Kauf nehmen muss, einen stören oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden – wäre es mein Bike, wäre dies der einzige Bereich wo ich noch Optimierungspotential sehe.

Auch wenn das Wetter während des Tests überwiegend nass-kalt und wenig einladend war, hat die tadellose Performance des SCOTT Ransom stets für eine hohe Motivation gesorgt.

Gerade weil das Ransom auch bergauf so gut geht – und das liegt weniger am Gewicht, als an der super Geometrie und Federung – ist es eines der wohl vielseitigsten Bikes die es derzeit zu kaufen gibt. Mit seiner doch sehr progressiven „Long, Low’n Slack“ Geometrie wirkt es im Trailbike-Allroundeinsatz zwar etwas unterfordert, aber wer sich an der hohen Laufruhe nicht stört, kann das Ransom durchaus als One-For-All-Bike nutzen – denn alle anderen Aspekte passen auf den Punkt.

RIDE ON,
c_g