SALSA Horsethief Carbon 1 – Erste Eindrücke: von MiMü
Knapp 14 Tage sind vergangen, seitdem wir euch das SALSA Horsethief Carbon 1 (Modelljahr 2015) in all seinen Details vorgestellt haben. Und obwohl die vergangenen Tage mehr durch Regen und stürmischen Wind beeindrucken konnten, ist es Zeit euch von meinen ersten Erfahrungen zu berichten.
Gleich beim Aufsitzen fällt die angenehme, den Fahrer ins Bike integrierende Geometrie auf. Man sitzt weder zu gestreckt und noch zu gedrungen, man thront nicht auf dem Bike, sondern fühlt sich bestens „im Bike“ aufgehoben.
Die Kombination aus dem mit 73,5° mäßig steilem Sitzwinkel sowie dem mit 68,1° flachen Lenkwinkel erweist sich als sehr guter Kompromiss zwischen effektiver Gewichtsverlagerung/Tretposition und laufruhigem Vorderrad, gleichzeitig kann das Lenkverhalten aber als quirlig und dennoch direkt bezeichnet werden. Die 437 mm kurzen Kettenstreben tragen einen nicht unwesentlichen Teil zum verspielten Charakter des Horsethief bei. Gerade im Vergleich mit dem Ur-Horsethief, dessen Kettenstreben sage und schreibe 460 mm lang waren, ist das aktuelle Bike kurven-hungriger, handlicher – einfach weniger sperrig wi sein Vorgänger.
On Trail verleitet das Bike so richtig Spiel mit dem Gelände, jeder kleine Hügel muss als Startrampe herhalten, jeder noch so kleine Anlieger wird zum Surfen benutzt. Selbst in steilen verblockten Passagen kommt keine Nervosität auf – die Integration ins Bike bietet hier Sicherheit und verhilft dem Piloten zur nötigen Entschlossenheit.
COSMIC SPORTS hat den Schaft der verbauten Rock Shox Revelation bei langen 20cm belassen, die mitgelieferten vier Spacer lassen viel Raum, um eine an die persönlichen Vorlieben angepasste Lenkerhöhe herauszufinden. Ich habe nach kurzem Probieren alle Spacer über dem Vorbau montiert und mich damit für die tiefste Lenkerposition entschieden. So fällt die Sitzposition eine Spur sportlicher, flacher aus, bergauf lastet etwas mehr Gewicht auf dem Vorderrad, on Trail und bergab ist das Lenkverhalten noch eine Spur direkter, aber ohne je Überschlagsgefühle aufkommen zu lassen.
Die Kombination aus 70 mm langem Vorbau mit 0° Steigung und Salsa-eigenem Lenker mit 15mm Rise fügt sich perfekt in den nun spritzigeren Charakter des Bikes ein.
Zu dieser sportlichen Sitzposition passt der leicht zu beschleunigende SRAM Roam 40 Laufradsatz, der komplett (sprich Räder/Reifen/Schläuche, Kassette und die beiden Bremsscheiben) gute 4220g auf die Waage bringt. Eine Umrüstung auf tubeless würde nur durch Weglassen der beiden Schläuche ordentlich Gewicht sparen, werden anstatt der Nobby Nics noch Race-Reifen verbaut könnte der Laufradsatz noch einmal um die 400g leichter werden – so wäre das Horsethief dann ohne allzu großen Aufwand zu einer trail- bzw. spaßlastigen Marathon-Rakete umgerüstet.
Trotz der nur 24 straight-pull Speichen ist der Roam bei meinen 80kg Lebendgewicht ausreichend steif, setzt Lenkimpulse direkt um und überzeugt mit guter Spurtreue. Die mit gerade einmal 21 mm Innenbreite recht schmale Felge hatte bisher keine Probleme den 2,35“ breiten Nobby Nic Pace Star zu führen. Der SCHWALBE Nobby Nic selber hat mich bisher auch nicht enttäuscht. Grip und Seitenhalt sind auch unter den oft schwierigen Bedingungen für einen Allround-Reifen tadellos, der Rollwiderstand erwartungsgemäß niedrig. Für den klassischen Tourenfahrer ist der „NN“ mit Sicherheit eine gute Wahl, Trailfahrer sollten lieber einen Reifen mit mehr Profil wählen.
