CANFIELD BROTHERS Riot – Kurztest-Zusammenfassung: von c_g
Ich hoffe ihr seid alle gut ins NEUE JAHR gestartet – wir hier sind es :-). Gerade wenn der Frühwinter so trist und grau ist, wie dieser – zumindest bei mir – und man eigentlich wenig Lust hat auf die Trails zu gehen, hilft es ungemein wenn man ein spannendes Bike wie das CANFIELD BROTHERS Riot zufahren hat … besonders wenn man es nur bis zum Jahreswechsel und mit kürzer als normal zur Verfügung hat. In den gut zwei Wochen seit dem Testintro bin ich fast jeden Tag damit unterwegs gewesen um trotz der kurzen Testphase ein möglichst komplettes Bild davon zu bekommen … und ich denke das ist mir gelungen.
Wer sich erinnert, das CANFIELD BROTHERS Riot ist ein 29er Fully mit einer außergewöhnlichen Geometrie. Unglaubliche 411 mm (!!) messen die Kettenstreben an unserem Testbike in der Rahmengröße Large. Und auch der Hauptrahmen fällt eher kompakt aus mit einer effektiven Oberrohrlänge von nur 599 mm. Wie fährt sich nun so ein kompakt bauendes Bike? Kann man damit überhaupt steil bergauf fahren? Und wie steht es mit der von CANFIELD eigen entwickelten die „Canfield Balance Formula Kinematik“ (oder kurz: CBF-Kinematik)? Taugt die was?
Sitzposition & Set-Up: Wie anhand der Zahlen und des kurzen 45 mm Vorbaus nicht anders zu erwarten, sitze ich für meine normalen Proportionen und 1,83 cm Körpergröße recht kompakt auf dem Bike. Besonders im Kontrast zu den vorher gefahrenen, sehr langen Bikes, war der Umstieg aber nur auf der ersten Ausfahrt wirklich zu spüren. Doch wie sich schnell herausgestellt hat, hat eine so kompakte Bauweise auch Vorteile: Massig Bewegungsfreiheit auf dem Bike, die man vor allem in schwierigem Gelände gut nutzen kann. Durch den steilen Sitzwinkel fällt die Gewichtsverteilung sehr zentral aus.
Das Einstellen der Federelemente ist ebenfalls wenig dramatisch. Wer mit der separaten High- und Low-Speed-Druckstufe der RC2 Kartusche an der FOX Float 36 RC2 zurecht kommt, findet sehr schnell ein ordentliches Grund-Setup. Ähnlich bei dem CANE CREEK DB Air CS Dämpfer, für den CANFIELD bereits einen Base Tune vorschlägt. Mit vorne und hinten 25% Sag (wie von CANFIELD vorgeschlagen) ging es dann auf die allererste kurze Ausfahrt (um die Fotos für das Intro zu machen).
Und tatsächlich: Um die wirklich steilen Trailanstiege hoch zu kommen, erfordert das Riot schon etwas mehr Gewichtsverlagerung nach vorne als die meisten anderen 29er. Angesichts des extrem kurzen Hecks fällt der Unterschied aber bei weitem nicht so deutlich aus, wie man anhand der Zahlen vielleicht erwarten würde. Wahrscheinlich ist es der steile Sitzwinkel, der den Schwerpunkt so weit nach vorne verlagert, aber mit ein wenig aktiver Fahrweise bin ich auch mit dem CANFIELD Riot überall ordentlich hoch gekommen. Andererseits sorgt das ultrakurze Heck auch dafür, dass man vor jeder Stufe fast mühelos das Vorderrad anheben kann. Ein kurzer Antritt oder aktives Strecken der Arme und schon ist man mit dem Vorderrad über das Hindernis drüber.
Für Fahrer die bergauf gerne im Wiegetritt unterwegs sind, bedeutet das kurze Heck aber auch, dass man immer genug Druck auf das Hinterrad bekommt und somit in allen Lagen eine sagenhaft gute Traktion hat. Mit dem Riot konnte ich auch dann noch sehr feinfühlig im Wiegetritt treten, wenn viele andere Bikes mit längerem Radstand bereits hinten zum Durchdrehen neigen.
