BOLD CYCLES Unplugged (Prototyp) – BIKE Festival Riva’18: von c_g
Jeder regelmäßige Leser hier auf TNI wird wohl mit dem Schweizer Hersteller BOLD CYCLES vertraut sein – schließlich hatten wir das Privileg deren Linkin Trail LT (links abgebildet) die gesamte Saison 2018 als Testplattform zu nutzen. Pünktlich zum Saisonstart wurde nun erstmals am Sea Otter Classic ’18 das brandneue „Unplugged“ in einem weit fortgeschrittenen Prototypen-Stadium vorgestellt. Anfang 2015 hat die soeben erst gegründete Marke BOLD das Linkin Trail Classic präsentiert, ein innovatives Fully, bei dem der Dämpfer in das Sitzrohr integriert wurde und nebenbei auch eines der ersten Bikes, das von Grund auf sowohl als 29er wie auch als 27,5+ Bike vorgesehen waren. In 2016 kam dann das Link Trail LT (für „Long Travel“), bei dem man bei gleichem Hauptrahmen den Federweg etwas vergrößert hat … und jetzt zum Saisonbeginn 2018 folgt das gänzlich „un-eklektrifizierte“ BOLD Unplugged.
Schon auf den ersten Blick ist das Unplugged sofort als ein BOLD wiederzukennen – der im Rahmen versteckte Dämpfer, der sehr niedrig ansetzende Hinterbau und die markanten Luft-/Leitungseinlässe im Steuerrohr – alles typische BOLD Merkmale. Um ehrlich zu sein wirkt das Unplugged nach einem ersten , oberflächlichen Blick kaum verändert gegenüber seinen Vorgänger. doch der Schein trügt, denn sobald man das Bike näher in Augenschein nimmt, fallen einem immer mehr und mehr Details auf, die zeigen, dass man beim Unplugged gegenüber den Linkin Trail Bikes kräftig optimiert hat.
Die offensichtlichste Neuerung am Unplugged ist die deutlich progressivere Geometrie. Sofort fällt einem die deutlich weiter nach vorne ragende Gabel auf und wer die Silhouette des Linkin Trail LT noch vor sich sieht, wird auch sofort sehen, dass das Unplugged in seiner Länge deutlich gewachsen ist. Weil es sich ja noch um einen Prototypen handelt, wollte man uns noch nicht alle Geometriewerte nennen, aber ein paar Daten haben wir doch bekommen. So soll der Lenkwinkel beim Unplugged „bis zu 64°“ flach sein, das Oberrohr bzw. der Reach deutlich länger geworden sein und auch der Sitzwinkel mit nun „über 75°“ auch spürbar steiler sein. Beim zur Verfügung stehenden Federweg ist das Unplugged mit ca. 165 mm am Heck gegenüber dem LT zwar nur um einen Zentimeter angewachsen, bekommt dafür aber an der Front wahlweise eine 170 oder 180 mm Federgabel zur Seite gestellt. Insgesamt wahrlich progressiv-moderne Werte, die das Unplugged schon deutlich in Richtung Race-Enduro einordnen.
Weil man sich bei BOLD aber durchaus bewusst ist, dass nicht jeder ein Racer ist und mit dem Unplugged auch die Masse der weniger auf Race orientierten Fahrer nicht ausgrenzen wollte, hat man im Unplugged gleich zwei neue Technologien integriert, die es dem Fahrer ermöglichen die Geometrie zusätzlich zu tunen und noch besser an die möglichen Laufradformate anzupassen.
An der Front bietet das Unplugged die Möglichkeit den Lenkwinkel recht einfach um ca. 1,5° steiler zu stellen. Die Technologie dazu stammt von NEWMEN, die uns das Prinzip schon auf der Eurobike’16 vorgestellt hatten. Sie beruht darauf, dass man zwei exzentrisch gefertigte Lagerschale nimmt, die den Lenkwinkel festlegen. Dabei ist der Rahmen so ausgelegt, dass die eine Position eine Normalstellung beschreibt und wenn man die beiden Schalen um 180 ° dreht den Lenkwinkel eben um ca. 1,5° steiler stellen kann. Weil die Lagerschalen analog zu integrierten Steuersätzen passgenau in dem Steuerrohr liegen, braucht man zum Umbau kein Spezialwerkzeug. Man muss lediglich den Vorbau und den Steuersatz lockern und den Gabelschaft um ein paar Zentimeter herausziehen um die Platz zum Umdrehen der Schalen zu bekommen. Ein kleiner Stift an den Schalen und mit einer Aussparung im Lagersitz (sieh Bilder oben) hilft bei der Ausrichtung und eliminiert damit die wichtigsten Fehlerquellen anderer Steuersatz-Winkelverstellungen (wie etwa dem aktuell getesteten AngleSet).
(Anmerkung: Durch das „Anstellen“ der Gabel wird der Lenkwinkel am Bike effektiv nicht genau um 1,5° steiler, weil die effektive Gabellänge bei einem steileren Winkel auch wächst. Dadurch wird auch die übrige Geo – insbesondere der Sitz-Winkel und die Tretlagerhöhe ein wenig verändert, diese Auswirkung liegen nach Aussagen von BOLD aber in einem kaum mehr spürbaren und damit nicht wirklich relevanten Bereich.)
