INTENSE Primer 29er – Vorstellung und Testergebnisse: von Grannygear
Als ich erfuhr, dass INTENSE CYCLES nicht nur die Testbikes für das MAGURA Presscamp 2016 stellen würde, sondern dabei auch gleich noch zwei neue Modell vorstellen wollte, war ich wirklich neugierig. Noch besser wurde es, als man mir anbot das 29er der beiden Neuvorstellungen inkognito mit nach Hause zu nehmen und zu fahren. Bisher waren meine Erfahrungen mit den VPP Bikes von INTENSE eher gemischt gewesen. Jedes der Bikes war ein exzellentes Trailbike und top in technischen Downhills gewesen, hatte mich aber auf meinen mitunter zahmen Hometrails und vor allem den oft langen Uphills hier in Südkalifornien nie so recht begeistert. Nun, nach gut 1 ½ Monaten mit dem neuen INTENSE Primer auf diversen Trails, kann ich offen gestehen, dass mich das Bike sehr beeindruckt hat.
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VORSTELLUNG – INTENSE Primer
Das neue INTENSE Primer wird schon recht bald das the Spider 29C ersetzen und ist die dedizierte 29er Trailplattform (nicht Plus-fähig) – während das ebenfalls jüngst vorgestellte INTENSE ACV ja ein speziell auf das Plus-Format angepasstes Bike ist.
Aber was hat sich zwischen dem Spider bzw. Carbone 29er und dem jüngsten 29er der Kalifornier, dem Primer geändert? Nun, einmal wäre da die gegenüber dem Spider 29C modernisierte Geometrie mit flacherem Lenk- und steilerem Sitzwinkel und den kompakteren Hinterbau (mit nur noch 438 mm Kettenstrebenlänge).
Wie bei vielen INTENSE Modellen üblich ist der Federweg am Hinterbau des Primer durch Umsetzen der Dämpferaufhängung zwischen 115 und 130 mm verstellbar – bei unveränderter Geometrie (mehr dazu weiter unten).
Beim Primer wird der Federweg immer mit 140 mm an der Front kombiniert. Zusätzlich sind die Hauptlager alle über von außen abschmierbar.
Weiter konnte Jeff Steber, der Besitzer von INTENSE Cycles, die VPP Kinematik mit dem auslaufenden Patent nun genau nach seinen Vorstellungen optimieren. Was sich hinter dem Marketingbegriff „JS tuned“ verbirgt. Wie bereits mehrfach angesprochen, ist das VPP-System mit seinen sehr kurzen Umlenkhebeln sehr sensibel auf minimalste Änderungen an deren Geometrie … Wie scheinbar fast alle Neuvorstellungen ist auch das INTENSE Primer Boost vorne und hinten.
Ich hatte für deiesn „Inkognito-Test“ die exklusivste Version, das INTENSE Primer 29 Factory Build gestellt bekommen – ein Bike mit allem was man sich an eine Bike an edlen Serienteilen schrauben kann. Dazu zählen DT-SWISS XMC 1200 Carbonlaufräder, einer RACE FACE NEXT SL Carbonkurbel, eine SRAM XX1 Gruppe (in Serie wird eine XX1 Eagle verbaut sein), dazu ein RENTHAL Carbon-Cockpit … alles in allem ein Bike deutlich jenseits von 10.000 Euro. Der Top-Rahmen der Factory Version soll in Medium um 2500 g wiegen, während eine etwas einfacher Vollcarbonversion der anderen Modelle ca. 300 g schwerer sein soll.
Das Primer wird es in 4 Versionen geben mit dem Foundation Build als Basismodell für etwa 4500 Euro – der hier gezeigte Factory Build dagegen deutlich mehr als das Doppelte.
Auf alle Fälle ist das INTENSE Primer ein unglaublich schickes und bis ins letzte Detail durchdachte Bike, sogar einen Umwerfer könnte man montieren. Ich mag die Farbe Orange, und ich mag Grau … als Gesamtpaket ist das INTENSE Primer fast schon perfekt für meinen Geschmack ;-). Mit all den Edelteilen kommt unser Testbike auf gerade mal 11,34 kg – das ist fast schon XC-Bike Niveau. Genial, aber man bezahlt auch einen gewaltigen Preis dafür.
