NEWS: Das PIVOT Switchblade 29er Enduro: von c_g
Wenn Chris Cocalis und sein Team von PIVOT CYCLES ganze 5 Jahre brauchen bis ein Bike endlich seine Debüt feiern darf, kann das entweder bedeuten, dass man es langsam hat angehen lassen, oder dass es für einen Perfektionisten wie Chris immer etwas gab, was ihn daran gehindert hat das Projekt als „wirklich fertig“ anzusehen.
Mit dem neuen 29er/Plus Enduro Switchblade war es definitiv der letztgenannte Fall und wie wir gleich sehen werden, brauchte es einiges an Kreativität um das „perfekte 29er“ zu schaffen wie es Cocalis sagen würde.
Optisch bleibt das Switchblade ein echtes PIVOT, mit wunderschön geformtem Vollcarbonrahmen (aufwendig mit einem EPS Kern gefertigt – PIVOT nennt es „Hollow Core, high compression molding“) und der bewährten DW-Link Kinematik am einteiligen Hinterbau, nur hier mit dem großen gegabelten Yoke eher angelehnt an das DH-Bike Phoenix.
Wenn der Hinterbau die gleichen Qualitäten hat, wie ich sie bereits beim Mach 429 Carbon und Mach 429 Trail Carbon habe erfahren können, dann handelt es sich um ein wirklich heißes Bike mit toller Federungsperformance.
Während das letztjährig vorgestellte Mach 429 Trail Carbon eher spartanisch mit 117 mm ausgekommen ist, darf sich das Switchblade mit voll All-Mountan- und Enduro-würdigen 135 mm Federweg am Heck brüsten. Vorne können Gabeln von 150 bis 160 mm gefahren werden.
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29er und Plus-Bike – der kleine Unterschied
Auch das mit Boost versehene Mach 429 Trail konnte bereits mit B+ Reifen bis 2,8“ Breite bestückt werden, doch das Switchblade geht das Thema Vielseitigkeit noch einen Schritt weiter, denn es wurde grundsätzlich für beide Laufradformate hin entwickelt – 29er und B+.
Durch die spezifische Konstruktion (mehr dazu weiter unten) fasst der Hinterbau sowohl 29er Reifen bis 2,5“, wie auch 27,5er bis 3,25“!! Es will also das ganze Spektrum vom 29er All-Mountain bis hin zum Mid-Fatbike komplett abdecken.
Um die Unterschiede im Laufraddurchmesser auszugleichen, kommt das Bike mit zwei austauschbaren unteren Steuersatzeinsätzen – 0 oder 17 mm hoch. So kann man das tiefere Tretlager mit B+ ausgleichen bzw. die Geometrie etwas aggressiver oder eben auch agiler machen. Laut PIVOT werden alle Bikes, egal ob 29er oder 27,5 grundsätzlich mit der vormontierten 17 mm Unterschale ausgeliefert – die 0 mm Teil liegt aber jedem Bike bei.
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Die Geometrie
Ein echtes Highlight des Bikes, neben der genannten Vielseitigkeit der Reifenformate und der extremen Reifenfreiheit liegt aber in der Geometrietabelle versteckt:
Während der Lenkwinkel mit um die 67° (+ oder – 0,5° je nach Konfiguration) viel Laufruhe verspricht und der Sitzwinkel mit 73,5 bis 74,25° eine mittige Sitzposition und gute Klettereigenschaften vermuten lässt, ist es das kleine Detail der extrem kurzen Kettenstreben, welches aufhorchen lässt. Nur 428 mm sollen dieses messen – bei immerhin 135 mm Federweg, voller Kompatibilität mit Umwerfer und der oben genannten Reifenfreiheit. Unglaublich und ein neuer Bestwert, der mit der Ausnahme der Plusfähigkeit nur noch von dem CANFIELD Riot unterboten wird!
