SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie – Testfazit: von Grannygear
(hierzu erschienene Artikel: Testintro, Erste Praxiseindrücke und Zwischenstand)

Seit meinem letzen Bericht zum SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie war ich viel auf meinen heimischen Trails unterwegs, bin damit auf zwei großartige Bikepacking-Trips gegangen und habe es auf eine typische Süd-kalifornische Ausdauertour mitgenommen. Insgesamt war es eine hervorragende Möglichkeit erste Erfahrungen mit dem neuen B+ Format, zu machen und ein Gefühl dafür zu bekommen, was diese Plattform kann und auch nicht kann. Hier meine Zusammenfassung.

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Gegenüber dem Serienbike habe ich während der Testphase an der Front noch den Ground Control Serienreifen gegen einen aggressiveren Purgatory in 3,0“ Breite ausgetauscht. Hinten blieb der Ground Control drauf.
Nach einigem Herumprobieren habe ich den Reifendruck auf ca. 1,0 bar erhöht. Wie schon mehrfach beschrieben machen bei den Plus-Reifen Druckunterschiede von nur 0,2 bar 2-3psi bereits einen großen Unterschied und obwohl das Fahrrad bei 0,85 am komfortabelsten zu fahren war und die beste Traktion hatte, war für mich das etwas zu starke Walken in Kurven und der spürbare Self-Steering-Effekt der Grund hier etwas höher zu gehen.

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Das SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie im Testeinsatz.

So, nach fast 5 Monaten auf dem Bike … was halte ich ganz allgemeinen von dem neuen Genre von Plus-Trailbike Hardtails (mit flachem Lenkwinkel, 120 mm Gabeln, kurzen Radstand usw.)? Und wie steht es speziell mit dem SPECIALIZED Fuse Pro 6 Fattie?
Nun, ich habe mich förmlich darin verliebt. Sowohl die Familie der Trail-Hardtails wie auch dieses spezielle Modell ist richtungsweisend für das was moderne Hardtails leisten. Das Combo aus 120-mm-Gabel vorne, dem kompakten Heck und den fetten Reifen … WOW!! Es ist erstaunlich, wie viel Spaß so ein Bike macht! Je schlechter die Trailoberfläche, desto besser wird das Bike; Sand, Spurrillen, lose Steine ​​… kein Problem. Mit einem Mal vergisst man wie schräge Spurrillen und Wurzeln vorher echte Herausforderungen waren, oder wie man in losen Kurven zu kämpfen hatte. Die große Gummilauffläche und der niedrige Reifendruck bieten eine fast schon wahnwitzige Traktion, wie man sie vorher nur von Fatbikes her kannte.

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Wenn deine üblichen Trails so aussehen, dann ist das Plus-Bike ein echt spannende Sache ….

Als Adventure- und Bikepacking-Bike gewinnen die Plus-Hardtail immer mehr an Beliebtheit. Ich wette, dass viele Leute, die sich in den letzten Jahren ein Fatbike gekauft haben, wollten eigentlich ein Plus-Bike … aber die gab es damals halt einfach noch nicht. Auch auf gröberen Trails bringt die fahrstabile Front viel Sicherheit, während das Heck zwar ein wenig „sprunghaft“, aber doch willig folgt. Mit einem solchen Plus-Hardtail kann man wirklich seine Freunde auf ihren Fullies herausfordern, auch wenn es systembedingt engere Grenzen hat

Hier ein paar Dinge, die mit positiv aufgefallen sind:

  • Das SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie ist ziemlich leicht. Das bedeutet nicht viel, wenn man es als Explorationsplattform und zum Bikepacking sucht, aber für den Traileinsatz, lange Anstiege usw. ist das Gewicht von knapp 13,5 kg (mit Pedalen) wirklich schön.
  • 32 SPECI FuseDer Purgatory Vorderreifen war genau die richtige Wahl für die losen und trockenen Trails hier in Südkalifornien. Plus-Reifen bringen eine Menge Gummi auf den Boden, weswegen wirklich aggressive Reifen sind nicht so wichtig sind, aber die Kurvenstabilität und die Traktion über Wurzeln hat damit noch mal einen guten Sprung nach oben gemacht. Es wurde dadurch ein wenig langsamer auf der Strasse, aber nie so sehr, dass es mir wichtig wurde.
  • Der Dropper Post, die 120-mm-Gabel, die sichere Lenkwinkel, der kurze Vorbau, das lange Oberrohr, die kurzen Kettenstreben, die gemäßigt breiten Felgen und auch die Reifen waren alle rundum gut … eine stimmige und gut funktionierende Kombi.
  • Auch der steife Aluminiumrahmen hat sich durch die breiten Niederdruckreifen ausgesprochen komfortabel gefahren.
  • 33 SPECI FuseNatürlich hat auch der SRAM 1×11 Antrieb dazu beigetragen, das Gewicht niedrig zu halten. Außerdem war es das erste Testbike, bei dem ich keine Beanstandungen wegen der Übersetzung hatte. Es gab nur eine Fahrt, bei der ich mir einen niedrigeren Gang gewünscht hätte. Außerdem fahren sich die Plus-Reifen ohnehin eher behände an und so hat es mir auch nie an einem echten Speed-Gang gefehlt.