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Praxiserfahrungen – INTENSE Primer
Meine ersten Erfahrungen mit dem Primer durfte ich auf dem Presscamp in Sedona, Arizona sammeln. Die Trails dort sind eine Herausforderung – erst Recht mit einem unbekannten Bike. Am ersten Tag der veranstaltung bin ich noch das INTENSE Carbine 29C gefahren, ein langhubiges All-Mountain-Bike mit 160 vorne und 140 mm am Heck. Ich fand es OK, binin dem einen Tag aber nie wirklich damit warm geworden. Auf dem Pimer am zweiten tag war ich dagegen sofort zuhause. Es war handlicher, schneller zu bescheunigen und vil agiler. Also habe ich mich fast augenblicklich damit wohl gefühlt.
Zuerst hat man mir einen XL Rahmen gegeben und das war mit meinen 1,88 cm OK, fühlte sich aber mit der Zeit doch ein wenig zu lang an. Als ich dann nach einer kurzen Runde doch auf einen Rahmen in Large wechseln konnte, war ich damit zwar eher auf der kompakten Seite, was den Reach angeht, aber insgesamt fühlt sich das Bike so wendiger an. Für die übrige zeit des Presscamps und den Test bin ich deswegen bei dem Large geblieben.
Weil Sedona aber so unterschiedlich zu meinen normalen Trails ist, will ich hier zuerst beschreiben, was mir auf diesen meist felsig-technischen Trails aufgefallen ist:
- Auch wenn das Gelände einem viel abverlangt, fand ich den Federweg von 135 mm hinten und 140 mm vorne in dem Gelände als absolut perfekt. Mit dem Carbine kam ich mir immer „überbewaffnet“ vor aber mit dem Prime, war es einfach super.
- Die „JS tuned“ VPP-Kinematik war zu meiner positiven Überraschung eine echte Freude in den Uphills. Das Bike war sehr direkt unter Pedalzug und hatte auch mit offenem Dämpfer immer genau das richtige Maß an Fahrwerksstabilität und Traktion, das für die hiesigen, oft technischen Trails erforderlich war. Selbst im Wiegetritt hatte ich nur selten den Eindruck Energie durch Wippen zu verlieren.
- Stufen und andere kantige Hindernisse waren kein Problem für die Heckfederung und auch dort wo, andere ins Stracheln kommen, konnte ich ordentlich Speed mitnehmen. Auch beim Bremsen blieb die Federung wunderbar aktiv. Während der gesamten Testzeit habe ich den Dämpfer immer offen gefahren.
- Mit einem effektiven Sitzwinkel von 75° sitzt man stark über dem Tretlager und einer leicht frontlastigen Gewichtsverlagerung behält man viel Druck auf dem Vorderrad und selbst steile und technische Anstiege sind damit nie ein Problem.
- Das geringe Gesamtgewicht hilft dem Bike natürlich, wenn es um Handling und Beschleunigung geht – leichte Bikes machen einfach mehr Spaß!
Zwischenstand: Nach meiner Zeit in Sedona, gab es nichts an dem INTENSE Primer 29er was mir nicht gefallen hätte. Für die technischen Felsentrails von Sedona könnte ich mir kein besseres Bike vorstellen.
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Den zweiten Testabschnitt durfte das Bike auf meinen South California Hometrails verbringen … lange gemäßigte Uphills auf oft losen Doubletracks und viel weniger technische Herausforderungen waren hier die Regel und deswegen die Anforderungen auch recht unterschiedlich.
Nach meinen Wochen mit dem Bike hier in Südkalifornien bin ich weiterhin davon überzeugt, dass das Primer ein geniales Bike ist. Wenn das die neue Generation von 29ern ist, dann dürfen wir uns auf rosige Zeiten für 29er Fans freuen. Doch jetzt zu meinen Erfahrungen hier in Südkalifornien:
Mit Anstiegen, die oft mehrere Stunden dauern und über sandige Forststrassen führen, kommt es vor allem auf die Effizienz und den Vortrieb an. Hier war es das erste Mal, dass mich das INTENSE Primer nicht vollkommen begeistert hat – die ruhige „JS tuned“ VPP Federung und das geringe Gewicht arbeitete zwar sehr schön, fühlt sich aber hier nicht so direkt an wie etwa die DW-Kinematik von PIVOT oder das FSR von SPECIALIZED. Hier habe ich zum ersten Mal die Notwendigkeit gefunden, den Dämpfer und die Gabel im Trail Modus zu fahren.
