KTM Prowler Sonic 12 – Praxiseindrücke von den Eurobike Media Days’18: von MüMü
Vor gut einem Jahr konnten wir euch im Rahmen der Eurobike Media Days das KTM Prowler bereits als Rahmenprototyp vorstellen. Jetzt bot sich uns endlich die Gelegenheit, ein Komplettbike über die Trails rund um Serfaus-Fiss-Ladis zu jagen.
Für alle, die die technischen Fakten des gänzlich neu entwickelten Fullys in der Zwischenzeit vergessen haben, hier noch einmal das Wichtigste zur Erinnerung: Der Vollkarbon-Rahmen generiert am Viergelenker-Hinterbau 150 mm Federweg, die Kinematik basiert dabei auf KTM’s eigener Straight-Line-Link Technologie (kurz SLL). Dabei bleiben Dämpfer und Sitzstreben über den gesamten Federwegsbereich in einer Linie, wodurch ein Verkanten des Dämpfers verhindert werden und das Ansprechverhalten spürbar feinfühliger ausfallen soll.
Mit einem effektiven Sitzwinkel von 76,5°, einem Reach von 461 mm in Größe 19“ (48cm) und 436 mm messende Kettenstreben fällt die Geometrie recht zeitgemäß aus. Lediglich der Lenkwinkel von 67° wirkt für ein Bike mit 150 mm Federweg etwas steil, deutete aber auf die Zielrichtung des Prowler als sehr universelles und nicht unbedingt auf Enduro getrimmtes Bike hin.
Wie es sich für eine Neuentwicklung gehört, verfügt der Rahmen des Prowler über alle gängigen Standards: ein Boots-Hinterbau ist ebenso mit an Bord wie ein Tapered Steuerrohr, eine PM180-Bremsaufnahme hinten, ein Pressfit-Innenlager oder ein Metric-Size-Dämpfer. Innenverlegte Schaltzüge und interne Führungen für Bremsleitung und Dropper-Post-Anlenkung gehören ebenfalls zur Ausstattung des KTM-Carbonbikes. Zudem hat KTM das Prowler konsequent für 1-fach Schaltungen entwickelt, die Montage eines Umwerfers ist nicht möglich.
Die geradlinige Formensprache des Rahmenprototypen hat KTM dabei beinahe 1:1 in die Serie übernommen. Der Rahmen wirkt wenig verschnörkelt, ja beinahe „straight“. Das kantige, fast viereckige Steuerrohr erinnert an einen Stealth-Bomber. Auffällig ist lediglich das kleine Rahmenfenster, das durch die zusätzliche Strebe zwischen oberer Dämpferaufnahme und dem Unterrohr entsteht und für bessere Lastverteilung sorgen soll. Wie schon am Lenkwinkel abzulesen sieht KTM selbst das Prowler dabei nicht als reinrassiges Enduro, sondern vielmehr als Bike für den Abenteurer unter den trail-affinen Bikern. Wer also gerne im (hoch-) alpinen Gelände unterwegs ist und Höhenmeter-intensive, technisch fordernde Touren liebt, der könnte mit dem KTM Prowler einen potenten Partner finden. Und natürlich will das KTM Prowler auch auf ganz normalen Trails viel Spaß machen.
Unser Testmodell mit dem leicht kryptischen Namen Prowler 29 Sonic 12, mit einer SHIMNOA XTR Komplettgruppe, stellt dabei das mittlere der drei verfügbaren Carbon-Varianten an und ist ab Herbst für exklusive, aber nicht übertriebene 6.799.- € erhältlich. Das Topmodell Prowler 29 Sonic 12 XX1 kommt auf 6.999.- €. Preislich sehr interessant ist dafür das „Carbon- Einstiegsmodell“ Prowler 29 Master 12 mit SRAM X01 Schaltung, das bereits für 4.999.- € den Besitzer wechselt. Die beiden Modelle Prowler 291 12 und 292 12 stattet KTM mit einem ebenfalls formschönen Alu-Rahmen aus. Je nach Ausstattung kommen sie auf 3.299.- bzw. 2.999.- €.
Interessanterweise wird das Modell XX1 nur in zwei Rahmengrößen (17“/43cm und 19“/48cm) angeboten, alle anderen Carbon- und Aluminiumvarianten aber in den drei Größen 17“/43cm, 19“/48cm sowie 21“/53cm.Ein Rahmenset wird es dagegen weder in Carbon noch in Aluminium geben.