Aber auch am Heck hat BOLD sich etwas einfallen lassen und eine findige Technologie umgesetzt. Während die meisten Hersteller eine eventuelle Geometrieanpassung in den Bereich der Umlenkung setzen befinden sich diese beim Unplugged im hinteren Drehpunkt des Viergelenkes-Hinterbaus. Durch unterschiedliche exzentrische Lagereinsätze kann man so recht einfach nicht nur die effektive Kettenstrebenlänge um immerhin 11 mm (427 und 438 mm)verändern, sondern auch die Tretlager höhe. Je länger die Kettenstreben werden, desto höher wandert auch das Tretlager. Die Verstellung erlaubt es deswegen sowohl das Handling des Bikes zu beeinflussen, aber auch um die bestehende Geometrie für die unterschiedlichen Laufradformate zu optimieren. Nach Aussage von BOLD ist das Unplugged damit in der Lage mit einer Fülle von Laufradformaten gefahren zu werden, ohne dass man dabei Kompromisse bei der Geometrie eingehen muss. Aufgrund der großzügigen Reifenfreiheit, die beim Unplugged nochmal angewachsen ist, reicht das Spektrum der realisierbaren Reifenformate von 27,5×2,5 über die bekannten Plusformaten (bis 3,0“) bis hin zu großvolumigen 29ern (bis 2,6“) … das mit nahezu der gleichen Tretlagerhöhe und immer einer passenden Hinterbaulänge.
Soweit zu den plakativeren Features, aber das neue BOLD Unplugged hat noch viel mehr zu bieten. Da wäre einmal die Tatsache, dass man beim Unplugged nicht nur die speziellen DT-SWISS Dämpfer verbauen kann, sondern d Raum auch die Dämpfer der meisten Hersteller. ROCK SHOX (wie hier verbaut), FOX oder doch lieber der durchaus fähige DT Dämpfer? Ab sofort hat der Kunde die freie Wahl. In dem Zuge hat man auch gleich den Zugang zum weiterhin im inneren versteckten Dämpfer optimiert. So wurde die Carbon-Abdeckung nicht nur vergrößert, sondern auch in deren Bedienung erheblich vereinfacht. Die Funktion der beiden Inbusschrauben zu Sicherung der Klappe wie beim Linkin Trail, übernimmt nun eine auch von Hand gut bedienbare Schraube am Tretlager sowie zwei ultrastarke in den Rahmen einlaminierte Magnete am Unterrohr. Indem die Klappe nun am geschraubten Ende geschlitzt ist, muss die Schraubfixierung nur mehr gelockert werden und schon läst sich die Klappe abnehmen. Denkbar einfach und so simpel.
Was aufgrund des integrierten Dämpfers geblieben ist, ist dass man auch beim unplugged auf eine Remote-Ansteuerung des Dämpfers angewiesen ist. Mit dem neuen ROCK SHOX TwistLoc gibt es aber eine ganz besonders ergonomische und aufgeräumte Lösung dafür.
Um die Rahmensteifigkeit und Haltbarkeit weiter zu erhöhen, wurde außerdem die Hauptlagerung am Sitzrohr vergrößert (jetzt eine 30 mm Achse), die Versteifungsbrücke am oberen Ende der Sitzstreben verstärkt und der gefräste Umlenkhebel in seiner Formgebung überarbeitet. Alles in allem soll der Rahmen durch diese Optimierungen noch steifer und robuster geworden sein, ohne an Gewicht zugelegt zu haben. Zusätzliche Detailverbesserungen sind der aus einem Teil gefertigte Schlagschutz, der nun auch den Kontaktbereich zu den Reifen mit abdeckt und eine Finne unter der rechten Kettenstrebe, welche die den Rahmen noch besser vor Kettenklemmern schützen soll.
Als zusätzliche Besonderheit war einer der Unplugged Prototypen noch mit einer, neuen integrierten Dropper-Stütze ausgestattet, die mit KS (KIND SHOCK) zusammen entwickelt worden war. Dabei wird die Sattelstützklemmung durch eine ins Sitzrohr eingesteckte Führung ersetzt. Die hier unten liegende Luftfeder wird über eine Schraube direkt im Sitzrohr fixiert. Mit einem Hub von 150 mm in den Rahmengrößen M und L (125 bei S) wäre das System bereits recht vielversprechend, aber weil das System in seiner aktuellen Form nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Sattelhöhenverstellung bietet (durch Kürzen des Rohres und über in sehr begrenztem Raum auch über den geklemmten Stützenkopf), ist es derzeit mehr eine Zusatzoption als fester Bestandteil des Rahmenkonzeptes. Jeder Unplugged Rahmen kann genauso auch mit herkömmlichen Dropper-Stützen aufgebaut und gefahren werden.
Das Unplugged soll bereits dieses Jahr in diversen Komplettbike-Versionen und als Rahmenkit für den Kunden verfügbar sein und dabei zwar etwas teuerer werden, als die Linkin Trail-Modelle, aber auf keine Fall die 4k-Schallmauer für den Rahmenkot überschreiten. Weil das Unplugged doch ein großer Schritt in Richtung Enduro ist und die Linkin Trail Bikes sich weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, wird das Unplugged auch keines der bestehenden Modelle ersetzen. Beide Linkin Trail Modelle wird es auch weiterhin unverändert geben. Leider hatten wir im Rahmen des BIKE Festivals in Riva keine Gelegenheit das wahrlich spannende BOLD Unplugged selber zu fahren, aber BOLD hat uns Hoffnung gemacht, bereits zu den Eurobike Media Days im Juli diesen Jahres erste fahrbereite Serienmuster zum Testen mitzubringen.
RIDE ON,
c_g