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Das „kleine Aber“ – Super Boost Plus
Erst beim zweiten Blick und etwas Recherche in den FAQs erkennt man den Kniff, den PIVOT angewandt hat um all diese Features in dem Bike unterzubringen … und Achtung, jetzt kommt’s:
PIVOT nutzt beim Switchblade nicht den noch neuen 148×12 Boost Standard, sondern geht noch weiter und nimmt den aus dem DH-Sport bekannten 157 mm Standard. Somit handelt es sich beim Switchbalde zwar nicht um einen neuen Standard, aber einen für ein All-Mountain- und Endurobike sehr ungewöhnlichen alten, den man allerdings hierfür noch weiter optimiert hat: So passen hinten zwar problemlos die existierenden 157-mm DH-Naben, aber PIVOT sah in dem gewonnenen Bauraum die Chance auch die Laufradstabilität zu erhöhen und neue Naben mit noch größerem Flanschabstand zu entwickeln, die man nicht ohne innen großen Schuss Selbstironie als „Super Boost Plus“ bezeichnet.
Die dementsprechenden Naben/Laufräder wird es sowohl von DT-SWISS, SRAM wie auch REYNOLDS geben, die auch bei den Komplettbikes verbaut sein werden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit Super Boost Plus, können die Nabenflansche ganze 14 mm weiter auseinander liegen als mit 142×12, bei 148×12 Boost waren es insgesamt nur 6 mm (3 mm auf jeder Seite). Während Boost von machen frühen Kritikern, inklusive mir, schon als nur „ein halber Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet wurde, wäre Super Boost ein echter relevanter Schritt hin zu deutlich mehr Platz und Steifigkeit am Heck von 29ern. In Summer sollte Super Boost Plus damit sowohl die derzeit steifste Hinterbaukonstruktion wie auch nochmals steifere und haltbarere Laufräder erlauben – alles Dinge, die man als durchaus positiv ansehen kann.
… die Konsequenzen (Kettenlinie und Co.)
In Folge ändert zwar auch die Kettenlinie um weitere 4 mm nach außen – jetzt bei 56 mm – aber PIVOT hat bereits vorgesorgt und Wege gefunden (bei manchen Kurbeln durch einfaches Umdrehen der Spider, bzw. der Kettenblätter, bei andern durch minimal längerer Achsen) wie der effektive Q-Faktor auch weiterhin im gewohnten Bereich bleibt.
Und auch an das Thema der Kurbel- bzw. Fersenfreiheit hat man bei PIVOT natürlich gedacht … und deswegen die nebenstehende Grafik erstellt. Sie soll zeigen, dass man mit Super Boost Plus (157×12) bei gleichem Platzangebot hinten, vorne deutlich mehr Platz hat als bei Boost 148×12.
Man ist sich bei PIVOT sehr wohl bewußt dass das Einführen einer weiteren Hinterbaubreite für das Switchblade (auch wenn es eigentlich eher eine Modifikation einer bestehenden Breite ist), sehr problematisch ist – schließlich ist der neue Boost Standard ja gerade erst eingeführt worden – aber „um ein Bike wie das Switchblade zu machen war mit Boost einfach nicht genug Platz und wir mussten uns konstruktive Wege überlegen um das kurze Heck, die Reifenfreiheit, die Option der Umwerfermontage und vor allem auch die Rahmensteifigkeit unterzubekommen. Nur deswegen gibt es Super Boost Plus.„
Wir selber hatten zwar noch keine Gelegenheit ein Switchblade zu fahren – noch gibt es keine Testbikes in D – aber wenn man den ersten Praxiseindrücken der Kollegen aus USA glaubt, fährt sich Super Boost Plus komplett unauffällig.
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Alles Weitere …
Natürlich besitzt auch das neue Switchblade alle Optionen der Zugverlegung, egal ob 1- oder 2-fach, ob mechanisch oder elektronisch (sogar mit internem Batteriefach vor dem Tretlager) und natürlich auch mit interner Dropper-Post-Anlenkung.