Die Ausstattung unseres Prowler 29 Sonic 12 kann sich dabei durchaus sehen lassen. An der Front werkelt eine FOX Float 36 Factory Gabel mit Kashima-Beschichtung und FIT4 Dämpfungstechnologie. Sie wird am Heck von einem FOX Float DPS Factory Dämpfer, auch hier mit reibungsoptimierter Kashima-Gleitfläche, ergänzt. Ebenfalls aus dem Hause FOX stammt die verbaute Dropper Post, eine Transfer Factory mit 150mm Absenkung.
Schaltung und Bremsanlage ziert der XTR-Schriftzug vom japanischen Komponenten-Giganten SHIMANO. Die Topgruppe wurde ja erst vor kurzem neu aufgelegt und hier bot sich uns bereits die Gelegenheit, sie Probe zu fahren. Einen separaten Artikel dazu werdet ihr in Kürze erwarten dürfen. KTM verbaut die Edelgruppe beim Prowler in der 1×12-Konfiguration, kombiniert dabei ein 32 Zähne Kettenblatt mit der 10-51 Kassette. Ein minimalistischer ISCG05-Chainguard soll die Kette auch in ruppigem Terrain halten. Entgegen der offiziellen Serienspezifikation war unser Testbike mit der leichten XC-Version der XTR-Bremsanlage ausgestattet, große 180mm Rotoren sollen der 2-Kolben-Bremse aber zu ordentlich Power verhelfen. Das Serienbike wird dann mit der besser zum Einsatzbereich passenden 4-Kolben-XTR-Disc ausgeliefert werden.
Lenker und Vorbau stellt KTM durch seine eigene Trail-Serie zur Verfügung, der 780 mm breite Rizer wird dabei von einem leicht negativ ausgeführten 50mm Länge messendem Vorbau geklemmt. Für mehr Steifigkeit sind beide Teile mit einer 35 mm Klemmung ausgerüstet.
Auch die Alu-Felgen des Laufradsatzes ziert das KTM Trail-Logo, bei genauerem Hinsehen erkennt aber, dass es sich dabei um umgelabelte DT-SWISS-Felgen mit 30mm Maulweite handelt. Die Straightpull-Naben kommen ebenfalls von den Schweizer Spezialisten. Komplettiert werden die Laufräder von SCHWALBEs Hans Dampf mit Addix Soft Compound. ERGON stellt die Kontaktpunkte zwischen Fahrer und Bike in Form von GE10 Griffen und einem SMA30 Sattel.
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Praxiserfahrungen mit dem KTM Prowler Sonic 12
Wie fährt sich das KTM Prowler denn aber nun? Auf der XC-lastigen und leider singletrail-losen offiziellen Media-Days-Testrunde gefiel mir das Testbike vom ersten Meter an durch seine leicht nach vorwärts orientierte, aber dennoch zentrale Sitzposition. Ich habe mich sofort gut ins Bike integriert gefühlt. Das (nachgemessen) geringe Gewicht von lediglich 12,6 kg (ohne Pedale) und die niedrige Bike-Front durch den negativen Vorbau) ergeben eine leicht frontlastige Gewichtsverteilung und lassen das Prowler bergauf sehr kletterfreudig wirken. Das Heck neigt trotz satter 150 mm Federweg kaum zum Wipen und benötigt lediglich im Wiegetritt die zuschaltbare Plattformdämpfung. Ansonsten bleibt es nahezu wippfrei. Der von uns gefahrene Rahmen zeigt sich dabei äußert steif, ein seitliches Ausweichen des Tretlagers etwa konnte ich mit meinen gut 80kg-Nettogewicht nicht hervorrufen. Was die Effizienz-/Tourenprüfung angeht, hat sich das KTM Prowler jedenfalls sehr gut geschlagen. Aber wie würde es sich auf dem Trail machen?
