ROCKY MOUNTAIN Altitude Powerplay C70 – E-Bike One-Ride Eindrücke: von c_g

Mit 27,5+ Laufräder und als E-Bike ist das ROCKY MOUNTAIN Powerplay C70 eigentlich kein klassisches TNI-Testbike. Aber die spezielle Geometrie und der exklusive Powerplay Antrieb waren für ich Grund genug für diesen One-Ride-Test in Sölden

Ganz ehrlich, ich bin keine Experte in Sachen E-Bikes, aber ich stehe dem Thema offen gegenüber und wenn sich mir die Gelegenheit bietet ein interessantes E-BIke zu fahren, dann nutze ich sie gerne. So geschehen in Sölden auf dem Bike Opening Event, als ich ein ROCKY MOUNTAIN Altitude Powerplay C70 am Rocky Stand stehen sah und noch etwas Zeit hatte ehe es wieder nachhause ging. Das Altitude Powerplay steht schon lange auf meiner List der Bikes, die ich gerne mal fahren möchte (auch wenn es kein 29er ist ;-). Warum?

Erstens weil das Altitude Powerplay in seiner Geometrie genau dem nicht-motorisierten Altitudeentspricht und ich mich schon lange frage, ob E-Bikes wirklich die gleiche Geo und das gleiche Handling brauchen – schließlich fährt man damit ganz andere Sachen hoch … ob das Bike mit gerade mal 426 mm Kettenstrebenlänge auch wirklich steile Trailanstiege mitmacht?

Der andere Punkt ist die offene Bewunderung dafür und damit verbundene Neugier, dass ROCKY auf eine komplett eigenständige Motoren- und Steuerungstechnik setzt.  Statt wie nahezu alle anderen Hersteller mit BOSCH, BROSE oder SHIMANO Motoren zu arbeiten, geht das Powerplay Drive ganz eigene Wege. Der Motor bringt zwar auch mit 250 Watt maximaler Nennleistung, aber was mich besonders daran interessiert hat, ist wie er seine Kraft entfaltet und ob die mechanische Steuerung über den Kettenzug auf technischen Trail wirklich sensibler arbeitet, als BOSCH & Co.

Das ROCKY MONTAIN Altitude Powerplay ist eines der jüngste Generation von E-MTBs, die versuchen im Fahrgefühl möglichst nahe am nicht-motorisierten Bike zu bleiben. Um mich auf dem Bike wohl zu fühlen musste ich einen XL Rahmen fahren.

Was die Rahmengröße angeht, bin ich zielstrebig auf den L Rahmen zugesteuert, nur um festzustellen, dass der mir ungewohnt kompakt vorkam. Also habe ich statt dessen das Powerplay in XL gefahren, das mir trotz eines effektiven Oberrohrs von 658 mm sehr gut gepasst hat. Gesagt, getan. Weil das Powerplay mit einem fest im Carbonrahmen (!) integrierten Akkusystem arbeitet konnte dieser nach der vorangegangenen Testfahrt nicht einfach ausgewechselt werden, sondern musste zuerst wieder geladen werden. Zum Glück nutzt ROCKY dafür eine Technologie, bei der Akku sehr schnell auf 80% geladen ist – von komplett leer bis 80% soll es gerade mal 1,5 h sein, und etwa die selbe Zeit für die verbleibenden 20%). Weil ich ohnehin nur begrenzt Zeit hatte und zum Vergleich die gleiche Runde zur Stallwiesalm fahren wollte wie am Vortag (ca. 550 Hm Anstieg mit spannendem Trail hinunter) waren die nach 30 in erreichten 80% ohnehin mehr als ausreichend.

Dieser kleine Schalter, ist das einzige an Bedienelementen, mit den sich der Fahrer auseinandersetzen muss – kein Display, keine Geschwindigkeitsanzeige, kein Computer. Alles andere läuft über die Smartphone-App.

Mit drei Unterstützungsstufen (die sich per Smartphone-App noch zusätzlich justieren lassen) hat man die Wahl seine Runde so sportlich zu gestalten wie man möchte. Anfangs habe ich mit den unteren Stufen experimentiert, durfte aber schnell lernen, dass – anders als bei den anderen Antrieben – die Steuerung in allen drei Modi gleichermaßen feinfühlig arbeitet. Also habe ich den stärksten Modus (sinnigerweise „Ludicrous“ genannt) eingelegt und bin die Forstrasse „hochgkesselt“. Dabei habe ich mich der Herzfrequenz nach in etwa genauso angestrengt wie am Vortag mit meinem normalen Bike, bin aber bereits nach etwa 1/3 der Zeit am Ziel angekommen. Wei schnell ich genau war, kann ich nicht sagen, denn das Powerplay hat keinerlei Anzeige dafür. An dem kleinen Schalter links lassen sich lediglich der Akkuladestand (anhand von 5 Balken) und die eingelegte Unterstützungsstufe (3 Balken) ablesen. Für jede zusätzliche Information nutzt man die App auf dem Smartphone.

