ROCKY MOUNTAIN Pipeline – Erstmals Live & Kurztest: von c_g
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt ;-). Unmittelbar vor dem BIKE Festival in Riva hat BIKE ACTION, der deutsche Vertrieb der kanadischen Bikeschmiede ROCKY MOUNTAIN in die Südtiroler Alpen eingeladen um dort ihr nagelneues und stark auf aggressives Trailriding ausgerichtetes Plus-Fully, das Pipeline vorzustellen.
Wir haben euch das Bike vor ca. einem Monat bereits anhand der Pressenews kurz vorgestellt und euch in dem Zusammenhang auch das Video mit Wade Simmons in dem er weil mit dem Pipeline unterwegs plötzlich die hiesigen und für ihre technischen Schwierigkeiten bekannten Noth-Shore Trails für zu einfach empfindet.
Dieses Video war natürlich mit einem guten Schuss Humor garniert und es ist wohl auch dem Fahrkönnen von Wade zu verdanken, dass er die schmierig rutschigen Trails in dem Viso so „leicht“ erscheinen lässt. Dennoch weckt ein solches Video einerseits gewisse Stereotypen, die auch ich klar mit dem Plusformat verbinde – solche Bikes sind einfach fehlerverzeihender und gutmütiger als ihre schmälern Verwandten.
Interessanterweise gaben uns die nasskalten Bedingungen bei dem Pressevent genau die Bedingungen, die auch in dem Video zu sehen waren und ich war sehr gespannt wie sich das Pipeline dort wohl fahren würde.
Doch vor der Abfahrt stand zuerst einmal der Anstieg und dort zeigte sich das Pipeline 770 MSL in Größe L, das ich zu fahren bekam als ausgesprochen gutmütig und gelassen. Der zum Teil teilweise schlammige und wassergesättigte Boden erschwerte das Vorankommen zwar beträchtlich, war aber mit den breiten und sehr traktionsstarken Plus-Reifen dennoch leichter zu fahren, als mit den 29er Reifen, mit denen ich die gleiche Testrunde gleich darauf noch mal gefahren bin. Hier verhilft die größere Auflagefläche den dicken mit seinen 2,8“ MAXXIS Rekon Reifen Reifen eher auf dem Boden zu fahren, während sich die dünneren 29er Reifen hier deutlich eindrücken was beim Vorankommen massiv Körner kostet.
Was ich unabhängig von dem Laufradformat auch als sehr positiv empfunden habe, war das sehr geringe Absacken des Hinterbaus beim Pipeline. Selbst im offenen Modus des FOX DPS EVOL Dämpfers blieb das Heck hoch im Federweg und weiterhin sehr sensibel – genau so wie es sein sollte und auch genau so wie ich es von meinem Instinct her kenne seit ich es auf einen FOX DPS EVOL aufgerüstet habe.
Trotz des recht hohen Cockpits am Testbike (positiv montierten Vorbau mit einer Reihe von Sparern darunter und Riser-Bar), dazu die 150 mm Gabel war die Gewichtsverteilung sehr angenehm im dem Bike und hat mir auch bei den zum Teil sehr steilen Auffahrten nie Probleme gemacht.
Am höchsten Punkt der Testrunde angelangt hieße s dann erstmal sich über das Bike austauschen ehe es in einen wurzeligen und extrem rutschigen Singletrail ging.
Und hier war es wo das Pipeline wirklich genau das gemacht hat, was in dem Video angedeutet wurde: Trails die sonst richtig schwierig zu fahren sind, wurden damit viel leichter und sicherer zu fahren. Zwar keineswegs so sehr, dass es keinen Spaß mehr gemacht hätte, aber doch so, dass man sich im positivsten Sinne um einiges sicherer gefühlt hat. Die recht gut profilierten MAXXIS Rekon Reifen haben hier wirklich erstklassige Arbeit geleistet, das Bike stets kontrollierbar und traktionsstark zu führen. Ein zusätzlicher Bonus war natürlich auch, dass die Federelemente bereits den 2017er Tune hatten – also auch die FOX Float 34 von dem extrem sensiblen E16 Tune profitiert haben.
Wie dem auch sei – bei den vorgefundenen Verhältnissen war das Pipeline genau die richtige Waffe um noch mehr Spaß auf den Trails zu haben und meinem 29er ganz sicher deutlich überlegen mit dem ich die gleiche Runde sofort darauf noch mal gefahrne bin und deutlich mehr auf die Linienwahl habe achten müssen.
Leider haben die einsetzende Dunkelheit und der nachfolgende Wintereinbruch in den Südtiroler Alpen weitere Fahrten mit dem Pipeline während des Presscamps verhindert, aber dafür konnte ich das Bike noch mal kurz beim BIKE Festival in Riva über den Mt. Brione scheuchen – mit den gleichen positiven Erfahrungen von massivem Grip, viel Sicherheit und einem rund um gelungenen Bike, das eine gelungenen Ergänzung zu den bestehenden ROCKY Bikes darstellt.
