BRAKE FORCE ONE H2O Bremse – Langzeitfazit: von c_g
(hierzu erschienene Artikel: Erstkontakt mit der BFO H2O, Testintro – BFO H2O, Erste Praxiseindrücke, Zwischenstand, Update – nach erstem Defekt)
Manche Testprodukte machen es einem nicht leicht zu einem klaren und fairen Urteil zu kommen. Die BRAKE FORCE ONE H2O ist ein solches Produkt das mich seit dem Testbeginn Dezember’15 im Test beschäftigt.
Es ist wohl absolut gerechtfertigt zu sagen, dass die Disc-Stopper „Made in Germany“ mit ihren Technologien sehr wohl Masstäbe in Sachen Benutzerfreundlichkeit setzt:
Sei es die Flexibilität des hydraulischen Mediums (beinahe jede wasserbasierende Flüssigkeit funktioniert), die wirklich mustergültig einfache Leitungsverlegung und Entlüftung, die leichte Einstellbarkeit von Griffweite und Druckpunkt in dem geschlossenen Bremssystem (ohne Reservoir), die genialen hydraulischen Schnellkopplungen, die um 360° drehbaren Leitungsabgang und natürlich das niedrige Systemgewicht … all das sind Argumente, die für die BFO H2O sprechen.
Jedes Mal wieder, wenn ich die Bremse im Zuge des Tests ummontieren und entlüften musste, habe ich den findigen Konstrukteuren in Gedanken für ihre Ideen gedankt. So gut wie die BFO H2O geht das mit keiner anderen modernen Disc-Bremse!
Allerdings sind all diese Vorzüge hier auch mit einer Besonderheit gekoppelt, die nicht jedem auf Anhieb schmecken dürften. Da ist an erster Stelle das gewöhnungsbedürftige Bremsgefühl mit dem weichen Druckpunkt zu nennen. Hier lenkt man die Bremskraft sowohl über den Druckpunkt, wie auch den Hebelweg – eine Sache, die mich einige Wochen an Eingewöhnung gekostete hat.
Auf normalen und weniger technischen Trails ist das nicht so stark zu spüren und es gibt wohl nur wenige Fahrer, die mit der BFO dort nicht zurecht kommen. Auf echten technischen Trails, wo man auch mit blockierenden Reifen steuert, sich viel am Traktionslimit bewegt und sich auf punktgenaue Bremsungen verlassen muss, ist die Eigenheit dafür stärker zu spüren und nicht immer was ich als optimal bezeichnen würde.
Interessanterweise fehlte es keiner der BFO H2O Testmuster je an absoluter Bremskraft. Mit einem kräftigen Zug am Bremshebel bring man die Räder jederzeit zum Blockieren.
In einem Bereich, den ich als progressive Bremskraft bezeichnen würde, fand ich die BFO H2O allerdings weniger optimal: Was ich damit meine? Wenn man ohnehin mitten in einer starken Dauerbremsung, etwa einer Steilabfahrt steckt und für einen Stoppte an einer Spitzkehre oder einem Hindernis noch mal stärker am Hebel zieht, ist die Bremskraftzunahme dann oft weniger deutlich als bei anderen Bremsen. In solchen Situationen konnte ich den Bremshebel mitunter bis zum Anschlag an den Lenker ziehen ohne, dass die Räder blockierten. Auch mit erneutem Entlüften (das wirklich sehr einfach geht) und viel Herumexperimentieren mit Griffweite und Druckpunkt lies sich diese Eigenheit nie ganz beheben. Natürlich darf man dabei nicht vergessen, dass die Bremse in solchen wirklich steilen Trialpassagen mit meinen 100+ kg Gesamtgewicht (Fahrer + Bike + Gepäck) auch ordentlich was zu leisten hatte. Leichtere Fahrer und solche, die sich eben in weniger technischem Gelände bewegen, dürfte diese Eigenheit kaum stören. Für mich aber war es in ein paar Fällen der Grund manche kurz Passagen doch lieber zu tragen als sie zu fahren.