–> Während man das NICLAI ION-G13 bergauf als das ultimative „Sitzenbleiben-Bike“ sehen könnte, hätte das CANFIELD Riot den Titel des „idealen Wiegenritt-Bikes“ verdient.
Zu dieser Eigenschaft trägt auch die aus meiner Sicht sehr gelungene und ruhige Heckfederung bei. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen gleichzeitig so antriebsneutralen und dennoch aktiven Hinterbau gefahren bin. Selbst im Wiegetritt neigt das Heck kaum zum Wippen und beim Überfahren größerer Wurzeln spürt man wie wenig sich das Bike dadurch verlangsamt ein Indiz dafür wie wenig sich die Federung auf den Antrieb auswirkt. Selbst das Abtauchen in den mit der immerhin 140 mm üppigen Federweg durch die Schwerpunktverlagerung bergauf fällt recht gering und damit unauffällig aus. Weil das Riot, aber eben doch etwas sensibler auf Schwerpunktverlagerungen reagiert – die Hinterachse liegt einfach etwas näher am oder besser gesagt unter dem Fahrer – habe ich bei besonders steilen Uphills doch gerne die Climb-Switch-Funktion genutzt um das Heck zusätzlich zu stützen.
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Doch wer die Absichten er Entwickler, hinter der Geometrie des CANFIELD BROTHERS Riot im Testintro gelesen hat, weiß, dass die Uphill-Performance lediglich das Mittel zum Zweck ist – das Riot mag es technisch und bergab:
Das Riot will vor allem bergab und in technischen Trails Spaß machen … und das tut es auch!! Schon auf der ersten Abfahrt – einem schnellen Schlangenkurs durch eng stehende Bäume war sofort klar, dass dieses Bike schnelle Richtungswechsel liebt. Der Spieltrieb kommt aber weniger von der Front, die mit einem 67° Lenkwinkel doch eher für Laufruhe und Sicherheit sorgt, sondern vielmehr aus dem Heck und dem damit verbundenen kurzen Radstand. Das Bike reagiert deswegen bereitwillig auf jede Gewichtsverlagerung und wird so unter einem aktiven Fahrer zum wieselflinken 29er. Der nächste Vorteil des kompakten Riot Rahmens: Für Drops und über Wurzelteppiche lässt sich das Riot mühelos aufs Hinterrad ziehen und im Manual fahren. Ganz ähnlich dem kürzlich getesteten KONA Honzo CR Trail – nur, dass man hier zusätzlich satte 140 mm Federweg zur Verfügung hat. Gerade bei langsam gefahrenen Stufen und Drops wo man die Front vieler anderer Bikes (allen voran das NICOLAI ION-G13) nur mit viel Körpereinsatz oben behält, fährt sich das Riot mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Echt klasse! Das Riot bleibt dabei zweifellos noch ein 29er, aber Fahrer, die bisher immer einen Bogen um 29er gemacht hat weil sie nicht verspielt und trickreich genug waren – die dürften durch das Riot zumindest dazu angeregt werden ihre bisherige Haltung zu revidieren (… wenn nicht sogar gleich über Bord zu werfen :-).)
Der Hinterbau und der CANE CREEK Dämpfer wissen aber auch im Groben zu begeistern. Während sich ein derart kompaktes Heck tendenziell direkter fährt und dementsprechend Stöße direkt weitergibt, schafft der Dämpfer es mit seinem für meinen Ansprüche bereits perfekten Base-Tune das Bike nie zu straff wirken zu lassen. Egal ob über schnelle Wurzelteppiche, in Kompressionen oder über größere Drops – der Hinterbau vermittelt stets ein erstklassiges Feedback und gleichzeitig einen hohen Komfort. Antriebsneutral, sensibel und zugleich mit genau der nötigen Progression – der CBF-Kinematik ist aus meiner Sicht wirklich erstklassig!
