PIVOT Firebird 29 – Fahreindrücke auf dem Eurobike Media Days 2018: von Oli (& c_g)
Alle Jahre wieder sind die Eurobike Media Days ein absolutes Highlight der Saison für uns als Tester. Wo sonst hat man die Gelegenheit die eben erst vorgestellten Bikes zum ersten Mal richtig ranzunehmen und mit den Herstellern darüber in Ruhe zu fachsimpeln. Mit ein paar Stunden auf einem Bike lässt sich zwar nicht alles über ein Bike sagen, aber schon eine Menge. Und wenn man noch dazu einen so vielfältiges Testgelände wie Serfaus Fiss-Ladis mit dem alpinen Frommes Trail von über 2500 auf ca. 1400 m ü.N.N. in unmittelbarer Nähe zur Verfügung hat …
Das PIVOT Firebird 29 ist so ein Bike, das wir gerade erst vorgestellt haben und es dann auch schon auf den EMDs fahren durften. Und weil das Firebird für mich ein so spannendes und auch komplexes Bike ist, hat c_g nach mir damit auch noch eine Runde über den Frommes Trail gedreht. Hier also unser kombinierten Eindrücke:
Eigentlich hätte ich mir wie bei den meisten Bikes ohne weitere Überlegung einen Rahmen in XL für den Kurztest geschnappt, aber der Mitarbeiter riet mir eindrücklich dazu auch bei meiner Größe von 1,88 m doch eher eines in L zu nehmen. Sein Argument war, dass das Firebird 29 das aktuell längste Bike von PIVOT im Sortiment ist und es in XL mit einer Oberrohrlänge von 670 mm bzw. einem Reach von 495 mm mir mit 188 cm möglicherweise schon zu lang wäre. Erst nach einem kurzen Probesitzen und der Erklärung, dass ich lange Rahmen bevorzuge, hat man mir dann doch ein Firebird 29 in XL gegeben. Und auch wenn das Bike zweifelsohne groß ist, habe ich mich doch sofort darauf wohl gefühlt Wieder einmal zeigt sich das sehr feine Gespür von PIVOT Chef Chris Cocalis, wenn es darum geht eine gefällige und perfekt ausbalancierte Sitzposition im Bike zu finden. Alle Sorgen, hier ein Schlachtschiff unter mir zu haben, das mir zu sperrig werden würde, waren schon nach den ersten Metern vom Messegelände zur Bahn verflogen und ich habe mich nur noch auf den bevorstehenden Frommes Trail gefreut.
Wie ja schon bei der Vorstellung des Bikes beschrieben, bietet die Geometrie des Firebird, alles, was man heute von einem Enduro–Racer erwarten würde. Mit üppigen 170 mm Federweg vorne und 162 mm hinten gehört es zu der Riege der modernen Long Travel 29er, die ja gerade immer beleibter werden und ist es schon mal garantiert nicht unterdimensioniert. Ein Lenkwinkel von 65°(bzw. 65,5°), ein effektiver Sitzwinkel von 74,5° (alternativ 75°) und eine Kettenstrebenlänge von beachtlich kurzen 431 mm, welche erst durch den von PIVOT eingeführten Super Boost Plus HR-Achsstandard möglich sind. Der Reach und das effektive Oberrohrsind, wie schon erwähnt außergewöhnlich großzügig mit 64,8 cm (Oberrohr) bzw. 47,5 cm (Reach) in Rahmengröße L und 67,0 bzw. 49,5 cm in XL. Die Tretlagerhöhe fällt mit 348 mm (alternativ 354 mm) leicht erhöht, aber nicht ungewöhnlich aus.