Auch auf den langen Ausfahrten zuhause hat mit die Rahmengröße Large sehr gut gefallen. Durch den recht großzügigen Reach von 453 mm und den steilen Sitzwinkel von effektiv 75° ist das Bike ohnehin recht Rahmen. Dazu kommt der mit 70 mm eher lange Vorbau und der gerade Lenker und damit fährt sich das Bike ziemlich genau so wie manche XL Rahmen anderer Hersteller. Genau richtig für meine Proportionen.
Eine Thema muss ich noch ansprechen – der steile Sitzwinkel. Für Fahrer, die großen Wert darauf legen in der genau richtigen Position gegenüber dem Tretlager zu fahren (sofern man diesen regeln Glauben schenkt), ist der steile Sitzwinkel ein Problem weil die meisten Dropper Stützen zu wenig Setback haben. In Sedona fand ich die Geometrie absolut genial, hier in SoCal fehlte es mir mitunter an Effizienz in der Sitzposition. Mit einem Lot von der Sattelnase liegt die Position deutlich weiter vorne wie meine anderen Bikes. Allerdings geht es eben bei Mountainbikes nicht allein um die maximale Effizienz, sondern eben auch um das Trailhandling und da wird jede Geometrie irgendwo ein Kompromiss sein. Allerdings darf ich auch aufrichtig sagen, dass der Kompromiss hier sehr klein ist.
Noch ein paar Worte zu dem verstellbaren Federweg des INTENSE Primer. Durch Umsetzen der Dämpferaufnahme kann man zwischen 135 und 115mm wählen. Aufgrund der unterschiedlichen Anlenkung ist es ratsam den Dämpfer nach dem Umsetzen neu abzustimmen, damit sich das Bike nicht übermäßig straff anfühlt. Ich habe es kurz im 115 mm Modus gefahren und eigentlich nie das Gefühl gehabt dadurch viel zu gewinnen – weder an Effizienz noch an Vortrieb. Dafür waren die Einbußen im Komfort und Traktion sehr wohl spürbar. Letztlich empfand ich das Primer im 115-mm-Setting sehr ähnlich dem Bike im 135-mm-Setting im Traction Mode. Warum als überhaupt die 115 mm Variante fahren, war die Frage, die ich mir bis zum Ende nie wirklich habe beantworten können.
Zusammenfassung: Es mag zum Teil an dem exorbitant teuren und leichten Aufbau des Bikes liegen, dass das INTENSE Primer ein so geniales Bikes ist. Aber selbst mit 1 oder 1,5 kg mehr Speck auf den Rippen durch weniger leichte Komponenten wäre das Primer ein extrem gutes Bike. Es ist ein Trailbike, das mit seiner modernen Geometrie, der erstklassigen Federung und dem wunderschönen Rahmen jeden glücklich macht, der nach einem echten Allround-Bike sucht.
Wenn man ein Testbike neu hat, denkt man ständig darüber nach, analysiert fast jede Situation und jede Minute auf dem Trail und findet den Großteil der Eigenschaften eines Bikes heraus. Aber nach einiger Zeit auf dem Bike beginnt man das hinter sich zu lassen, das Bike einfach nur als Bike zu erleben und dann erst merkt man wie sehr man das Bike wirklich mag, wie sehr es einem wirklich liegt. Während das INTENSE Primer mir von vornherein sehr gut gefallen hat, waren es diese letzten Wochen in denen es mich wirklich inspiriert hat. Mit jeder Fahrt auf meinen Hometrails habe ich gelernt, die sehr wenigen Kompromisse bereitwillig zu akzeptieren und dafür die unzähligen Qualitäten des Bikes umso mehr zu genießen. Wenn es nach mir geht, gehört das INTENSE Primer damit zu einem der besten Trailbikes, die wir hier auf TNI getestet haben. Ein Bike zum Verlieben.
Grannygear