Das Powerplay erfordern in so technischen Uphills eine aktive Fahrweise, macht dann aber aufgrund des sehr feinfühligen Antriebs unglaublich viel Spaß

Oben auf der Stallwiesalm habe ich dann den aberwitzig steilen Trail hoch zur 200 Hm höher gelegenen Kleblalm gesehen und mich gefragt, ob man das auch bergauf fahren kann. Man kann. Ich würde lügen zu sagen, dass ich den mit Felsstufen durchsetzten Trail in einem Zug durchgefahren wäre, aber ich bin ihn hochgekommen ohne zu schieben und hatte dabei einen riesigen Spaß. Zwei Dinge waren dabei besonders auffällig. Zum einen wie sensibel und direkt der Powerplay Drive die Zusatzkraft steuert, und wie viel Spaß es machen kann auch bergauf auf dem Hinterrad zu fahren. Durch die Motorsteuerung per Hebelarm, der den Kettenzug direkt abgreift und sehr schnell an die Motorsteuerung überträgt, kann man selbst technisch höchst anspruchsvolle Stellen unglaublich sicher und natürlich fahren. Ein E-Bike Erlebnis, wie ich es vorher so noch nicht gekannt hatte!

Die dicken und aggressiven Plusreifen, der SRAM EX1 Angie und die Geometrie des Powerplay ergebne eine spezielle Mischung für technische Trails – ganz anders alls alle E-Bikes, die ich bisher gefahren bin.

Der Aspekt des außergewöhnlich kompakten Hinterbaus hat in der Tat dazu geführt, dass das Bike früher vorne leicht wird, als andere E-Bikes, aber die ultrasensible Steuerung, hat dafür gesorgt, dass diese Eigenheit mir eher positiv aufgefallen ist. In der Kombination hat es mir riesig Spaß gemacht das Vorderrad ganz natürlich über die Stufen anzuheben und fast schon im Trialstyle den Trail zu erobern. Wohlgemerkt, für lange, ultrasteile Wege ohne technische Passagen, liegen anderen länger gebaute E-Bikes gelassener auf dem Trail, aber wer es gerne aktiv und verspielt mag, findet hier ein Bike, das derzeit noch seinesgleichen sucht. Apropos Geometrie – die RIDE9 Einstellung habe ich für die kurze Dauer des Test in der mittleren Zentralposition belassen. Wer will, kann damit aber die Geometrie noch flacher und tiefer, oder aufrechter und agiler trimmen.

Die massiven und griffigen MAXXIS Minion DHF Reifen vorne und hinten im 27,5×2,8“ Format haben natürlich kräftig daran mitgewirkt, dass die Traktion scheinbar endlos war.

Bergab über den oft verblockten und sehr steilen Trail war das Einzige, was mich noch an ein E-Bike erinnert hat, die höhere Masse des Bikes. Mit etwa 23 kg schiebt das Bike doch deutlich spürbar nach vorne und erfordert etwas mehr Kraft auf dem Trail, bzw. beim Bremsen. Was das Handling selber angeht, war das Altitude Powerplay aber eine wahre Freude und ließ sich fast schon spielerisch dirigieren. Die verbauten Guide RE Bremsen (letztlich eine Kombination aus Guide Bremshebel und Code Bremssattel) mit großen Rotoren hatten aber nie Probleme damit.

Mit der gleichen Geometrie, wie das RMB Altitude fehlt es auch dem Powerplay weder an Trailtauglichkeit und Sicherheit, noch an Agilität und Verspieltheit.

Etwas ernüchternd fand ich wiederum die Tatsache, dass der Powerplay Drive, wenn man ihn abschaltet und versucht das Bike allein per Muskelkraft zu pedalieren, einen deutlich spürbaren inneren Widerstand hat und der Antritt (ohne Motorunterstützung) etwas indirekt ist, weil man bei jedem Tritt zuerst die Kette gegen den Hebel, der die Unterstützungg steuert, spannt. Auf dem kurzen Weg entlang der Ötztaler Ache zurück zum ROCKY Stand war es kein wirkliches Vergnügen das Bike auf diese Art zu bewegen. Das können andere Antriebe in der Tat besser. Weil der Akku aber fest im Bike integriert ist, kommt man aber ohnehin nie auf die Idee, das Powerplay nicht als unterstütztes E-Bike zu nutzen.

Außerdem sollte man nicht vergessen auch den Preis des ROCKY MOUNTAIN Altitude Powerplays anzusprechen. Durch den Carbonrahmen, den eigenständigen Antrieb, die Integration des Akkus und die hochwertige Ausstattung rangieren die drei derzeit erhältlichen Modelle zwischen 6500.- Euro (Altitude Powerplay C50) und 10.00.- Euro (Altitude Powerplay C90), also klar in der Premium-Klasse. Das hier gefahrene  C70 hat einen empfohlenen VK von 7500.- Euro.

Nach diesem Minitest bin ich umso gespannter, wohin sich der E.MTB Markt entwickelt. Als Spaßgerät legt das RMB Altitude Powerplay schon mal eine sehr hohe Messlatte.

Zusammenfassung: Wie gesagt, die hier beschriebenen 1,5 h auf dem ROCKY MOUNTAIN Altitude Powerplay C70 sind letztlich nicht viel mehr als eine kleine, unvollständige Momentaufnahme, bestenfalls ein erster Eindruck, aber für mich war es dennoch sehr interessant und aufschlussreich das Bike einmal kurz zu fahren. Auf der kurzen Testrunde habe ich den POWERPLAY Drive als eine der sensibelsten Antriebe überhaupt erlebt, der gerade in technischen Passagen ein außergewöhnlich natürliches Fahrgefühl vermittelt. Entgegen meiner Erwartungen hat mir die verspielt, kompakte Geometrie des Bikes  nicht nur bergab und auf dem Trail richtig Spaß gemacht sondern auch in sehr steilen Anstiegen. Hier muss man zwar etwas aktiver auf dem Bike sitzen und sich den Trail aktiv erarbeiten, hat dafür aber ein so intuitives und selbstverständliches Fahrgefühl, wie ich es von E-MTBs sonst noch nicht gekannt habe.

RIDE ON,
c_g