VITTORIA Tubular-Test (Peyote Reifen und Race Tubular Laufradsatz) – Praxiserfahrungen & Fazit: von Fomeracer

Ich muss zugeben, zunächst war ich skeptisch ob mir 24 Speichen die nötige Steifigkeit genügen würden um meine 82 kg Fahrergewicht souverän im Renntempo zu führen? Schon der erste Antritt war klar: Es genügt! Auf der Asphaltanfahrt zum ersten Trail besticht das Tubular-System durch eine ausgesprochenen Laufruhe, wunderbar direkte Beschleunigung und vollen Speed. Bei schnellen Abfahrten generiert dieser Laufradsatz vom ersten Moment an ein unglaubliches Vertrauen. Punktgenau wie auf Schienen nimmt man den Speed mit in die Kurve und auch wieder heraus.

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Der VITTORIA Tubular Race Carbon Laufradsatz und die passenden Peyote 29er Tubular Reifen sind eine ganz besondere Kombi – optisch wie auch in ihrer Funktion.

Doch was geschieht wenn es nun ruppiger wird und sich dieser filigrane Laufradsatz mit Spurrinnen, Wurzeln und technischem Geläuf auseinandersetzen muss? Hier erlebe ich zum ersten Mal, was so „ALLES GEHT“, wenn man die Produkte aufeinander abstimmen kann. Der Tubular-Laufradsatz lässt hier absolut keine Fragen offen, wenn es um das Thema Steifigkeit und Spurtreue geht. Ganz im Gegenteil, neben mehr als ausreichender Steifigkeit bietet dieser Laufradsatz nämlich noch ein positives Maß an Eigendämpfung und Flexibilität. Manche Carbonlaufräder sind zwar supersteif, geben aber dadurch die Unebenheiten des Untergrundes ungefiltert an den Fahrer weiter. VITTORIA schafft hier den Kompromiss in Perfektion gerade dieses Restmaß an Komfort, sorgt für zusätzliches Wohlbefinden wenn der Fahrer am Limit ist. Natürlich tragen die Peyote Schlauchreifen auch zu dem sehr positiven Eindruck bei. Hier zeigt sich wie eine optimale Kombination aus Laufradsatz und Schlauchreifen leisten können.

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Die 270TPI Polycotton-Karkasse mit Latex-Innenschlauch ergibt spürbar komfortableres und ruhigeres Fahrverhalten … besser als die besten klassischen Tubeless-Reifen.

Bei den Reifen wäre zunächst die weiche Baumwoll-Mischegwebskarkasse und der Latex-Innenschlauch zu erwähnen. Diese verleihen dem Reifen eine Flexibilität die ihn förmlich am Boden kleben lässt. Hinzu kommt ein eher offenes Profil, das dem Reifen sowohl auf Hardpack wie aber auch auf losem Untergrund eine Top-Funktion einbringt. Lediglich die niedrige Stollenhöhe setzt auf losem Untergund Grenzen. Die weiche Gummimischung, die unglaublich flexible Karkasse und die Tatsache, dass man den Tubularreifen nochmals mit weniger Luftdruck fahren kann als die Tubeless-Version sorgen selbst bei feuchten Bedingungen noch überraschend guten Halt auf Fels und Wurzeln. Gerade auch bei Kletterpassagen über feuchte Wurzeln besticht der Peyote mit weicher Gummimischung und niedrigem Druck mit einem hohen Maß an Haftung. Ich war von diesem Verhalten so sehr angetan, dass ich sukzessive den Druck immer weiter senkte. Bei 1,6 Bar hat ich da mein persönliches Optimum erreicht, darunter wurde das Fahrverhalten für meinen Geschmack undefiniert und immer schwammiger. Damit waren die Geländepassagen eine wahre Freude. Bei Fahrten über Fels und Wurzeln konnte ich nun viel länger und öfter in den Wiegetritt fahren und in vielen Passagen mehr Schwung mitnehmen bzw. zusätzliche Power aufs Pedal bringen. Dies bezahlt man dann aber auf Asphalt oder befestigten Forstwegen – da rollte der Peyote dann spürbar schwerer. Was als auf technischen, verwickelten Kursen im Gelände für viel Sicherheit und Speed sorgte wurde auf Asphalt dann doch wieder zum Nachteil.

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Auch bei er Traktion überraschen die Tubulars – der weichen Gummimischung, der anschmiegsamen Karkasse und auch der niedrigen fahrbaren Luftdrücke sei Dank.

Auf feuchten Untergrund funktioniert der VITTORIA Peyote ausgesprochen gut. Bei matschigen Verhältnissen sorgen die niedrigen Stollen aber dafür, dass er sich nicht mehr verbeißen kann und früh aufschwimmt. Insgesamt würde ich seine Selbstreinigung bzw. seine Tendenz sich zuzusetzen auf das Niveau der gängigen XC-Reifen á la Rocket Ron, Ikon oder Fast Track setzen. Damit wäre der Peyote ein echter Allrounder, den man vom losen Untergrund im Frühjahr, über staubtrockenen Strecken (mit höherem Druck) im Sommer bis hin zu feuchten, wechselhaften Bedingungen im Herbst fahren könnte … wäre da nur nicht der hohe Verschleiß. Wie im Intro bereits angesprochen ist das Test-Duo aus Laufrädern und Reifen kompromisslos auf den Renneinsatz getrimmt und das wie sich bisher bestätigt hat auf höchstem Niveau. Wer den Reifen bereits im Frühjahr aufzieht, wird wahrscheinlich beim ersten Rennen mit abgefahrenem Profil dastehen. Lange Trainingseinheit und Asphaltausfahrten quittiert der Peyote nämlich mit sehr schnellem Stollenabrieb. Hier kann man förmlich zusehen, wie die weiche Gummimischung abnimmt. Bei einem Reifenpreis von knapp 95.- Euro und dem vergleichsweise hohen Montageaufwand der Tubulars (die Felge muss zudem vor dem erneuten Kleben auch wieder von Kleberesten befreit werden) empfiehlt sich diese Kombination dann doch weniger als Dauerläufer, als echtes „Race Only-Produkt“.

