YETI SB 4.5 – Erste Eindrücke: von c_g
Manche Testes brauchen ein wenig bis sie so richtig Fahrt aufnehmen. Im Falle des hier vorgestellten YETI SB4.5 war es zuerst der Wintereinbruch unmittelbar nach Auslieferung des Testbikes und gleich danach die Grippewelle, die mich erst mit Verspätung so richtig haben loslegen lassen. Doch das ist jetzt vorbei, die Trails sind zwar noch sehr weich und meine sportliche Belastbarkeit lässt auch noch etwas zu wünschen übrig, aber für die ersten Eindrücke reicht es.
Wer über 8000.- Euro für ein Bike hinlegt, darf zu Recht hohe Erwartungen haben und ich kann sagen, dass das SB4.5 mich bisher nicht enttäuscht hat. Was seine Sitzposition angeht, ist das YETI Trailbike schon mal vollkommen unauffällig und zugleich perfekt ausgewogen. Man nimmt schön mittig auf (oder „in“) dem Bike Platz und fühlt sich sofort wie zuhause. Die Gewichtsverteilung ist gut ausbalanciert und passte genau, zu einem guten, vielseitigen Trailbike, wie es das SB4.5 sein will.
Die Lenkung ist angenehm agil ohne je nervös zu wirken. Anfangs hatte ich meine Zweifel, ob das SB4.5 mit dem 67,4° Lenkwinkel nicht ein wenig zu agil werden könnte, aber diese Bedenken waren bereits nach der ersten Ausfahrt verflogen. Das YETI gehört einfach zu dieser unauffällig ausgereiften Art von Bike, über die man schon sehr bald gar nicht mehr nachdenkt. Es braucht scheinbar keine Eingewöhnung und wird fast augenblicklich zur direkten Verlängerung das Fahrers. Es wirkt einfach nur … ja „natürlich“ ist das beste Wort, das mir dazu einfällt. Offensichtlich weiß man bei YETI genau was man von einem Trailbike erwartet und hat auch die Erfahrung und das Feingefühl das auch in der passenden Bike-Geometrie umzusetzen.
Zugegeben, die derzeit noch sehr schmierig-weichen Bedingungen haben noch keine allzu aggressive Fahrweise zugelassen, aber auch bei derartigen Bedingungen zeigt sich ganz schnell, wie wohl und wie sicher man sich auf einem Bike fühlt. Und diesbezüglich kann ich bisher nichts Negatives zum SB4.5 sagen. Das Bike erfüllt genau das angekündigte Anwenderprofil mit einem Fokus auf Vielseitigkeit und Vortrieb ohne dabei in technischeren Passagen zu schnell an seine Grenzen zu kommen.
Der sehr leichte Carbonrahmen aus der Turquoise-Serie ist zwar nicht der allersteifste, gehört mit seiner sehr ordentlichen Torsionssteifigkeit im Vergleich aber trotzdem ins obere Drittel. Wer mich kennt, weiß, dass ich ohnehin kein Freund maximaler Steifigkeit bin. Genau wie beim Reifendruck kann das richtige Maß an Rahmen-Flex sehr wohl dafür sorgen ein Bike noch komfortabler und gutmütiger zu machen, ohne, dass es deswegen an Präzision und Effizienz verliert. In diese Riege der „genau das richtige Maß an Flex“ würde ich das SB4.5 auch einordnen – nicht zu wenig, aber definitiv auch nicht zufiel.
Gekoppelt mit dem niedrigen Gesamtgewicht von gerade mal 12,2 kg ergibt das ein Bike, das bereitwillig und schnell beschleunigt und auch bergauf flott vorangeht. Anfang, im Schnee, bin ich das Heck mit seiner Switch Infinity Link Kinematik mit ca. 30% SAG gefahren, was sich auf den langsam frei werdenden Trails aber schnell als etwas zu aktiv und komfortbetobt erwiesen hat. Bei einem leicht erhöhten Druck und effektiv 25% SAG bietet mir das Heck jetzt aber genau den Kompromiss aus Komfort und Effizienz, den ich bevorzuge.