Über die Anbauteile und Komponenten kann ich nur wenig sagen, außer dass sie in den kurzen Fahrtests ausgezeichnet funktioniert haben. Sowohl die 35 mm breiten ALEX Felgen (Innenweite), die bereits angesprochenen MAXXIS Rekon 2,8“ Reifen, als auch die 1×11 SHIMANO XT Schaltung mit RACE FACE Turbine Kurbel (mit 28er Kettenblatt), die 2017er FOX Federelemente oder die ROCK SHOX Reverb Stealth Dopper-stütze waren alle samt unauffällig und ohne funktionelle Defizite oder Auffälligkeiten.
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Gerade als langjähriger Fahrer eines RMB Instinct der nach einigen Optimierungsversuchen bei einem sehr ähnlichen Setup angelangt ist (FOX DPS EVOL Dämpfer und 150 mm Gabel), war ich natürlich sehr interessiert daran, herauszufinden wo denn tatsächlich die konstruktiven Unterschiede zwischen dem Instinct und dem Pipeline lägen
Bestätigter Fakt ist, dass das Pipeline und das Instinct sich den identischen Smooth Wall-Carbon-Hauptrahmen teilen. Die aus meiner Sicht sehr praktische Ride-9 Anpassung auf Fahrergewicht und Wunschgeometrie bleibt auch hier erhalten, wie auch alle anderen Details.
Was den Hinterbau angeht, soll der des Pipeline aber komplett anders ausgelegt sein, als beim Instinct. Einer der Faktoren seien hierbei die kürzeren Kettenstreben die von 452 mm beim Instinct auf 443 mm geschrumpft sind. Zusätzlich sei aber auch die Kinematik so überarbeitet worden, dass die Federwegskennlinie linearer ausnutzt und besser auf eine aggressive Fahrweise angepasst sei – ein Aspekt, den ich aufgrund der nur kurzen Zeit auf dem Bike nicht weiter kommentieren kann: Nach meinem Empfinden fühlt sich die Federung des neuen Pipeline genauso an wie mein im Dämpfer-Setup optimiertes Instinct, was wiederum ein echtes Lob auch für das Pipeline ist.
Nach offiziellen Aussagen die ich beim Presscamp eingeholt habe, sei das Pipeline eine spezifische Plus-Plattform und deswegen auch nur bedingt 29er kompatibel. Vorne ist es an der FOX 34er Boost Gabel kein Problem eine beliebige 29er Laufrad-/Reifenkombi zu fahren, aber hinten könnte ein 29er Reifen über 2,2“ bei maximaler Kompression des Dämpfers bereits an den Sitzstreben streifen. Schade, denn gerade diese Umrüstbarkeit auf schnellere 29er Laufräder ist für mich eine der Qualitäten, die Plus-Bikes noch vielseitiger und damit attraktiver machen könnten. Wenn wir es schaffen uns ein Pipeline zum Test zu holen, werden wir diese Aussagen aber definitiv im Direktversuch überprüfen.
Hier noch die beiden derzeit verfügbaren Modelle des ROCKY MOUNTAIN Pipeline – das etwas einfacher ausgestattete Pipeline 750 MSL (links, VK. knapp 4000.- Euro) und das gefahrene Pipeline 770 MSL (rechts, VK. ca. 5600.- Euro) – beide mit Carbonhauptrahmen und Alu-Hinterbau:
… mit der bekannten Nomenklatur bleibt damit noch Platz für ein 999 MSL Topmodell (hoffentlich mit Vollcarbonrahmen) und für einige günstigere Modelle mit Albrahmen.
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Zusammenfassung: Alles in Allem hat ROCKY MOUNTAIN mit dem Pipeline aber genau das erreicht, was sie machen wollten – ein echt aggressives Trailbike im Plusformat, das eine solche Trails und Bedingungen noch sicherer fahren lässt, als man es vorher konnte … ob man das nun als Chance nutzt noch schneller unterwegs zu sein oder um auf noch schwereren Trails seine Grenzen hinauszuschieben, bleibt einem jeden selbst überlassen. Langweilig werden die Trails damit aber auf jeden Fall nicht, soviel, kann ich schon mal definitiv sagen.
Mit der Einschränkung mit 29er Laufrädern nur bedingt kompatibel zu sein, verschenkt ROCKY zwar ein paar Vielseitigkeitspunkte, aber das erstklassige Handling gleicht das zumindest auf schwierigen Trails locker wieder fast aus. Als Allrounder und Bike für „Kilometernachen“ bleibt das Instinct weiterhin die bessere Wahl.
RIDE ON,
c_g