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Viel Speed und Grip im XC-Rennen sind die großen Vorzüge der VITTORIA Tubular Kombi.

Die Notlaufeigenschaften wie sei den Tubualrs oft nachgesagt werden, sind bei einem das Tubularsystem allerdings nur mit viel Vorsicht oder besser Rücksichtslosigkeit zu genießen. Es stimmt zwar, dass, wer eine Panne hat, damit noch weiterfahren kann ohne, dass der Reifen von der Felge springt, aber weil man sich damit aller Voraussicht sehr schnell die edle Carbonfelge ruiniert, wird sich jeder nicht-gesponsorte Racer genau überlegen, ob es das wert ist. Die Reparaturmöglichkeiten auf dem Trail beschränken sich auf das Einspritzen eines Dichtmittels oder Pannensprays. Einen kompletten Ersatzreifen wird wohl keiner mitnehmen und unterwegs verkleben wollen.

Ein kleines technishes Problem möchte ich abschließend noch ansprechen: Die etwas hoch bauende original Centerlock-Mutter der VITTRORIA Laufräder sind nicht mit eine FOX 32 Step Cast kompatibel. Sie streifen an der Gabel und müssen durch eine flachere Mutter ersetzt werden.

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Fazit: Ich bin sehr glücklich darüber, die Erfahrung mit einen so hochwertige und performance-orientierten Tubular Reifensystem gemacht zu haben. Der Preis und die Verfügbarkeit solcher Systeme sorgen dafür, dass Praxiserfahrungen und Testberichte hierzu eher selten zu finden sind. Deshalb lasse ich es mir auch nicht nehmen, hier ein ausführliches Fazit zu schreiben. Zunächst hat mich schon das Erscheinungsbild der VITTORIA Laufräder und den Skinwall-Tubular Reifen begeistert – „Retro meets Moderne!“. Auch das positive Fahrverhalten und die hohe Fertigungsqualität haben bewiesen, dass Tubulars auch heute in Zeiten der Tubeless-Reifen und Felgen noch ihre Berechtigung haben und dass VITTORIA in diesem Bereich seine Vorreiterrolle sehr gut ausfüllt.

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Mit den Skiwall Flanken der Reifen erhält jedes bei eine ganz neue Optik – nicht das das SINGLEBE Custom das noch nötig hätte.

Für das Tubular System gilt folgendes zu sagen. Der Installationsaufwand für die geklebten Tubular Reifen liegen etwas höher als tubeless Systeme mit Milch. Klebereste an den Fingern, Reifen und Felgen mach das Ganze etwas „unsauber“ und man muss die Reifen schon sehr präzise aufziehen um eine Unwucht zu vermeiden. Beim Wechseln des Reifens macht das Abziehen und Entfernen der Klebereste dann deutlich mehr Aufwand. Doch der Aufwand lohnt sich: Das Fahrgefühl der flexiblen Baumwollkarkasse und der weichen Gummimischung des VITTORIA Peyote Tubular Reifens ist schon etwas Besonderes. Auch die Möglichkeit nochmals geringere Drücke zu fahren, offenbart einem ein ganz neues Grip-Niveau.

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Ein jeder test geht irgendwann zu Ende, doch zuvor geht es damit noch mal auf eine schnelle Trainingsrunde …

Allerdings erkauft man sich diese Vorzüge im Fall des Peyote 29er Tubulars auch mit einem gut 800 g schweren Reifen + nochmals gut 50 g Reifenkleber. Nach dem Test sehe ich Den Einsatzbereich der VITTORIA Tubular Kombination vor allem im Crosscountry-Racing. Dort nutzen die Fahreigenschaften am meisten. Bei einem Defekt kann man auf Maxalami oder einem Pannenspray hoffen, auf die Notlauffunktion mit Dichtmilch oder das Einziehen eines Schlauches muss man verzichten. Als Dauerläufer oder Trainingskombi ist das System aufgrund des hohen Reifenverschleißes weniger geeignet. Für häufige Reifenwechsel sind der Montageaufwand und auch der Reifenpreis von 94,95 Euro einfach zu hoch. Die Tatsache, dass VITTORIA selbst nur diesen einen Tubular Reifen in 29 Zoll anbietet, unterstreicht, dass es sich hier um ein Nischenprodukt für wirklich ausgewählte Einsätze handelt. Auch Alternativen von andern Reifenhersteller sind eher rar. VITTORIA hat in diesem Test eindrucksvoll gezeigt, was in Sachen Grip, Steifigkeit und Beschleunigung möglich ist, wenn man seine Produkte aufeinander abstimmt und diese kompromisslos auf den Renneinsatz trimmt. Wer schnelles Material für den kompromisslosen Crosscountry-Renneinsatz sucht wird begeistert sein.

Fomeracer