Das alpine Terrain des Murmeltiertrails, ein naturbelassener Steig mit vielen felsig-erdigen Passagen der von der Gipfelstation über Fiss hinunter zum Bikepark führt, war dann schon mehr die richtige Spielwiese für das Prowler. Dank des bereits erwähnten Reaches von 461 mm bietet der Rahmen viel Freiraum zur Gewichtsverlagerung und verleit ihm eine hohe Gutmütigkeit. Die für mich leicht gestreckte Fahrposition und die niedrig bauenden Front mit viel Gewicht auf dem Vorderrad haben dabei auch in sehr steilen Stufen aber nie störend auf mich gewirkt. Durch den tendenziell steileren Lenkwinkel haben schnelle Kurvenkombinationen mit dem KTM-Fully richtig Spass gemacht und erlaubten mir das Carbon-Bike mit Leichtigkeit von links nach rechts zu werfen.
Die beiden FOX-Federelemente boten dabei ein erwartet sahnig-weiches Ansprechverhalten und dämpften sowohl kleine Wellen wie auch größere Felsbrocken souverän ab. Gabel wie Dämpfer arbeiteten dabei sehr homogen, was sich in einem äußerst harmonischen Fahrverhalten widerspiegelte. Die wenigen technischen Sektionen des Murmeltiertrails meisterte das KTM damit spielerisch leicht, ohne wirklich an seine Grenzen zu kommen.
Auf den schnellen Downhill-Passagen und in den künstlichen Anliegern des Bikeparks Fiss zeigte sich das ausgewogene Fahrverhalten des Prowler einmal mehr. Das Vorderrad lag dabei sehr ruhig und zielsicher, Lenkimpulse setzte der steife Rahmen stets und ohne Umschweife 1:1 um. Der FOX-Dämpfer bot dabei stets genügend Gegendruck und sackte nie unnötig ein.Gut zum Konzept des Bikes passte auch SCHWALBEs Hans Dampf Reifen mit seiner Addix Soft Mischung. Er rollte nicht nur verhältnismäßig gut, sondern bot zudem enormen Grip, viel Kurvenhalt und baute auf jedem der gefahrenen Untergründe, die von Schotter, über felsig, bis schmierige wich alles boten.
(Wer bei all den Impressionen die Eindrücke zu den SHIMANO XTR-Teilen vermisst: diese habe ich bewusst nicht in diesen Artikel mit hineingenommen, denn die erste 12-fach Gruppe der Japaner hat sich definitiv eine eigene ausführliche Vorstellung mit ersten Fahreindrücken verdient.)
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Praxiserfahrungen – Zusammenfassung
Auch wenn die beiden kurzen Testrunden kein komplettes Testurteil zulassen, so kann ich bereits jetzt sagen, dass KTM mit dem Prowler Sonic ein richtig großer Wurf gelungen zu sein scheint. Seine Geometrie verleiht dem Bike eine spielerische Wendigkeit bei angenehmer Laufruhe. Die Federung arbeitet feinfühlig und mit ordentlichen Reserven um sowohl den Komfort hoc zu halten und auch in schwerem Gelände viel Sicherheit zu bieten. Bergauf generiert das Bike viel Traktion und benötigt nur im ungestümen Wiegetritt eine zusätzliche Wippunterdrückung. Zusammen mit dem geringen Gesamtgewicht lädt das Prowler so regelrecht dazu ein Höhenmeter zu sammeln und neue Trails zu entdecken. Die verbauten Komponenten der neuen SHIMANO XTR-Gruppe funktionierten dabei auf absoluten Toppniveau (Details dazu in einem separaten Artikel). Die Kombination aus 32er Kettenblatt und 10-51 Kassette ist für den Einsatzbereich stimmig gewählt.
Abenteuerlistige Trailfahrer sollten meiner Meinung nach durchaus einmal einen genauen Blick auf das österreichische Fully werfen, denn es kombiniert die Kletterfreudigkeit und Vielseitigkeit eines Tourenbikes mit der Downhill-Performance eines potenten All-Mountains zu einem sehr interessanten Gesamtpaket – kein spezilaisiertes Race Enduro, sondern eine echte Allroundwaffe. Dass der formschöne Carbon-Rahmen mit Modelljahr 2019 durch ein günstigeres, aber nicht weniger gelungenes Alu-Pendant ergänzt wird, dürfte das Kundenfeld zusätzlich erweitern. Dank der verschiedenen Ausstattungsoptionen dürfte also für jeden Geldbeutel etwas Passendes dabei sein.
MiMü