Im Vergleich zu meinem Alu-Horsethief vertraut Salsa bei der Carbon-Variante auf einen custom-valved Rock Shox Monarch RT3 Dämpfer. Das direkte Duell mit dem Fox Float CTD Boost Valve gewinnt dabei eindeutig der Rock Shox. Er spricht meiner Meinung nach viel feinfühliger auf kleine Unebenheiten an, bietet dabei aber genug Progression, um bei größeren Hindernissen nicht durchzuschlagen. Der Split-Pivot-Hinterbau des SALSA arbeitet selbst im Wiegetritt so ruhig und wippfrei, dass ich die Plattform-Funktion des Dämpfers bis dato nur äußerst selten gebraucht habe. Auch der Lockout kam bisher nur sporadisch, und dann nur bei längeren Asphaltstücken, zum Einsatz. Mit offenem Dämpfer fährt sich das Bike einfach am angenehmsten, der Hinterbau kann so sein volles Performance-Potential ausspielen.
Wo so viel Licht ist, ist aber auch etwas Schatten. Zumindest kleinere schattige Ecken.
Optisch unschön finde ich die schaltzug-bedingten Scheuerspuren auf der rechten Seite des Steuerrohrs. Nachdem diese auf der linken Seite nicht vorhanden sind dürfte es sich wohl um einen ungünstig langen Schaltzugbogen handeln. Präventiv könnte man hier eine Schutzfolie anbringen oder sich mit verschieden langen Zugbögen spielen.
Als Geduldsspiel erwies sich das korrekte Montieren der Rear Maxle. Sie dient gleichzeitig als Drehpunkt der Split-Pivot-Kinematik, fixiert dabei Sitz- und Kettenstreben. Wenn man sie aber etwas zu fest anzieht, beginnt der Hinterbau beim Bremsen und im Wiegetritt zu Knarzen. Zudem fühlt sich die Hinterbaufederung dann irgendwie leblos und indirekt an. Ich kann mir vorstellen, dass das zu feste Spannen von Lagerung und hinterer Nabe dieses Fahrgefühl hervorruft. Eine zu lose angezogene Achse verursacht dagegen ein wackelndes Hinterrad und dadurch bedingt eine schleifende Bremse.
Nach ein bisschen Herumprobieren habe ich dann letztendlich ein zufriedenstellendes Anzugsmoment gefunden.
Gar nicht anfreunden kann ich mich mit dem Fehlen einer absenkbaren Sattelstütze bei unserem Testbike. Wer einmal die Annehmlichkeiten einer Remote-Stütze genossen hat, möchte sie nicht mehr missen – insbesondere an einem Trail-Bike wie dem Horsethief, dessen Einsatzbereich prädestiniert ist für eine derartige Stütze. Nachdem es das Horsethief in D aber eh nur als Frameset zu kaufen gibt, bleibt es jedem selbst überlassen, welche Art von Sattelstütze er verbauen möchte.
Jetzt aber genug mit der Nörgelei, Zeit für das Zwischenfazit.
Das Salsa Horsethief Carbon hat mich bisher nicht enttäuscht, meine Vorfreude auf den Test war absolut berechtigt. Die Kombination aus toller Geometrie und geringem Gesamtgewicht lässt den Pferdedieb zur Trail-Rakete mutieren. Dagegen wirkt mein eigenes solider aufgebautes Alu-Horsethief wie ein lahmer alter Esel! Cosmicsport hat uns ein spaßiges Allmountain-Bike zur Verfügung gestellt, dass sich auf schnellen, verwinkelten Trails am wohlsten fühlt. Mit ein bisschen Tuning würde aber auch dem einen oder anderen Marathon-Einsatz nichts im Wege stehen.
Ich freue mich auf die restliche Testdauer mit dem SALSA Horsethief Carbon 1!
MiMü