Erstmals bei einem PIVOT hat das Firebird 29 auch eine Geometrieverstellung per Flip-Chip (in der hinteren Dämpferaufnahme), mit der sich der Lenk- und Sitzwinkel um ca. 0,5° steiler und die Tretlagerhöhe um 6 mm höher stellen lassen – siehe Alternativwerte oben. Wir sind das Bike aufgrund der begrenzten Zeit allerdingsnur in der Low-Position gefahren. Als zusätzliche Option der Geometrie-Feintunings kann man am massiven Steuerrohr noch unterschiedliche Steuersätze verbauen und so sowohl den Lenkwinkel, wie auch den Reach optimieren. Optional kann man auch eine 17 mm höher bauende untere Steuersatzschale verbauen, welche eigentlich zur Nutzung mit 27,5+ Reigen gedacht ist, aber ebenso genutzt werden kann um die Winkel zusätzlich abzuflachen und das Tretlager etwas höher zu setzen. Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass das Firebird 29er neben den hier gefahrenen 29er Laufrädern, auch mit 27,5+ (bis 3,0“ Breite) bestückt und gefahren werden kann.
Eine Auffälligkeit des Firebird Rahmens, ist seine geradlinige Formsprache. Statt eines geschwungenen Hauptrahmens wirkt hier alles clean und sehr gerade. Wunderbar stimmig, aber leider auch mit der Konsequenz, dass in dem Hauptrahmen kein Platz mehr für eine Wasserflasche ist. Wie bei vielen aktuellen Rahmen ist auch das Firebird 29er sehr niedrig geschnitten. So werden die Rahmen mit zunehmender Größe zwar immer länger (immerhin 10 cm zwischen S und XL), was ihre Überstandshöhe angeht, werden sie aber kaum höher. So wächst die Überstandshöhe am Firebird 29 zwischen S und XL gerade mal um 3 cm, was genau dem gleiche Maß entspricht, um das auch das Steuerrohr länger wird. Auf dem Bild oben ist gut zu sehen, wie weit der Sattel bei meinem an sich passenden XL Testrahmen über dem Rahmen thront und welch eine gigantische Schrittfreiheit der Rahmen bietet. Funktionell ist das natürlich ein willkommener Aspekt, denn er bietet eine maximale Bewegungsfreiheit auf dem Bike und hilft dabei auch ganz lange Dropper-Stützen zu verbauen, aber für mich als Berufsästhet ist der weit aufragende Sitzdom und der nochmals deutlich höhere Sattel auch immer wieder ein Anblick, an den ich mich zuerst gewöhnen muss. Gerade für große Fahrer wie mich hat das geknickte Sitzrohr aber auch den Nebeneffekt, dass sich der effektive Sitzwinkel mit zunehmendem Sattelauszug auch immer weiter abflacht.
Aber das sind lediglich Randbemerkungen, denn wie besagt fand ich mich auf dem PIVOT Firebird 29 sofort sehr gut aufgehoben. Der bewährte DW-Link Hinterbau ist beim Firebird so ausgelegt, das er zwar massive 162 mm Federweg bietet, aber sich deswegen keineswegs zu plüschig oder gravity-lastig anfühlt. Sowohl ich wie auch c_g haben ein wenig mit dem verbauten FOX Float X2 Dämpfer experimentiert und konnten feststellen, dass das nur zum Teil am Dämpfer-Setup lag, und vielmehr eine Eigenschaft der Kinematik ist. Wer also nach einem Bike sucht, das sich auch bergauf noch sehr gut treten lässt und auch in steilen Rampen noch stabil im Federweg steht, sollte das Firebird 29 nur allein seines Federwegs wegen noch lange nicht von seiner Liste streichen.