Wie es sich für eine wirklich gute Kinematik gehört, arbeitet auch die Switch Link Kinematik am Anfang sehr sensibel, hat im mittleren Federwegsbereich ordentlich Feedback und Traktion und bietet gegen Ende des Federwegs eine effektive Progression. Meinen bisherigen Erfahrungen nach gibt es überhaupt nichts an der Fahrperformance dem YETI eigenen Federungssystem auszusetzen – es gehört zu den besseren seiner Zunft und funktioniert erstklassig. Deutliche Unterschiede zu anderen, ausgereiften Systemen konnte ich am SB4.5 aber bisher auch noch nicht feststellen. Der mit gerade mal 114 mm eher magere Federweg macht es dem System natürlich auch nicht leicht eventuelle Besonderheiten aufzuzeigen. Wenn die Trails aber wieder etwas abtrocknen und eine forschere Fahrweise erlauben, erwarte ich mir hierzu noch weiterer Erkenntnisse.
Mit der Federwegs-Differenz zwischen Heck und Front von immerhin 26 mm (140 mm vorne und 114 mm am Heck) spürt man wie das Heck schneller progressiv wird und gerade über gröbere Wurzeln nicht ganz so komfortabel arbeitet wie die Float 34 EVOL Gabel. Obwohl der Federwegsunterschied spürbar ist, empfand ich ihn bisher aber keineswegs als störend, sondern eher als Vorteil. An der Front bringt der größere Hub zusätzliche Reserven und Komfort und am Heck sorgt der etwas kürzere Federweg für eine bessere Effizienz, einen direkteren Antritt und weniger Abtauchen in steilen Anstiegen. Alles Aspekte, die für mich durchaus für eine „ungleiche“ Federwegsverteilung sprechen.
Generell ist das SB4.5 ein Bike, das ausgesprochen gut und gerne klettert. Angesichts des doch eher konservativen effektiven Sitzwinkels von 73,3° hatte ich damit gerechnet, dass es gerade in steilen Stücken doch etwas mehr Gewichtsverlagerung einfordern würde. Statt dessen zieht das YETI selbst steilste Anstiege auffallend gelassen hoch und verblüfft mich immer wieder mit seinem tollen Vortrieb. Bedingt durch die durchaus effiziente Heckfederung und den ohnehin nicht zu üppigen Federweg musste ich bisher noch nie die 3-stufige Plattformdämpfung des Float DPS EVOL Dämpfers einlegen und bin selbst längerer Forststraßenanstiege flott hochgekommen.
Die übrige Ausstattung ist erwartungsgemäß funktionell. Die SRAM X01/GX Eagle 1×12 Schaltung ist eine wahre Freude in Sachen Bandbreite und Schaltperformance. Die FOX Float Factory Federelemente funktioniert bisher ebenfalls tadellos. Die MAXXIS Ardent Reifen (vorne 2.4“ und hinten 2.25“) sind bei den aktuellen Bedingungen natürlich schnell überfordert, insbesondere, was die Kurvenführung angeht, würden aber bei weniger fordernden Verhältnissen sehr gut zum Bike passen. Je nachdem wie sich die Verhältnisse verändern, werde ich alternativ einen anderen Satz Reifen aufziehen. Etwas ungewöhnlich finde ich, dass YETI an einem derartigen Bike eine Bremsanlage mit 160 mm Scheibe am Heck und eine Dropper-Stütze mit nur 125 mm Hub spezifiziert. In der Praxis waren beide Dinge bisher aber vollkommen problemlos. Im zweiten Testteil werde ich wohl das Cockpit noch ein wenig flacher stellen, denn mit dem 20 mm Riser wirkt es für mich mitunter etwas zu hoch. Aufgrund des langen Gabelschafts und der vielen Spacer über und unter dem Vorbau ist das aber kein Thema und schnell angepasst.
Zusammenfassung: YETI ist eine echte Kultmarke, und das SB4.5 ist ganz sicher ein Bike, mit dem man neugierige Blicke auf sich zieht. Aber statt mit einer „kantigen Persönlichkeit“ oder ungewöhnlichen Geometrie aufzuwarten, hat sich das SB4.5 von einer sehr universellen Seite gezeigt – ein rundum gelungenes und ausgereiftes 29er Trailbike, auf dem man sich sofort wohl fühlt. Weder die eigene Switch Infinity Link Kinematik, noch der edle Turqoise-Carbonrahmen haben bisher irgendwelche Schwächen gezeigt. Funktionell und seiner Fahrperformance nach spielt das YETI SB4.5 damit in der absoluten Oberliga, lässt sich dies aber auch teuer bezahlen. Ich bin schon sehr gespannt, welche Feinheiten des Bikes der weitere Test noch aufzeigen wird.
RIDE ON,
c_g