Andererseits darf ich der BRAKE FORCE ONE H2O auch eine ausgezeichnete Standfestigkeit und Hitzebeständigkeit attestieren. Auch nach wirklich langen Abfahrten mit absichtlichem Dauerbremsen über mehrere hundert Höhenmeter, konnte ich ihr keine echte Veränderung im Druckpunkt oder dem Bremsverhalten anmerken. Meine Zweifel an Wasser als Bremsmedium hat die BFO auf alle Fälle widerlegt und mich ganz klar eines Besseren belehrt. Mein Kompliment für den Mut und die Innovationsbereitschaft an BRAKE FORCE ONE dafür!
Wie schon erwähnt, kam es im Laufe des Tests zu zwei Defekten, die es erforderlich machten, die Bremsen zum Hersteller einzuschicken und es mir erst nach Reparatur bzw. Austausch erlaubten den Test fortzuführen:
- Der erste derartige Defekt im April des Jahres, also nach ca. 3 ½ Monaten, ist in einer Spitzkehre am Gardasee passiert. Er beruhte auf zwei Rückstellmagneten, die sich simultan gelöst hatten – ein Problem, das zum Zeitpunkt de Auftretens in meinem Test bereits behoben wurde und in den Serienbremsen nicht mehr auftauchen kann. Wichtig und unbedingt darauf hinzuweisen ist, dass der Defekt nicht zu einem sicherheitsrelevanten Bremskraftverlust geführt hat, sondern lediglich zu einem nervend dauerbremsenden System (mit dem ich sogar bergab noch treten musste :-)). BFO hat das Problem schnell behoben und uns die modifizierten Testmuster zurückgeschickt.
- Der zweite Defekt, ein Metallspan unbekannter Herkunft, der den Bremskraftverstärker der Hinterradbremse daran gehindert hat sich wieder ordnungsgemäß zurückzuziehen, trat dann bereits ca. 1 Monat später auf. Auch hier war der Effekt eine Bremse die sich nicht mehr öffnen ließ und dauerhaft mit mittlerer Bremskraft gelaufen ist – also wiederum kein Sicherheitsrisiko, aber äußerst nervend wenn man damit noch eine Tour zu Ende fahren muss.
- Daraufhin hat BRAKE FORCE ONE uns einen komplett neuen Satz Bremsen geschickt, der bis jetzt im Dauereinsatz gewesen ist.Diese dritte Bremse läuft nun seither ohne weitere technische Defekte, aber eben auch wieder mit den oben genannten Eigenheiten.
In der Zeit seit dem letzten Austausch ist die BFO H2O Bremse wechselweise mit der MAGURA MT Trail gelaufen und hat mir erneut gezeigt, dass es doch etwas schwierig ist, die BFO H2O parallel zu eine anderen „traditionelleren“ Bremse zu fahren – zu unterschiedlich ist der Druckpunkt und zu unterschiedlich das Dosierverhalten.
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Gesamtfazit: Wie schon oben angesprochen, halte ich die BRAKE FORCE ONE H2o Disc-Stopper für ein echt richtungweisendes und innovatives Produkt. Wer häufiger am Bike schraubt und/oder zwei linke Daumen hat, findet hier viele Technologien, die einem die Montage, Entlüftung und Einstellung sehr einfach machen. Es gibt einige Dinge, an der Bremse, allen voran das einfach zu handhabende hydraulische Medium (hier Wasser) und die hydraulischen Schnellkopplungen, die ich absolut genial finde und mir wünschen würde, dass andere Hersteller sie auch übernehmen würden.
Während mich die Bremse in dem Praxistest auf moderaten Trails wirklich begeistert hat, fand ich sie bei meinem Gewicht in technischen Trails nicht immer optimal. Das gewöhnungsbedürftige Bremsgefühl an sich wäre dabei noch zu verkraften, aber die Problematik, dass ich gerade in den herausforderndsten Situationen nicht immer auf zusätzliche Bremskraft-Reserven zählen konnte, hat mich doch mitunter genervt. Für mein zugegeben hohes Fahrergewicht und gerne auch mal technische Art zu fahren, war die BFO H2O aber nicht ideal. Gerade wo es mir auf wirklich punktgenaues Bremsen ankommt, sind andere aktuelle Bremsen wirklich besser. Leichtere Fahrer und solche die weniger technisch unterwegs sind, dürften diese Eigenarten aber viel weniger spüren und mit der BFO H2O nach etwas Eingewöhnung sehr glücklich werden.