Auch wenn der Frommes Trail keine längeren Bergaufpassagen beinhaltet, gab sich das Firebird 29er in den kurzen und zum Teil ruppigen Steilanstiegen ausgesprochen effizient und antrittstark. Auch die Gewichtsverteilung hat bei meiner Größe auf den Punkt gepasst und mir geholfen mich voll und ganz auf den Trail und das Treten zu konzentrieren, statt mein Gewicht zu sehr nach vorne verlagern zu müssen. Auf die zuschaltbare Plattformdämpfung des Float X2 Dämpfers konnte ich auf der Testrunde problemlos und komplett verzichten. Dieses Bike kann klettern und mit 13,8 kg des Testbikes geht das auch noch überraschend gut.Was uns schon im ersten Uphill aufgefallen ist, hat sich dann im langen Weg runter nach Fiss umso mehr bestätigt: Das Firebird 29 bietet eine nahezu mustergültige Rahmensteifigkeit und damit sehr hohe Lenkpräzision. Man spürt sofort wie die unterschiedlichen Maßnahmen (symmetrischer Hinterbau mit vergrößerten Lagern, kleinere und steiferer Umlenkhebel uvm.) der Rahmensteifigkeit zugute gekommen sind. Das gesamte Bike war trotz seiner Größe unglaublich steif, was mit Sicherheit auch mit dem nochmals verbreiterten Super Boost Plus Hinterbau und den damit steiferen Hinterrad zusammenhängt. Das macht das Firebird für uns zu einem Enduro-Bike, das in der Praxis mehr Agilität an den Tag legt, als es die Geometriewerte alleine vermuten ließen. Dass sich das Firebird so schnell und lebendig um enge Kehren und Anlieger zirkeln lässt, hätten wir nicht angesichts der Zahlen nicht erwartet. Genau wie PIVOT es schon in der Vorstellung angekündigt hat.
Die Kehrseite dieser Eigenschaft ist aber, dass das Firebird sich trotz sensibelster Federelemente sehr direkt fährt und zu einem Bike wird, das aktiv geführt werden will. Es ist schwer in klare Worte zu fassen, aber am ehesten kann man das PIVOT Firebird mit einem Rennpferd vergleichen, das zu Trainingszwecken zwar auch langsam galoppieren kann und anmutig seine Runden in der Koppel drehen kann, seine wahren Fähigkeiten aber erst dann offenbart, wenn es Rennluft schnuppert und man ihm richtig die Sporen gibt. Sowohl c_g wie auch ich hatten beide das Gefühl, dass sich das Firebird 29er zwar in wirklich jedem Gelände wohlfühlt und gut zu fahren ist, sein wahres Potential aber erst dann zeigt wenn man es aktiv und mit geübter Hand führt. Gemütlich über den Trail cruisend, erlebten wir beide den 29er ¨Feuervogel“ zwar als gutmütiges, aber auch als ein wenig anstrengendes Bike. Sobald wir aber den Gashahn aufgedreht haben – oder besser gesagt, den Finger von der Bremse ließen – und das Bike aggressiver mit viel Druck auf der Front gefahren haben, desto mehr wurde es zu einem Enduro-Racebike, dessen Grenzen wir auf dem gefahrenen Trail bestenfalls erahnen konnten. Damit wollen wir nicht sagen, dass das PIVOT Firebird nicht für genussvolle Trailtouren würde, aber dafür wäre es nicht mehr unsere erste Wahl.
Hätte es irgendwelche Unstimmigkeiten in der Geometrie oder dem Handling des PIVOT Firebird 29ers gegeben, hätten wir diese Vorliebe des Firebird für eine aktive Fahrweise gerne darauf geschoben, aber weil hier alles so unglaublich stimmig und ausgewogen war und auch die FOX Federelemente sicher nicht der Grund dafür waren, blieb uns als Ursache für diese Eigenschaft am Ende nur die überragende Rahmensteifigkeit als Vorteil genauso wie möglicherweise auch als Nachteil – je nach Fahrertyp. Ob, oder inwieweit der verkürzte Gabel-Offset von 44 mm an der Gabel hier eine Rolle gespielt hat, können wir nach der kurzen Zeit nicht sagen.