Aber es ist nicht alles rosig und schöne Sonnenuntergänge. Es gibt auch einige Dinge, die kritisch anzumerken sind:

  • Die Reifen, die alle eine solche Traktion ermöglichen, haben auch eine gewisse Persönlichkeit. Besonders bei niedrigeren Drücken walken die dicken Reifen doch sehr deutlich und das sorgt mitunter dafür, dass sich das Bike etwas „unpräzise“ anfühlt.
    Durch die starke Kompression der Reifen über Wurzeln und in Senken, kommt man mit dem Tretlager deutlich tiefer, als bei normalen 29er Reifen. Etwas was man besonders über Treppenstufen nach Sprüngen oder über Wurzeln deutlich spürt. Zugegeben, die meiste Zeit bemerkt man das gar nicht, aber hin und wieder wird das schon deutlich und sorgt einfach für ein anderes Überrollverhalten, als man es vom 29er gewohnt ist.
  • Es kann fast schon langweilig werden, wenn vorher moderat schwierige Trails mit einem Plusbike nun auf einen Schlag super einfach zu fahren sind. Man fühlt sich spürbar mehr vom Trail isoliert, bemerket es aber erst, wenn man den gleichen Trail wieder mit einem „normalen Bike“ fährt …
  • Ob man mit einem Plusbike technische Trails schneller fahren kann? Ich könnt es wirklich nicht sagen, aber bei der gleichen Geschwindigkeit fühlt es sich zweifelsohne sicherer an. Die Frage ob man mit einem Plusbike etwas an Fahrfinesse einbüßt weil alles damit einfacher geht, oder ob es nicht einfach der nächste Evolutionsschritt für Hardtails ist … soweit lehne ich mich noch nicht aus dem Fenster um das abschließend zu beantworten.

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Die letzte Ausfahrt, bevor ich dieses Fazit geschrieben habe, war ein typischer So-Cal-Ausdauer-Ride eine 50 Kilometer Schleife mit 1500 Höhenmetern und fasst gut zusammen, was Plus-Bikes können und was nicht:

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Auf Strasse zum Ausgangspunkt, wird schnell klar, das die Plus-Reifen zwar nicht schrecklich langsam sind, aber langsam sind sie trotzdem J. Aber im Vergleich zu einem typischen 29er Bike ist das schon ein bisschen langweilig. Auf dem Geröllfeld und in den gröberen Steilstrecken wäre ein Fully für mich wahrscheinlich die besser Wahl gewesen, wenn ich ehrlich war. Auf dem langen Forststrassenaufstieg waren die Plus-Reifen einfach nur da – weder hilfreich noch hinderlich. Trotzdem wäre ich wahrscheinlich mit einem leichten 29er auch nur unwesentlich schneller gewesen. Auf der langen, breiten Gratquerung auf losem Untergrund waren die Plus-Reifen ein leichter Bonus, aber auch wieder nicht viel. Als es dann aber endlich auf echte Singletrails ging, sind die Plus-Reifen erst richtig aufgewacht. Jeder Schrägabschnitt war absolut aicher und jede Sepentine, und Spitzkehre war mit dem SPECIALIZED Fuse Pro 6 Fattie genauso einfach zu fahren, wie die besten 29er Trailbikes. Die langen Abschnitte mit Baby-Kopf-großen Felsen lief unter den großen Reifen hindurch, als wären sie fast nicht da – unterstützt durch die spurtreue Gemoetrie hatte ich stets ein sehr sicheres Gefühl.

Fazit: Wo ich lebe, und für das, was ich an Trails besonders schätze, wäre ein Plus-Bike nicht immer meine allererste Wahl. Auf dieser großen Trailrunde waren es wirklich nur die technischeren Trailpassagen, in denen die Plus-Reifen mir gegenüber einem 29er einen echten Vorteil gegeben haben … und dort bin ich mit 29er Fullies auch schon oft genauso sicher und bequem unterwegs gewesen.
35 SPECI FuseAber. Wenn meine typischen Trails ohne längere Anfahrt direkt vor meiner Haustüre (oder dem Auto) beginnen würden, wenn sie eher verwurzelt und technisch wären und auch öfter über sandigen Untergrund gingen – dann gäbe es keine Frage und ich würde mir ein Plus-Bike zulegen.
Zusammenfassend haben sich meinen ersten Eindrücke zu dem neuen Plusformat zwar noch etwas verfeinert, sind aber mehr als bestätigt worden. Plus-Bikes sind wirklich nette Bikes und ich wette, SPECIALIZED wird wahrscheinlich jedes einzelne verkaufen, das sie produzieren.
So gut Plus-Reifen auch sind, haben sie einige systembedingte Nachteile und deswegen bleiben 29er für mich auch weiterhin das vielseitigste und fähigste Format. 29er sind meiner Meinung nach ist es immer noch der König. Wo sich jeder einzelnen Leser wieder findet – ob eher in der Kategorie der Plus-Anhänger oder doch eher den klassischen 29ern, darf jeder selbst herauszufinden.

Grannygear