Ebenfalls überarbeitet wurde der Steinschlagschutz am Unterrohr, der nun aus einem noch weicheren Gummi mit viel geringerem Rückprall besteht.
Verfügbarkeit und Preise: Das Bike wird in den USA schon bald in diversen Konfigurationen und als Rahmenkit erhältlich sein. In Europa wird es noch etwas länger dauern, weswegen auch noch keine Euro-Preise hierzu bekannt sind. Die US Preise liegen jedenfalls zwischen 6399.- USD und 10.099.- USD für die Komplettbikes und damit auf dem gleichen Top-End-Niveau aller PIVOT Bikes.
Wie schon oft bei dem Thema PIVOT gesagt: Es koste eben wenn man Bikes mit dem Anspruch auf Perfektion hin entwickelt.
Ach ja, das Switchblade wird es in zwei Farbvarianten geben – neben dem hier überwiegend abgebildeten himmelblau, kommt das Switchblade auch in schwarz mit roten Akzenten.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es das Switchblade als 29er in vier Größen von XS bis XL geben wird. PIVOT ist bei diesem Bike derart von den großen Laufrädern angetan, dass er sie bei allen Fahrern und Fahrerinnen für die bessere Wahl hält – egal ob zierliche 1,6 m Frau oder 2-Meter Bühne. Interessant: Damit der Federweg, respektive der Dämpfer auch im XS-Rahmen noch gut untergebracht werden kann, wurde hier die Dampferaufnahme auf das Unterrohr verlegt.
Soweit zur Vorstellung des PIVOT Switchblade – eine langlebiger 29er bzw. Plusbike, das wieder einmal mit den bisherigen Grenzen jongliert. Ich muss offen zugeben, dass mich sehr vieles and dem Bike anspricht. Die Vielseitigkeit durch die Bandbreite an Reifen ist sehr vielversprechend und meinen bisherigen Erfahrungen mit PIVOT Bike nach dürfte das DW-Link Bike mit 135 mm eine echte Trailrakete sein.
Ob es wirklich Sinn macht einem derartigen Bike hinten eine Reifenfreiheit bis 3,25″ Breite zu geben wenn die serienmäßige Gabel nur bis 3,0″ freigegeben ist, sei dahingestellt, aber wenigstens ist die Option gegeben. Aus technischer Sicht kann ich die noch größere Hinterbaubreite von Super Boost Plus vorbehaltlos willkommen heißen, In meinen Augen hat PIVOT mit Super Boost Plus den von Boost angefangenen Weg auch am Heck erstmals wirklich konsequent weitergedacht und etwas geschaffen was wirkliche spürbare Vorteile für aggressive Fund schwere Fahrer bringen dürfte … aber ob der zahlende Kunde schon bereit dafür ist? Wir werden sehen.
Ein hochinteressantes Bike ist das PIVOT Switchblade auf alle Fälle.
RIDE ON,
c_g
Dass der Hype um die kurzen Kettenstreben nach wie vor derart anhält, verstehe ich nicht so ganz.
Seit knapp zwei Jahren fahre ich ein Bike, das in der Hinsicht das andere Extrem darstellt – das gute alte Stumpy Evo 29 mit einer Kettenstrebenlänge von um die 450mm. Auf dem Papier im Vergleich mit aktuellen Bikes kaum fahrbar, in der Praxis ein Bike, das freilich in Kurven etwas mehr Nachdruck braucht, dafür aber super stabil und laufruhig über die Trails fetzt, unglaublich viel Spaß macht und mit dem bergauf eher die Beine als ein steigendes Vorderrad das Limit setzen.