In dem Zusammenhang möchte ich auch noch erwähnen, dass wir trotz der an sich ungünstigen Kombination aus 157 mm breiter HR-Nabe und großen Füßen nie Probleme mit am Super Boost Plus Hinterbau schleifenden Hacken hatten. Hier hat PIVOT die Sitz und Kettenstreben wieder einmal mit viele Liebe zum Detail so ausgeformt, dass auch mit einer breiteren Nabe viel Platz für die Füße und Waden bleibt. Die übrige Ausstattung beider Testbikes war sehr hochwertig, funktionell und dem Kaliber des Bikes angepasst. Das Cockpit war geprägt von eigenen Komponenten (inkl. 35 mm Riser Carbonlenker und Padlock Griffen), der Antrieb eine Mischung aus SHIMANO XTR und RACE FACE. Auch die Bremsen waren SHIMANO XT und blieben während des Tests absolut zuverlässig und ohne jegliche Auffälligkeiten. Der einzige Punkt in dem c_g und ich uns im Bezug auf das PIVOT nicht einig sind, sind die Reifen. Während c_g mit der Kombi aus MAXXIS Minion DHF 2,5 WT und DHR 2.4 WT auch auf dem zum Teil matschigen Trail sehr gut zurecht kann, waren mir die Reifen in schnellen Kurven und Anliegern einfach zu wenig definiert. Aber solche Detail lassen sich ja problemlos optimieren. Gerade angesichts eines VKs von über 5500.- für die Pro Version und jenseits von 9000.- Euro für die von uns getesteten Bikes (inkl. REYNOLDS Carbonlaufräder als Upgrade).
Zusammenfassung: Anfangs hatten wir uns gefragt, wie das Firebird 29 in das Portfolio von von PIVOT passt. Ein Allrounder wie das Switchblade, nur mit mehr Federweg oder reines Enduro-Racebike? Nach dem Kurzeindruck der Eurobike Media Days’18 unter zwei unserer Tester, sind wir der Meinung, dass das Firebird 29er beides ist. Es kann sowohl im Enduro-Race seinen Mann stehen, bringt aber auch als viele Qualitäten eines Allrounder mit. Aber was uns am deutlichsten aufgefallen ist, ist, wie charakterstark das Firebird ist. Ein Bike, das sich weniger durch das bevorzugte Gelände definiert, als vielmehr durch den bevorzugten Fahrstil. Genussvoll Trails-Cruisen und „Drüberbügln“, geht zwar auch, ist weniger das Ding des PIVOT Firebird 29er. Dieses Bike fordert eine aktive Fahrweise und belohnt dann aber mit einer Performance, die jeden Biker pusht seine eigenen Grenzen auszulotet und immer weiter zu stecken – solche Fahrer werden das Firebird 29er ziemlich sicher lieben. Bei uns hat das PIVOT Firebird 29 jedenfalls einen sehr vielversprechenden ersten Eindruck hinterlassen – als ein sehr durchdachtes Premium-Enduro, das in Präzision und Direktheit seinesgleichen sucht und dessen Grenzen wir sehr gerne in einem zukünftigen Test noch näher ausloten würden.
Oli & c_g
„[…]und eine Kettenstrebenlänge von beachtlich kurzen 431 mm, welche erst durch den von PIVOT eingeführten Super Boost Plus HR-Achsstandard möglich sind.“
Pivot hat keinen neuen Standard eingeführt, sondern sich einfach bei den 157er Downhillnaben bedient, die schon seit Jahren auf dem Markt sind. Der Name „Super Boost“ ist ironisch zu verstehen und nimmt Boost als Standard aufs Korn.
@Sebastian: Du hast zu einem guten Teil recht, denn PIVOT hat tatsächlich die Nabenbreite von 157 mm von den bereits bestehenden DH-Naben übernommen. Der Trick beim – wie du richtig sagst „ironisch gemeinten Super Boost Plus“ Begriff – ist aber, dass man wie bei Boost auch, die Nabenflansche weiter auseinander gesetzt hat, was den Speichenwinkel erhöht und damit ein steiferes Laufrad erzeugt. Allerdings wird dadurch auch die Kettenlinie noch ein wenig breiter, weshalb man nicht ohne weiteres jede Kurbel-Kombination darauf fahren kann …
Du findest alle dazu gehörigen Details in dem Super Boost Plus Artikel hier oder auch auf der PIVOT Homepage.