Zusatzbonus: Flugstunden! Während ich mich selber nicht unbedingt als Luftakrobat und übermäßig sprungaffin empfinde, ist mir beim CANFIELD BROTHERS Riot deutlich aufgefallen, wie selbstverständlich und damit in Folge auch mutiger ich damit auf den Sprüngen meiner Hometrails unterwegs gewesen bin. Wo der kompakte Radstand und das kurze Heck den Absprung vereinfacht (kein Abtauchen der Front bei langsamer Fahrt), hilft der kompakte Hauptrahmen dabei das Bike in der Luft präzise auszurichten und zu dirigieren. Bei der Landung wiederum sorgen die griffigen Reifen, die erstklassigen Federelemente und der steife Rahmen dafür, dass ich auch bei zu viel Übermut nur sehr selten in Schwierigkeiten gekommen bin. Ohne ein Experte in dem beeich zu sein, würde ich mit großer Sicherheit sagen: Wer gerne sprunglastige Trails fährt und dafür ein 29er Fully sucht, findet im CANFIELD BROTHERS Riot einen nahezu idealen Kandidaten dafür!
Selbstverständlich habe ich das Riot in der Testzeit auch auf längere XC-mäßige Ausfahrten mitgenommen … und gelernt, dass es dabei zwar nicht fehl am Platze ist, sich auf Forstrassen aber doch nicht wirklich zuhause fühlt. Das Riot ist für mich ein Musterbeispiel eines Trailbike mit einer Vorliebe für verwinkelte und technische Trails – diese Rolle füllt es wiederum nahezu perfekt aus!
Abschließend noch ein paar Punkte zur Ausstattung des Bikes: Die MAGURA MT7 und die Federelemente gehören ohnehin zu meine Lieblingen für den heftigeren Einsatz. Sie haben mich auch hier nicht enttäuscht. Die MAGURA Vyron Dropper Stütze leidet, wie von Oli in dessen Test angesprochen, etwas unter der zeitlichen Verzögerung des Servomotors und der nicht optimalen Erreichbarkeit des ausschlaggebenden, mittleren Knopfes funktionierte ansonsten aber absolut zuverlässig. Sobald ich mich einmal daran gewöhnt hatte vorausschauender zu fahren, die Dropper Stütze eben nicht erst an der Kante vor der Abfahrt zu betätigen, sondern bereits ein paar Meter davor, war die Vyron für mich einfach nur ein weiteres gut funktionierendes Bauteil am Bike.
Die RACE FACE Turbine R Laufräder sind für ihr Gewicht sehr steif und robust. Obwohl mit dem bereits sehr robusten CONTINENTAL „Der Baron Projekt 2.4“ gefahren, hatte ich diverse Durchschläge, aber nie irgendwelche Dellen oder Defekte an der Felge. Einzig die Naben waren recht schwergängig, was mich auf dem Trail nie gestört hat, sich aber sehr wohl gezeigt hat, wenn man die Laufräder in der Hand dreht.
Auch die CANFIELD AM-/DH-Kurbel blieb vollkommen unauffällig was mich angesichts der Kurbelarmlänge von nur 170 mm schon gewundert hat. Irgendwie hatte ich erwartet, dass die Kurbel in ihrer Ergonomie bzw. Effizienz auffallen würde, aber um ganz ehrlich zu sein, habe ich den Unterschied überhaupt nicht bemerkt. Statt dessen ist das CANFIELD Riot das bisher erste Bike, mit dem ich auf meinen Trail kein einziges mal mit den Pedalen irgendwo aufgesessen bin – wobei hier nicht nur die Kurbelarmlänge, sondern auch das eher hohe Tretlager hineinspielen.
Testfazit: Was bleibt damit noch zu sagen? Das CANFIELD BROTHERS Riot ist für mich ein 29er Trail und All-Mountain-Bike, welches genau das erfüllt, was es verspricht: Fahrspaß und Verspieltheit auf dem Trail. Die Kombination aus einem eher laufruhigen Lenkwinkel, dem ultrakurzen Heck und dem steilen Sitzwinkel als Hauptzutaten erzeugt ein Fahrgefühl, das einerseits super viel Spaß auf dem Trail macht und trotzdem noch viel Sicherheit vermittelt.
Somit schafft das Riot den bemerkenswerten Balanceakt zwischen einem Bike, das intuitiv und willig auf jeden Impuls des Fahrers reagiert und zugleich auch Fahrfehler gutmütig verzeiht. Bergauf gibt sich das Riot trotz der extremen Geometrie noch tourentauglich, vor allem, wenn man gerne im Wiegetritt fährt, ist meinem Empfinden nach aber weniger vielseitiges Tourenbike als spaßorientiertes Trailbike.
RIDE ON,
c_g