Im Vergleich dazu bin ich letzten Herbst zwangsweise für zwei Wochen mal wieder mein 2013er Propain Tyee gefahren (das komplett vom Stumpy ersetzt wurde und mittlerweile verkauft ist) und war erschrocken, wie nervös das Bike selbst auf den nicht allzu anspruchsvollen Hometrails wirkte (ok, ist ein bisschen ein Äpfel-Birnen-Vergleich wegen 26 vs. 29 Zoll, aber der Unterschied war schon sehr sehr seeeehr groß). Seitdem habe ich auch den Gedanken in Frage gestellt, bei Gelegenheit den Stumpy-Rahmen gegen ein Enduro 29 zu tauschen, das ja auch sehr kurze Kettenstreben hat. Hier befürchte ich eine ähnliche Nervosität im Handling – in der Hinsicht gefällt mir das neue Stumpy von den Zahlen her sehr gut, die 437mm langen Kettenstreben könnten ein gutes Mittelmaß darstellen.
Aber grau ist alle Theorie, jeder hat eine andere Fahrweise und mag sein Bike anders…und was das E29 angeht, da hilft nur schauen, dass man es auf ordentlichen Trails ausgiebig testen kann 😉
@Sven: Danke für deine Ausführungen. Ich bin ganz deiner Meinung, dass es wenig Sinn macht wenn die Kettenstrebenlänge als alleiniges Merkmal eines guten bikes herangezogen wird. Das wäre grob vereinfach und wenn du unsere tests liest, geht es immer um die Kombination aus Geometrie, Sitzposition, Gewichtsverteilung, Lenk- und Sitzwinkel, effektive Oberrohrlänge und viele mehr.
Die Kettenstrebenlänge alleine ist das viel zu wenig.
Beim PIVOT Switchblade ist dieses Maß aber dennoch sehr relevant, weil die kurzen Kettenstreben mit all den genannten Aspekten wie Reifenfreiheit usw. sehr wohl eine konstruktive Meisterleistung sind – die wie hier eben nur mit viel Aufwand überhaupt realisiert werden können. Ob und wie sie sich in dem konkreten fall auf das Fahrverhalten des Bikes auswirken können wir erst nach echten Praxiserfahrungen damit sagen.
Der Vergleich den du da heranziehst ist allerdings wirklich „Äpfel mit Birnen“ verglichen – denn auch hier bestimmt erst das Gesamtpaket das Handling. Deine Erfahrungen mit den beiden Bikes wiederum alleine auf die kttenstrebenlänge zu reduzieren, wäre da der gleiche simplizistische Schluss, nur ein in die andere Richtung :-).
Ganz allgemein gesprochen, bin ich mittlerweile aufgrund zahnloser Biketests durchaus auch der Meinung, dass ein kurzes Heck einem Bike durchaus mehr Agilität verleihen kann und in technischem Gelände bergab durchaus Vorteile hat. Bewegungen wie Manuals und Wheelies gehen damit oft leichter und Drops lassen sich so oft einfacher fahren. Auch Wiegetrittfahren geht mit einem kürzeren Heck oft leichter, weil man mehr Gewicht auf dem Hinterrad behält.
Die von dir genannte Nervosität beim 2013er Propain ist ebenfalls das Produkt diverser Faktoren – zwei der wichtigsten sind aber sicher die von dir auch genannte Laufradgröße (die großen Laufräder wirken einfach stabilisierend) und des Lenkwinkels.
Auf der anderen Seite kann ein kurzes Heck in Kombination mit einer nicht optimalen Gewichtsverteilung bzw. einem einsinkenden Hinterbau auch sehr schnell dazu führen, dass das Bike bei steilen Anstiegen zu früh „vorne leicht“ wird. Nicht umsonst kann ich bei den eher langen Bikes oft die Bergauf-Qualitäten im Sitzen so loben – zuletzt beim POLE, aber auch mein Dauertest CUBE Stereo und das ROCKY MOUNTAIN Instinct gehören zur Kategorie der hinten eher langen Bikes … und ich liebe sie trotzdem :-).
Ob der aktuelle Trend nach immer kürzeren Kettenstreben allerdings wirklich für jeden Biker von Vorteil ist, oder nur für den der sich sehr aktiv auf dem Bike bewegt … da scheiden sich derzeit noch die Geister. Ich denke ein Mittelweg könnte auch hier der beste Kompromiss sein.