Die wiederholten Defekte haben nie zu einem sicherheitsrelevanten Bremskraftverlust geführt, lediglich zu einer sehr hohen Dauerbremsung, mit der man nicht lange fahren kann und will. Eine der Defektursachen ist bereits vom Hersteller erkannt und bereits beseitigt worden. Der zuletzt über mehrere Monate gefahrene Satz Bremen blieb bis zum Testende ohne Defekte. Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Käufer einer Serienbremse mit Defekten konfrontiert würde – einen schalen Nachgeschmack was die Zuverlässigkeit angeht, hinterlässt der dadurch mehrfach unterbrochene Testverlauf dennoch. Der Service von Seiten BFO war stets sehr gut.
Mit den gesammelten Erfahrungen halte ich die BRAKE FORCE ONE H2O daher am besten für leichtere Fahrer (bis ca. 80 kg) und solche Fahrertypen geeignet, die nicht allzuviel auf wirklich technischen Trails unterwegs sind. Für den klassischen, leichtgewichtigen XC-Piloten und Leichtbauer ist sie auf alle Fälle ein spannendes Tuningteil mit vielen innovativen Technologien.
Wir werden auf alle Fälle unsere Augen offen halten was die findigen Schwaben in Zukunft noch so alles vorstellen werden.
RIDE ON,
c_g
Nabend,
hab die BFO H2O seit gut zwei Wochen an meinem cube c62 race (praktisch im ‚Commuter‘ Modus, Berliner Straßenverkehr, Schwalbe Big One, hohes Tempo & Stop-Go).
Habe zum Vergleich zwei weitere Räder bzw. Bremsen im vgl., Trekkingrad mit XT Stopper und ein 26er MTB mit der Formula RX1.
Ordnen nach Druckpunkt, RX1, Shimano XT, BFO.
Ordnen nach Dosierbarkeit, BFO, XT, RX1
Die BFO ist, bei vergleichbarer Bremskraft, genau das Gegenteil der RX1.
Die Formula Stopper sind vorwiegend digital unterwegs, in drei Betriebsarten – rollen, schleifen, blockieren – Bremskraft dosieren erfordert viel Übung.
Die BFO verhält sich umgekehrt, anfangs greift man ins leere, ist sie aber optimal justiert und eingefahren, fein granuliert dosierbar, am Ende gibt es Blockade.
Die erste Bremse, welche die Scheiben zum ’singen‘ bringt – ich mag das, weniger den Gesang, den Spielraum zwischen ’schleifen‘ und Blockade.
Das alles nur im Stadtmodus, Flachland.
Aber mit reichlich Bremsungen von 30-45km/h zum Stopp.
Was sie dort bietet, ist ein sicherer Bremsvorgang – wenn es die Situation erzwingt, sehr gute Verzögerung OHNE Blockade – sofern man das nicht will.
Einziges Manko bisher, ohne konkav-konvex U-Scheibensatz bekomme ich sie am Hinterrad nicht parallel zur Scheibe montiert, was aber dem Rahmen geschuldet ist.
Extrem positiv ist das offensichtliche ‚Fail-Safe‘ Design, die Bremsbeläge können NUR ohne eingesetztem Laufrad montiert werden, umgekehrt wird man die Beläge auch nie verlieren, solange die Bremsscheibe noch am Rad hängt.
Auch die magnetische Belag Arretierung hat bei mir ein breites Grinsen hervorgerufen, kein lästiges wegbremsen der Federn (das kann auch vor der Belagabnutzung passieren, klingt brutal) mehr.
Ansonsten, leicht und made in G …
Nachtrag:
Die ‚Schieflage‘ wurde durch die Scheibe provoziert !
BFO Scheibe (6-Loch) und nur ‚ungefähr‘ passender Centerlock Adapter.
Ungefähr, weil Fulcrums AFS oversized Centerlock Konzept mit keinem Adapter* vernünftig funktioniert.
Konkret wurde die Scheibe nur ganz innen angepresst und hatte sich in Folge konkav in Richtung Ausfallende ‚verzerrt‘.
Die BFO greift nun schleiffrei und nicht zimperlich in die Scheibe
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Falls jemand einen Adapter kennt, würde ich mich über die Info freuen. Derzeit ist es ein zurecht gedremelter Adapter von Ashima (oversized).